OGH 4Ob101/13a

OGH4Ob101/13a9.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr.

 Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj S***** M*****, und des mj J***** M*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Dipl.‑Ing. R***** M*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 14. Februar 2013, GZ 20 R 145/12g‑103, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 31. Oktober 2012, GZ 1 Pu 225/09s‑92, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00101.13A.0709.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der durch die Mutter vertretenen Kinder wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die 17‑jährige Tochter und der vierjährige Sohn des Vaters aus der mittlerweile geschiedenen Ehe mit der Mutter wohnen im Haushalt der Mutter, die die Kinder betreut.

Für die Zeit ab 1. Jänner 2009 setzte das Erstgericht die Unterhaltsbeiträge des Vaters, zu deren Zahlung er sich im Scheidungsvergleich vom 1. September 2008 verpflichtet hatte, auf monatlich 195 EUR für die Tochter und 125 EUR für den Sohn herab, weil der Vater die Auflösung seines Dienstverhältnisses mit Ende des Jahres 2008 nicht verschuldet habe, nunmehr lediglich Arbeitslosengeld beziehe, geringfügige selbständige Einkünfte erziele und von einer Obliegenheitsverletzung im Sinn des Anspannungsgrundsatzes noch nicht ausgegangen werden könne.

Bis Ende August 2009 bezog der Vater Arbeitslosengeld. Von Dezember 2009 bis Februar 2010 war er als selbständiger Vertreter tätig und erzielte Einkünfte von 10.000 EUR, zuzüglich 4.365,57 EUR als Reisespesenersatz. Von März 2012 bis August 2012 bezog der Vater neuerlich Arbeitslosengeld, monatlich etwa 1.400 EUR, und seit 11. August 2012 Notstandshilfe im Ausmaß von 1.210 EUR monatlich.

Unter Berücksichtigung seines Alters und Berufsverlaufs sowie der Arbeitsmarktlage (ohne Berücksichtigung einer Ver‑ oder Überschuldung) könnte der Vater seit 1. Mai 2009 einen Arbeitsplatz als kaufmännisch‑technischer Konsulent in der Metall‑ oder Kunststoffindustrie mit monatlichen Durchschnittsnetto-einkommen von 2.415 EUR für 2009, 2.485 EUR für 2010, 2.558 EUR für 2011 und 2.634 EUR für 2012 erzielen.

Der Vater erhielt von seiner Mutter und seiner jetzigen Lebensgefährtin im Laufe der vergangenen Jahre Privatdarlehen, um seinen Lebensunterhalt (mit‑)zufinanzieren. Im Jahr 2009 wendete er monatlich 785 EUR, im Jahr 2010 898 EUR und im Jahr 2011 1.414 EUR für die Rückzahlung eines Kredits auf, welchen er zur Finanzierung des Scheidungsvergleichs (Abfindung an die Mutter der Kinder) aufnahm. Der Vater ist Eigentümer der von ihm, seiner Lebensgefährtin sowie zwei Kindern aus der neuen Beziehung bewohnten Liegenschaft, im Wert von mindestens 400.000 EUR in Klosterneuburg und darüber hinaus einer weiteren Liegenschaft in Ungarn, welche zumindest 50.000 EUR wert ist, von der der Vater aber zur Zeit keine Einnahmen erzielt.

Über Antrag der Kinder erhöhte das Erstgericht die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seiner Tochter und dem Sohn um unterschiedliche Beträge in der Vergangenheit sowie um 240 EUR ab 1. Juli 2012 für die Tochter und um 140 EUR für den Sohn. Darüber hinausgehende Unterhaltserhöhungsanträge der Kinder wies es ab. Das Erstgericht zog als Unterhaltsbemessungsgrundlage das erzielbare Einkommen des Vaters als kaufmännisch‑technischer Konsulent in der Metall‑ oder Kunststoffindustrie heran, weil er in Anbetracht der Gesamtsituation auf die Erzielung eines solchen Einkommens anzuspannen sei.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs sowohl des Vaters als auch der Kinder die erstgerichtliche Unterhaltsfestsetzung. Das Erstgericht habe den Vater zu Recht auf die nach dem berufskundlichen Gutachten erzielbaren Einkommen angespannt, es wäre auch nicht zu der Überschuldung des Vaters gekommen, wenn er sein Haus verkauft hätte und in eine Mietwohnung gezogen wäre. Das bloße Vorlegen von Bewerbungsschreiben sei nicht ausreichend, um eine entsprechende Zielstrebigkeit bei der Arbeitssuche nachzuweisen und die festgestellten Verdienstmöglichkeiten zu widerlegen.

