OGH 4Ob111/13x

OGH4Ob111/13x27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. G***** B***** 2. K***** B*****, beide vertreten durch Mag. Guido Leitgeb, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wegen 106.721 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 95.835,20 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. April 2013, GZ 6 R 45/13z-155, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Dezember 2012, GZ 1 Cg 103/06y-141, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.334,60 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 389,10 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Eltern der Klägerin und des mit der Zweitbeklagten verheirateten Erstbeklagten waren Eigentümer einer Liegenschaft mit Wohnhaus, die sie der Klägerin und einem weiteren Sohn verkauften.

Die Beklagten wurden zur Räumung einer Wohnung im Haus, deren Wohnungseigentümerin die Klägerin nach Parifizierung geworden war, verurteilt.

Die Beklagten waren an der Errichtung des Wohnhauses maßgeblich finanziell und durch Arbeitsleistungen beteiligt, weil sie erwarteten, dass die Eltern das Haus dem Erstbeklagten und seinem Bruder übergeben würden.

Das für die von den Beklagten titellos bewohnte Wohnung angemessene ortsübliche Benützungsentgelt für den von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum beträgt 106.721 EUR. Der Barwert des von der Klägerin ihren Eltern zum Vertragsstichtag 19. Juni 1996 eingeräumten Fruchtgenussrechts betrug 93.961,57 EUR.

Die Beklagten leisteten für den Zu-, Um- und Ausbau des Wohnhauses 30.853,14 EUR, zahlten darüber hinaus Errichtungsdarlehen in Höhe von 9.647,17 EUR zurück und ließen mit dem Bauwerk verbundene Einrichtungsgegenstände im Wert von 7.908,66 EUR zurück. 1983 bis 1986 leisteten die Beklagten gemeinsam mit dem Vater und dem weiteren Bruder Arbeitsleistungen für die Errichtung des Zu-, Um- und Ausbaus. Der angemessene Stundensatz für eine Nicht-Facharbeiterstunde betrug damals 100 S. Welcher Anteil von insgesamt 13.052 Arbeitsstunden auf die Beklagten entfiel, konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrte 106.721 EUR sA an Benützungsentgelt für den Zeitraum 1996 bis 2010 (Räumung).

Die Beklagten wendeten - abgesehen von der Bestreitung der Höhe des geltend gemachten Benützungsentgelts - Gegenforderungen für getätigte Aufwendungen auf die Liegenschaft ein. Für diese Aufwandersatzansprüche hafte die Klägerin nach § 1409 ABGB, weil sie das wesentliche Vermögen der Eltern übernommen habe, die ursprünglich zum Aufwandersatz verpflichtet gewesen seien.

Das Erstgericht stellte die Klageforderung als mit 106.721 EUR zu Recht bestehend fest und verurteilte die Beklagten nach Abzug ihrer mit 47.917,63 EUR als zu Recht bestehend erkannten Gegenforderung zur Zahlung von 58.803,37 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 47.917,63 EUR sA ab. Den für die geleisteten Arbeitsstunden angemessenen Teil der Gegenforderung setze das Erstgericht nach § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung mit 47.426,29 EUR fest und ermittelte davon ausgehend eine Gesamtgegenforderung von 95.835,26 EUR, für die die Klägerin gemäß § 1409 ABGB zur Hälfte hafte.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung beider Streitteile das Ersturteil dahin ab, dass es die Gegenforderung der Beklagten mit 95.835,26 EUR als zu Recht bestehend erkannte und die Beklagten daher lediglich zur Zahlung von 10.885,74 EUR sA verpflichtete und das Mehrbegehren von 95.835,26 EUR sA abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Bestimmung des § 1409 ABGB in mehrfacher Hinsicht unklar und problematisch sowie umstritten sei, die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung uneinheitlich wäre, was insbesondere den Fall betreffe, dass sich der Übergeber einen Teil des Vermögens zurückbehalten habe.

