OGH 9ObA126/14s

OGH9ObA126/14s18.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Gerda Höhrhan‑Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** E*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Reif & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 18. September 2014, GZ 11 Ra 63/14k‑43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00126.14S.1218.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach § 24 HVertrG 1993 gebührt dem Handelsvertreter unter den dort genannten Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. Dieser Anspruch besteht allerdings gemäß § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 unter anderem dann nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertretungsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Auslegung des Kündigungsgrundes des „Alters“ hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 9 ObA 2/04s und 9 ObA 105/10x (EvBl 2012/15 [ Nueber ]; Pichler , Kein Ausgleichsanspruch für Hackler?, ecolex 2012, 378 ff) ausführlich Stellung genommen. Danach indiziert die Eigenkündigung des Handelsvertreters bei Vorliegen des Regelpensionsalters jedenfalls die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertreterverhältnisses. Alle übrigen Fälle der Eigenkündigung „wegen des Alters“ müssen konkret darlegen, weshalb dem Handelsvertreter wegen des Alters eine Fortsetzung der Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung wegen des Alters ist daran zu messen, ob die konkret vereinbarten Tätigkeiten in zumutbarer Weise weiter ausgeübt werden können oder nicht. Es kommt daher ‑ wie bei der Kündigung wegen Krankheit oder Gebrechen ‑ auch beim Alter nicht auf eine generelle Erwerbsunfähigkeit als Handelsvertreter, sondern auf das konkrete Vertragsverhältnis und die Umstände des Einzelfalls an. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung wegen des Alters können beispielsweise Umstände wie das Ausmaß der Reisetätigkeit des Handelsvertreters, die Größe des Vertretungsgebiets und die Zahl der Kunden und Kundengespräche eine Rolle spielen (vgl Nocker , HVertrG 1993 § 24 Rz 321; 9 ObA 105/10x), ohne dass eine Krankheit oder ein Gebrechen vorliegen müssen.

Eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RIS‑Justiz RS0044088), zeigt die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Zumutbarkeitsabwägung im Einzelfall ist jedenfalls vertretbar.

Der am ***** 1951 geborene Kläger betrieb als selbständiger Unternehmer von 15. 7. 2011 bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Eigenkündigung zum 31. 10. 2012 eine Selbstbedienungstankstelle der Beklagten. Über seinen Antrag wurde dem Kläger mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 11. 2012 gewährt. Der Kläger wäre gesundheitlich und auch aufgrund seines Alters in der Lage gewesen, die Tätigkeit des Tankstellenpächters weiter zu verrichten. Unter den vorgegebenen Bedingungen war es dem Kläger nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auch möglich, die Tankstelle gewinnbringend zu führen.

Der Kläger vermisst bei der von den Vorinstanzen vorgenommenen Zumutbarkeitsabwägung im Rahmen des Kündigungsgrundes des Alters die Berücksichtigung seiner finanziellen Einbußen. Abgesehen davon, dass er bei Fortsetzung seiner Handelsvertretertätigkeit die vorzeitige Alterspension nicht beziehen könne, müsse er weiter eine Arbeitsleistung erbringen, durch die er sogar weniger Entgelt erhielte als durch den Bezug der Pension.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Kläger möge zwar aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten verständlich sein, begründe aber unter den gegebenen Voraussetzungen keine Unzumutbarkeit wegen des Alters, ist keineswegs unvertretbar. Insofern unterscheidet sich die Kündigung des Klägers nicht wesentlich von einer Kündigung wegen Aufnahme einer lukrativeren anderen Beschäftigung. Auch dort könnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Kündigung „wegen seines Alters“ iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 erfolgte. Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 105/10x beispielhaft erwähnten Kriterien für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung wegen des Alters beziehen sich klar erkennbar darauf, dass es für den Handelsvertreter (nur) aufgrund seines höheren Alters und den damit im Regelfall verbundenen Leistungseinbußen schwieriger wird, die ihm übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, ohne dass dies auf eine Krankheit oder Gebrechlichkeit zurückzuführen ist. Diese haben jedoch nichts mit den finanziellen Verhältnissen und Ertragserwartungen des Handelsvertreters zu tun.

Dieses Ergebnis steht auch nicht in einem Wertungswiderspruch zur Entscheidung 3 Ob 114/13f. Diese Entscheidung betraf die Frage, ob ein dem Unternehmer zurechenbarer Umstand begründeten Anlass zur Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Handelsvertreter gab. Fälle, in denen die Tankstellen wegen eines dem Unternehmer zurechenbaren Grundes nicht gewinnbringend geführt werden können, dem Tankstellenpächter daher auch im Fall der Eigenkündigung ein Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG 1993 zugebilligt wird (RIS‑Justiz RS0124725), sind aber mit der Eigenkündigung des Handelsvertreters wegen des Alters, die gerade nicht auf ein kausales Verhalten des Unternehmers abstellt, schon im Ansatz nicht vergleichbar.

2. Die Anregung des Klägers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts hier offenkundig ist (vgl RIS‑Justiz RS0082949). Mit dem am 1. 3. 1993 in Kraft getretenen Handelsvertretergesetz (HVertrG 1993), BGBl 1993/88, wurde das österreichische Handelsvertreterrecht ‑ bereits vor dem EU-Beitritt Österreichs per 1. 1. 1995 (BGBl 1995/45) ‑ an die Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter angepasst (9 ObA 105/10x). Auf Grund der Art 17 bis 19 der Richtlinie 86/653/EWG hat der Gesetzgeber § 25 HVG 1921 neu gefasst und sich dabei für die deutsche Regelung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b dHGB entschieden. Art 18 lit b der Richtlinie 86/653/EWG stellt aber ‑ wie § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 ‑ nicht auf das Erreichen eines bestimmten Pensionsalters, sondern auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Handelsvertretertätigkeit ab. Der in Art 18 lit b der Richtlinie 86/653/EWG betonte Billigkeitsaspekt wurde vom österreichischen Gesetzgeber in § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 nicht besonders hervorgehoben, findet sich aber in § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993, sodass man § 24 Abs 3 HVertrG 1993 als positivrechtliche Konkretisierung des Billigkeitsgrundsatzes des § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 sehen kann (9 ObA 105/10x mwN).

3. Auch die Frage, ob für die Eigenkündigung eines Handelsvertreters ein dem Unternehmer zurechenbarer, den Ausgleichsanspruch wahrender begründeter Anlass iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG vorliegt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0124101 [T9]). Sie begründet daher ‑ abgesehen von Fällen einer unvertretbaren Fehlbeurteilung ‑ keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vermag die außerordentliche Revision nicht aufzuzeigen. Ausgehend davon, dass die Tankstelle unter den gegebenen Voraussetzungen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gewinnbringend geführt werden kann, stellt sich die Frage nach einem angemessenen Unternehmerlohn, dessen Unterschreitung eine wirtschaftliche Führung des Betriebs in jedem Fall dann ausschließe, wenn dieser unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn liege, nicht (vgl 8 ObA 11/11t). Der Wert der erforderlichen Arbeitsleistung des Klägers in Form des kalkulatorischen Unternehmerlohns (vgl 9 ObA 4/13y) wurde von den Vorinstanzen angemessen berücksichtigt.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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