OGH 2Ob60/15k

OGH2Ob60/15k23.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** T*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei W***** M*****, vertreten durch Mag. Paul Wolf, Rechtsanwalt in St. Veit/Glan, wegen 4.862,43 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. Jänner 2015, GZ 4 R 408/14p‑60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 17. Oktober 2014, GZ 40 C 1129/12p‑53, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 556,99 EUR (hierin enthalten 92,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu bezahlen.

Begründung

Der inzwischen verstorbene Vater des Beklagten haftete dem Kläger für die (schwerwiegenden) Folgen eines von ihm verschuldeten Verkehrsunfalls. Die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung ist aufgebraucht. Die Eltern des Beklagten übergaben diesem eine Liegenschaft, die im Wesentlichen ihr gesamtes Vermögen bildete. Im Übergabevertrag verpflichtete sich der Beklagte zu den üblichen Ausgedingsleistungen (Wohnrecht, Pflege etc) sowie dazu, seinen Geschwistern auf Weisung der Eltern bestimmte Grundstücke zu überlassen. Weiters übernahm er eine Schuld des Vaters, die bei Abschluss des Übergabevertrags mit 215.535 EUR aushaftete. Der Gläubiger stimmte einer Entlassung des Vaters aus der Haftung zu. Zur Tilgung dieser Forderung wendete der Beklagte danach 290.000 EUR auf.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 4.862,43 EUR Verdienstentgang und Heilungskosten sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall „bis zum Wert des übernommenen Hälftanteils an der Liegenschaft […] abzüglich vom Beklagten bereits bezahlter Schulden [seines Vaters]“. Der Beklagte hafte für die Schulden seines Vaters nach § 1409 ABGB.

Der Beklagte wendet, soweit im Rekursverfahren relevant, ein, dass seine im Übergabevertrag vorgesehenen Gegenleistungen den Wert des Liegenschaftsanteils überstiegen, weswegen „kein Deckungsfonds“ verbleibe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den Wert des vom Vater übergebenen Liegenschaftsanteils mit 453.000 EUR fest (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ‑ Seite 9 und 10 ‑ ist mehrfach von einem Wert in Höhe von 452.000 EUR die Rede), nahm aber an, dass der Beklagte „Gegenleistungen“ von 472.816 EUR erbracht habe, weswegen „kein Deckungsfonds“ verbleibe. Bei diesen Leistungen handle es sich einerseits um folgende im Übergabevertrag vorgesehene Verpflichtungen des Beklagten:

Einräumung eines Wohnrechts an den Vater (Barwert) 30.006 EUR

Pflege des Vaters (Barwert) 50.529 EUR

Versorgung des Vaters mit Energie (Barwert) 11.788 EUR

Wert von Baugründen, die „über Weisung der Übergeber“ an Geschwister auszufolgen sein würden 85.428 EUR

Grab- und Bestattungskosten 5.065 EUR

Andererseits sei der für die Rückzahlung der übernommenen Schuld aufgewendete Betrag von 290.000 EUR zu berücksichtigen. Zusammen überstiegen diese Beträge den Wert des Liegenschaftsanteils.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu.

In Bezug auf die übernommene Schuld des Vaters sei nur der im Zeitpunkt der befreienden Schuldübernahme offene Betrag anzusetzen, nicht die in weiterer Folge tatsächlich geleisteten Zahlungen. Die Verpflichtung zur Ausfolgung der Baugründe habe nicht nur gegenüber dem Vater, sondern auch gegenüber der Mutter bestanden; daher sei hier nur der halbe Wert anzusetzen. Damit sei der „Haftungsfonds“ nicht erschöpft, weswegen das Erstgericht die Ansprüche des Klägers prüfen müsse. Der Rekurs sei zulässig, weil keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage vorliege, wie die „Forderungsanrechnung für den Übernehmer eines Vermögens gemäß § 1410 Abs 1 ABGB im Falle privativer Schuldübernahme vorzunehmen sei“.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der „Revisionsrekurs“ des Beklagten, mit dem er die Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt. Maßgebend sei nicht die Höhe der Forderung im Zeitpunkt der Veräußerung, sondern die (danach) tatsächlich geleisteten Zahlungen.

