European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00242.14F.0421.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin (= Verpflichtete) ist aufgrund einer (vom Obersten Gerichtshof zu AZ 4 Ob 76/11x) bestätigten einstweiligen Verfügung vom 8. März 2011, die durch einen im Hauptverfahren am 27. April 2012 abgeschlossenen, gleichlautenden Vergleich ersetzt wurde, verpflichtet, es
zu unterlassen, eine „Bestpreisgarantie“ für Markenartikel anzukündigen, wenn sie nicht für alle Markenartikel, auf die sich die angekündigte Bestpreisgarantie bezieht und die zu gleichen Packungsgrößen (zB betreffend Gewichts‑, Litermenge) abgegeben werden, den niedrigsten von 21 namentlich genannten Mitbewerbern verlangten Preis, der ihr bekannt ist oder bekannt sein muss, verlangt. Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass auch der Vergleich im Sinn der Entscheidung zu AZ 4 Ob 76/11x auszulegen ist.
Darin hat der Oberste Gerichtshof folgende, auch hier geltende Klarstellungen vorgenommen:
‑ Da die Beklagte die eingangs zitierten Einschränkungen der angekündigten „Bestpreisgarantie“ nur in einigen, nicht in allen Werbemitteln angeführt hatte, ist anzunehmen, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise davon keine Kenntnis erlangte. Diese Einschränkungen können daher der Auslegung des gebrauchten Begriffs „Bestpreisgarantie“ nicht zugrunde gelegt werden (= RIS‑Justiz RS0071819 [T6] = RS0078370 [T1]).
‑ Im Rahmen einer ganz allgemein als „Bestpreisgarantie“ angekündigten Preisgestaltung im Lebensmitteleinzelhandel sind österreichweit gültige Preise zu berücksichtigen, die Mitbewerber bei Ladenverkäufen im regulären Geschäftsbetrieb verlangen, nicht hingegen Sonderangebote anlässlich von Geschäftseröffnungen oder -schließungen, im online-Handel verlangte Preise oder regionale Sonderangebote. Zu berücksichtigen sind unter diesen Voraussetzungen auch Preise im Rahmen von Mehrmengenangeboten (bei gleicher Packungsgröße und Abnahme einer dem Angebot entsprechenden Stückzahl) sowie Preise, die im Fall der Abgabe eines für Kaufinteressenten leicht verfügbaren Gutscheins verlangt werden (= RIS‑Justiz RS0071819 [T7] = RS0078370 [T2]).
‑ Hat die Beklagte mit ihrer Bestpreisgarantie in Anspruch genommen, unter den näher beschriebenen Bedingungen höchstens den billigsten Preis ihrer Mitbewerber zu verlangen, darf ein Durchschnittsverbraucher nicht nur annehmen, dass die Beklagte auch auf kurzfristige Aktionen von Mitbewerbern reagiert, sondern auch, dass die Preisanpassung umfassend und lückenlos erfolgt. Daher ist die Ankündigung einer Bestpreisgarantie schon dann geeignet, die Auswahlentscheidung und den Kaufentschluss der Kaufinteressenten in relevanter Weise zu beeinflussen, wenn sie infolge unterlassener Preisanpassung auch nur in wenigen Einzelfällen unrichtig ist (= RIS‑Justiz RS0078581 [T1] = RS0078202 [T27] = RS0078296 [T35]).