Nach dem zwischenzeitigen Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 209/09b sei davon auszugehen, dass das Wohnhaus als Vermögen im Sinn des § 1409 ABGB anzusehen sei, offen geblieben sei nur, ob das Fruchtgenussrecht zu Gunsten der Übergeber der Anwendung des § 1409 ABGB entgegenstehe. Zum Übergabezeitpunkt 1996 habe die Rechtsprechung den exekutiven Verkauf eines Fruchtgenussrechts noch nicht zugelassen, in Betracht gekommen wäre nur eine Zwangsvermietung durch Zwangsverwaltung des Fruchtgenussrechts. Da das Fruchtgenussrecht mit dem Tod des Berechtigten ende, beinhalte jeder Verkauf ein aleatorisches Element, welches sich extrem wertmindernd auswirke. Da gemäß § 105 EO überdies die unentbehrlichen Wohnräume der Verpflichteten zu berücksichtigen wären und davon auszugehen sei, dass die Eltern auf die Wohnmöglichkeit im Haus angewiesen seien, sei überdies von der Unverwertbarkeit des Fruchtgenussrechts auszugehen. Die Beklagten seien daher nicht auf die theoretische, praktisch aber nur mit sehr reduzierten Erfolgschancen verbundene Möglichkeit zu verweisen, ihren Bereicherungsanspruch nach § 1435 ABGB gegen die Übergeber durch exekutive Verwertung von deren Fruchtgenussrecht hereinbringen zu können. Dem gegenüber komme dem festgestellten Barwert des Fruchtgenussrechts keine entscheidende Bedeutung zu. Die Klägerin sei überdies als nahe Angehörige und damit gemäß § 1409 Abs 2 ABGB beweisbelastete Person nicht schutzwürdig, sie hätte sich gegen die Rechtsfolgen des gesetzlichen Schuldbeitritts nach § 1409 ABGB bei Vertragsabschluss vorsehen können. Sie hafte überdies mit den Übergebern solidarisch, weshalb die Gegenforderung der Beklagten auf Ersatz ihrer Aufwendungen auf die Liegenschaft der Klägerin zur Gänze aufrechnungsweise eingewendet werden könne.

Die Revision der Klägerin, mit der sie die gänzliche Klagestattgebung (Abweisung der Gegenforderung) anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof befasste sich in diesem Fall bereits in seinem Aufhebungsbeschluss vom 23. Februar 2010, 4 Ob 209/09b, mit den Voraussetzungen des gesetzlichen Schuldbeitritts nach § 1409 ABGB. Festgehalten wurde - abgesehen von nicht mehr verfahrensgegenständlichen Ausführungen zur Berücksichtigung von Pfandrechten -, dass der Begriff des „ganzen Vermögens“ nicht so wörtlich zu nehmen ist, dass der Übergeber überhaupt nichts zurückbehalten dürfe, sondern dahin zu verstehen ist, dass nicht „erhebliches“ zurückbleiben darf. Die Gegenleistung des Erwerbers ist dann zu berücksichtigen, wenn sie den Gläubigern des Erwerbers die gleiche Sicherheit und die gleiche Befriedigungsmöglichkeit wie dessen bisheriges Vermögen gewährt, etwa bei Eintausch einer Liegenschaft, die den wesentlichen Teil des Vermögens des Veräußerers bildet, gegen eine gleichwertige. Eine nicht-äquivalente Gegenleistung liegt nicht nur dann vor, wenn sie dem Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens nicht entspricht, sondern auch dann, wenn sie nicht die gleiche Sicherheit und Befriedigungsmöglichkeit bietet (RIS-Justiz RS0033123). Das von der Klägerin ins Treffen geführte, von ihr den Veräußerern zugestandene Fruchtgenussrecht an einer Wohnung im Haus kann daher nur dann als beim Veräußerer verbliebenes Vermögen berücksichtigt werden, wenn es einen im Vergleich zur übergebenen Liegenschaft nicht unerheblichen Wert bildet, welcher überdies auch einer exekutiven Verwertung zugänglich ist. Dies konnte damals mangels konkreter Feststellungen zur Natur des zurückbehaltenen Rechts, seinem Wert und der Verwertungsmöglichkeit nicht beurteilt werden.

Nunmehr hat das Berufungsgericht die Verwertungsmöglichkeit - ungeachtet der theoretischen, wenn auch bloß subsidiären Möglichkeit des Zwangsverkaufs - als gering beurteilt, weil die Dauer der Ausübung (Lebenszeit der Berechtigten) ungewiss sei, die Exekutionsbeschränkung des § 105 EO (Wohnräume des Verpflichteten) berücksichtigt werden müsse und daran auch der festgestellte Barwert von 93.961,57 EUR nichts ändere.

Diese an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientierte Beurteilung, die dem Vorliegen erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO schon grundsätzlich entgegensteht, bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Darüber hinausgehende Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung des § 1409 ABGB sind in diesem Fall nicht mehr zu beantworten.

Dass der gesetzliche Schuldbeitritt nach § 1409 ABGB eine solidarische Haftung des Übernehmers mit dem Übergeber bewirkt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0108117).

Die Anwendbarkeit des § 273 ZPO hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und hat daher keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0040494); nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens können an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS-Justiz RS0007104). Eine solche vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO (Bemessungsgrundlage war der strittig gebliebene Teil der Klageforderung von 95.835,26 EUR).

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