Über Abänderungsantrag des Vaters sprach das Rekursgericht (nachträglich) aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs (doch) zulässig sei, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob einem Unterhaltsschuldner zugemutet werden könne, sein Haus zu verkaufen, obwohl er an diesem ein dringendes Wohnbedürfnis für sich, seine Lebensgefährtin sowie deren zwei gemeinsamen Kinder habe und dieses Haus auch Raum für seine drei Kinder aus der geschiedenen Ehe biete, damit diese das Besuchsrecht ausüben könnten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die gänzliche Abweisung der Unterhaltserhöhungsanträge der ehelichen Kinder anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Die vom Rekursgericht ‑ der Argumentation des Vaters in seinem Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs folgend ‑ als erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG bezeichnete Rechtsfrage nach der Zumutbarkeit des Hausverkaufs ist im vorliegenden Fall nicht zu lösen. Als Unterhaltsbemessungsgrundlage wurde nicht etwa der Verkaufserlös der vom Vater bewohnten Liegenschaft herangezogen, sondern jenes Einkommen, welches nach den getroffenen Feststellungen vom Vater nach der Arbeitsmarktlage und seinen persönlichen Verhältnissen ‑ entsprechende Bemühung voraus-gesetzt ‑ erzielt hätte werden können. Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (vgl RIS‑Justiz RS0088931).

Soweit der Revisionsrekurswerber die Feststellung des von ihm unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und seiner persönlichen Verhältnisse erzielbaren Einkommens bekämpft und in diesem Zusammenhang andere oder ergänzende Feststellungen begehrt, ist er darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist.

Der Unterhaltsschuldner hat alle Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können; er muss alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (RIS‑Justiz RS0047686). Es kommt bei einem Verlust des Arbeitsplatzes bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage ganz maßgeblich auf das Verhalten des Unterhaltspflichtigen nach dem Verlust des Arbeitsplatzes an (RIS‑Justiz RS0106230).

Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf nur erfolgen, wenn den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt (RIS‑Justiz RS0047495). Der Mangel an zielstrebiger und tatkräftiger Arbeitsplatzsuche löst den Anspannungsgrundsatz aus (2 Ob 280/02z). Der Schuldner hat zu behaupten und zu beweisen, dass er das frühere Einkommen nicht mehr erzielen kann. Misslingt ihm dieser Beweis, so kann er dennoch nicht ohne weiteres auf sein früheres Einkommen angespannt werden, sondern es kommt dann auf seine konkreten Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt an (1 Ob 58/00m; 1 Ob 165/01y). Der Unterhaltspflichtige muss neben den Vermittlungsversuchen des für ihn zuständigen Arbeitsamts eigene Anstrengungen unternehmen, ein Arbeitsverhältnis einzugehen (2 Ob 205/97x mwN). Diesen Grundsätzen folgt die Unterhaltsbemessung der Vorinstanzen im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen zu dem vom Vater erzielbaren Erwerbseinkommen.

Schulden des Unterhaltspflichtigen vermindern nicht schlechthin die Bemessungsgrundlage (RIS‑Justiz RS0047491). Kosten für die Kreditrückzahlung sind bei der Bemessung des Unterhalts nicht zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltspflichtige nicht geltend macht, der Kredit sei zur Erhaltung seiner Arbeitskraft oder für existenznotwendige Bedürfnisse aufgenommen worden (RIS‑Justiz RS0007202). Dem Unterhaltsverpflichteten obliegt es, die Abzugsfähigkeit von Kreditrückzahlungsraten darzutun (1 Ob 581/94; 6 Ob 658/95 ua; RIS‑Justiz RS0007202 [T2]). Kosten des Scheidungsverfahrens können die Unterhaltsbemessungs-grundlage ebenso wenig mindern wie ‑ ohne Hinzutreten besonderer Umstände ‑ die Kosten der Wohnungsneubeschaffung (1 Ob 154/00d). Dass die Vorinstanzen die vom Vater ins Treffen geführten Schulden, welcher dieser aufnehmen musste, um den Scheidungsvergleich bzw die Vermögensaufteilung mit der Mutter seiner Kinder zu finanzieren, bei Festlegung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht berücksichtigten, steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung. Ob der Vater durch Verkauf des von ihm bewohnten Hauses die Aufnahme der ihn nunmehr offenbar drückenden Schulden verhindern hätte können oder diese durch den Hausverkauf abtragen könnte, steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der in Anwendung des Anspannungsgrundsatzes gewonnenen Unterhaltsbemessungsgrundlage.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen.

Da die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung gemäß § 68 Abs 1 AußStrG ‑ gleich der Revisionsrekursfrist ‑ 14 Tage beträgt, ist die erst nach Ablauf dieser Frist übermittelte Revisionsrekursbeantwortung der von der Mutter vertretenen Kinder als verspätet zurückzuweisen.

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