Die Beklagte (als Betreibende) führte gegen die Klägerin Exekution nach § 355 EO wegen zahlreicher Verstöße zunächst gegen die EV, später gegen den Vergleich, worauf das Erstgericht die Exekution jeweils bewilligte und mehrere Strafbeschlüsse erließ. Gegen elf Titelverstöße davon richtet sich die Impugnationsklage der Verpflichteten, die vom Erstgericht abgewiesen wurde, weil es ‑ mit einer Ausnahme betreffend Punkt 2 des Urteilsbegehrens, die aber keine Auswirkung auf die Strafhöhe gehabt habe ‑ von der Verwirklichung von Titelverstößen ausging und das Verschulden der Beklagten bejahte. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und gab dem Impugnationsklagebegehren zu den Punkten 6., 7. und 9. des Urteilsbegehrens unbekämpft statt; im Übrigen wurde das Ersturteil bestätigt, der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jedes Unterlassungsverstoßes mit 30.000 EUR übersteigend angenommen und die ordentliche Revision jeweils nicht zugelassen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt zu den Fragen der Auslegung einer allgemeinen Bestpreisgarantie, des Vorliegens von Titelverstößen und des Verschuldens daran keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Soweit die Klägerin (neuerlich) bestreitet, dass der bei der Exekutionsführung behauptete und im Impugnationsprozess erwiesene Sachverhalt ‑ zu den Punkten 1., 4., 5., 8. und 11. des Urteilsbegehrens ‑ rechtlich kein Zuwiderhandeln gegen die titelmäßige Unterlassungsverpflichtung darstelle, genügt der Hinweis auf die ständige Judikatur, wonach dem Verpflichteten dafür die Impugnationsklage nicht zur Verfügung steht (RIS‑Justiz RS0123123). Ob die Exekutionsbewilligung (oder ein Strafbeschluss) durch den Titel gedeckt war, ist nicht im Impugnationsverfahren zu prüfen (RIS‑Justiz RS0000072).
2. Substrat der Exekutionsbewilligung nach § 355 EO oder eines darauf folgenden Strafbeschlusses ist nur das vom betreibenden Gläubiger behauptete Verhalten (RIS‑Justiz RS0080946 [T4]). Im Impugnationsverfahren kann dieser Sachverhalt zwar ergänzt werden, es kann dem Klagebegehren aber nicht ein völlig anderer Sachverhalt entgegengehalten werden (3 Ob 90/95). Ob ‑ wie hier zu den Punkten 3. und 10. des Urteilsbegehrens ‑ eine unschädliche, bloß Teilbereiche berührende Modifikation des im Exekutionsverfahren behaupteten Sachverhalts vorliegt oder ein gänzlich anderer, ist nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
3. Das Erstgericht hat zu Punkt 3. des Urteilsbegehrens festgestellt, dass ein relevanter Mitbewerber den irrtümlich angekündigten, von der Klägerin trotz Bestpreisgarantie nicht erreichten Preis ‑ neu gegenüber dem Exekutionsantrag: nach Reklamation von Kunden ‑ tatsächlich verrechnete. Angesichts der grundsätzlich gebotenen strengen Beurteilung von Spitzenstellungsbehauptungen (vgl 4 Ob 233/12m) stellt es keine unvertretbare Fehlbeurteilung dar, darin einen vom Mitbewerber tatsächlich verlangten Preis zu erblicken und deshalb einen Titelverstoß zu bejahen.
4. Zu Punkt 10. des Urteilsbegehrens steht entsprechend dem Exekutionsantrag fest, dass ein von der Klägerin zu berücksichtigender Mitbewerber für zwei Tage eine Kiste eines bestimmten Bieres nach der Klägerin bekannter Ankündigung günstiger verkaufte als die Klägerin. Im Gegensatz zu den Behauptungen im Exekutionsantrag handelte es sich aber nicht um ein allgemeines, an alle Kunden gerichtetes Angebot, sondern um ein nur für Mitglieder des Kundenklubs („Friends“) des Mitbewerbers geltendes.
Auch in dieser Konstellation erweist sich die Rechtsansicht des Erstgerichts, es liege ein Titelverstoß vor, als nicht korrekturbedürftig.
4.1. Es ist zu prüfen, ob es einen Verstoß gegen den Unterlassungstitel darstellt, wenn die Klägerin, die ihre Bestpreisgarantie für ein bestimmtes Produkt nur gegenüber ihren Clubmitgliedern ankündigte, einen ihr bekannten niederen Preis eines Mitbewerbers für dasselbe Produkt, der ebenfalls nur für dessen Clubmitglieder galt, nicht verlangte. Die Annahme, ein Durchschnittsverbraucher, der bereits Mitglied eines Kundenclubs der Verpflichteten ist, werde bereit sein, die gleichen Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft auch im Kundenclub des Mitbewerbers zu erfüllen (noch dazu, wenn beide Unternehmen demselben Konzern angehören) und deshalb das Angebot des Mitbewerbers trotz der Einschränkung dem ihm ebenso eingeschränkt gemachten Angebot der Verpflichteten gleichsetzen, stellt eine jedenfalls vertretbare Einzelfallbeurteilung dar. Wegen der festgestellten Anzahl von etwa 3.200.000 Mitgliedern des Kundenclubs des Mitbewerbers und der allgemein bekannten Verbreitung der Märkte des Mitbewerbers in ganz Österreich trifft das auch auf die daraus abgeleitete Konsequenz zu, dieser verlange damit österreichweit gültige Preise beim Ladenverkauf im regulären Geschäftsbetrieb.