Der Kläger beantragt in der Rechtsmittelbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Maßgebender Zeitpunkt für die Ermittlung der Haftungshöchstgrenze sei der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, daher komme es nur auf die offene Forderung zu diesem Zeitpunkt an, nicht auf die später tatsächlich erfolgten Zahlungen.

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte bekämpft mit seinem „Revisionsrekurs“ einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts. Beim Rechtsmittel handelt es sich daher um einen Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ‑ die Falschbezeichnung schadet gemäß § 84 Abs 2 ZPO nicht ‑ der (abgesehen vom formalen Erfordernis der Zulassung, RIS‑Justiz RS0043880) nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist. Eine solche stellt sich aber nur dann, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Frage abhängt. Die maßgebende ‑ dh vom Berufungsgericht oder vom Rechtsmittelwerber als erheblich bezeichnete ‑ Rechtsfrage muss daher präjudiziell für die Entscheidung sein ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 Rz 60 und § 519 Rz 106, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0088931); fehlende Relevanz schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (4 Ob 101/13a). An die Beurteilung der Erheblichkeit durch das Berufungsgericht ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO).

2. Ein solcher Fall liegt hier vor:

2.1. Die Vorinstanzen gehen davon aus, dass Gegenleistungen des Übernehmers an den Übergeber den durch die Aktiva des übernommenen Vermögens bestimmten Haftungsfonds reduzierten. Das trifft aber in dieser Allgemeinheit nicht zu. Denn die Gegenleistung ist nach ständiger Rechtsprechung nur zu berücksichtigen, wenn sie den Gläubigern des Übergebers die gleiche Sicherheit und die gleiche Befriedigungsmöglichkeit wie dessen bisheriges Vermögen gewährt; das wäre etwa beim Eintausch einer Liegenschaft, die den wesentlichen Teil des Vermögens des Veräußerers bildete, gegen eine gleichwertige der Fall (7 Ob 534/88, SZ 61/49; RIS-Justiz RS0033123; zuletzt etwa 4 Ob 111/13x, ecolex 2013, 1061). Daher könnte etwa ein beim Übergeber verbliebenes Fruchtgenussrecht nur dann haftungsmindernd berücksichtigt werden, wenn es exekutiv verwertbar wäre (4 Ob 111/13x, ecolex 2013, 1061). Generell entfällt die Haftung des Übernehmers bei Zahlung eines Kaufpreises oder eines sonstigen Entgelts nur dann, wenn diese Leistung dem Wert des übernommenen Vermögens entspricht und zur Gänze zur Befriedigung von Gläubigern des Übergebers verwendet wurde (6 Ob 605/90, ÖBA 1991, 383; RIS-Justiz RS0033117; zuletzt etwa 3 Ob 53/09d, SZ 2009/99). Die vom Erstgericht für seine gegenteilige Auffassung zitierten Entscheidungen ergingen nicht zu § 1409 ABGB, sondern zu Fragen des Schenkungspflichtteils; dies gilt auch für die im Rechtsmittel genannten Entscheidungen 6 Ob 620/82 und 6 Ob 13/84.

2.2. Weder die im Übergabevertrag vereinbarten Ausgedingsleistungen (Wohnrecht, Pflege etc) noch die im Belieben der Übergeber stehende Verpflichtung des Beklagten, bestimmte Grundstücke an Geschwister weiterzugeben, mindern auf dieser Grundlage den Haftungsfonds. Denn weder kamen diese Leistungen den Gläubigern der Übergeber zugute, noch bieten sie diesen Gläubigern auch nur irgendeine Möglichkeit der exekutiven Verwertung. Damit steht dem Kläger aber selbst dann, wenn man die vom Beklagten tatsächlich zur Tilgung der übernommenen Schuld aufgewendeten Beträge für maßgebend hielte, ein die Klageforderung weit übersteigender Haftungsfonds von 163.000 EUR zur Verfügung.

3. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist daher für das Zahlungsbegehren nicht relevant. Ein Vorbringen, dass die Entscheidung über das Feststellungsbegehren davon abhinge, enthält der Rekurs nicht. Er ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222 [insb T2, T4, T7]). Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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