4.2. Dem steht die Entscheidung 4 Ob 233/12m nicht entgegen, weil sie nicht einschlägig ist. Dort war nämlich zu prüfen, ob ein nicht auf Klubmitglieder, sondern gegenüber der Allgemeinheit gemachtes Bestpreisangebot einen Wettbewerbsverstoß bildet, wenn ein Mitbewerber einen billigeren Preis anbietet, jedoch nur für Mitglieder seines Kundenclubs. Die Verneinung eines Wettbewerbsverstoßes wurde im Rahmen einer Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin auch nur als vertretbar angesehen.
4.3. Der Umstand, dass das Berufungsgericht der Impugnationsklage zu Punkt 9. des Urteilsbegehrens bei vergleichbarem Sachverhalt stattgab, ist unbeachtlich. Das Berufungsurteil erwuchs nämlich in diesem Teil ‑ mangels Bekämpfung durch die Beklagte ‑ in Rechtskraft und ist deshalb hier nicht mehr zu beurteilen.
5.
Dass ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot unverschuldet erfolgte, ist mit Impugnationsklage geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0107694). Von der verpflichteten Partei wird in diesem Zusammenhang verlangt, dass sie alles Zumutbare unternimmt, um die titulierte Verpflichtung erfüllen zu können. Nur wenn sie dem nachkommt, kann sie sich darauf berufen, ohne jedes Verschulden dem Exekutionstitel zuwider gehandelt zu haben (RIS‑Justiz RS0013515 [T3]), wobei den Impugnationskläger die Behauptungs‑ und Beweislast trifft (RIS‑Justiz RS0000756 [T2]).
5.1. Die Zurechnung der Fehler ihrer Mitarbeiter und jener der von ihr beschäftigten externen Agentur ebenso wie (computer‑)technischer Gebrechen in ihrem Betrieb an die Klägerin bestreitet sie ‑ zutreffend (vgl RIS‑Justiz RS0004484; 3 Ob 220/11s) ‑ gar nicht.
5.2. Der gegen die Klägerin geschaffene Exekutionstitel räumt ihr ‑ nicht einmal nach dem Vergleich (!) ‑ eine „Reaktionszeit“ zur Preisanpassung ein. Die Umsetzung der Bestpreisgarantie und die Einhaltung der Unterlassungspflicht obliegt ausschließlich der Klägerin. Solange sie trotz aller getroffenen Maßnahmen nicht ausschließen kann, dass sie für betroffene Markenartikel Preise verlangt, die über den ihr bekannten oder fahrlässig unbekannten Preisen der im Exekutionstitel genannten Mitbewerber liegen, dh nicht sicherstellen kann, dass sie die titulierte Unterlassungspflicht „umfassend und lückenlos“ (4 Ob 76/11x) erfüllen kann, ist es ihr jedenfalls zumutbar, von Werbemaßnahmen, die eine dieser widersprechende allgemeine Bestpreisgarantie enthalten, abzustehen; denn solche sind ihr weder behördlich noch gesetzlich auferlegt, sondern es steht in ihrem freien Belieben, eine solche Bestpreisgarantie im Wettbewerb zu verwenden oder nicht.
Gibt sie eine solche jedoch ab, obwohl sie ‑ zwangsläufig ‑ zB menschliche Fehler bei der Erfassung der Preise der Mitbewerber und/oder der Einschätzung des Verhaltens der Mitbewerber und/oder technische Probleme bei der Verarbeitung und Weiterleitung der erhobenen Daten als realistisch in Betracht ziehen muss, ist ihr dies jedenfalls vorwerfbar und begründet ihr Verschulden am Titelverstoß. Darauf, wie lange die Klägerin überhöhte Preise verlangte und damit gegen die angekündigte Bestpreisgarantie verstieß, kommt es somit für die Frage, ob Verschulden gegeben ist, gar nicht an.
Es bildet daher auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Titelverstöße seien schuldhaft erfolgt, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)