OGH 4Ob209/14k

OGH4Ob209/14k16.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mediengruppe „Ö*****“ GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 5.000 EUR sA, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 9. Oktober 2014, GZ 4 R 163/14s-10, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. August 2014, GZ 43 Cg 61/14i‑5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00209.14K.1216.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“, die zum Teil ‑ insbesondere in Ballungszentren ‑ als Gratiszeitung vertrieben wird. Die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Heute“, die ausschließlich gratis verbreitet wird. Die Streitteile stehen daher in einem Wettbewerbsverhältnis. Laut Media-Analyse 2013 weist „Heute“ mit 13,8 % eine höhere Reichweite auf als „Österreich“ mit 10 %.

Die Beklagte veröffentlichte in der Zeitschrift Extradienst folgende Anzeige:

Die Zeitschrift „Extradienst“ richtet sich als Fachzeitschrift an Werbeagenturen, Werbeabteilungen, Marketingleiter und Media-Planer; ihre Auflage beträgt 12.014 Stück.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten zu verbieten, sie im geschäftlichen Verkehr durch die Anzeige oder in sinngleicher Form herabzusetzen. Die Beklagte suggeriere, dass „Österreich“ im Vergleich zu „Heute“ aufgrund seines schlechten Journalismus ein Ladenhüter sei, ohne ein Sachsubstrat für diesen unzutreffenden Anwurf anzuführen. Die in Wettbewerbsabsicht erfolgte Einschaltung sei daher unlauter im Sinne des § 1 UWG, da es sich um eine pauschale Herabsetzung ohne jegliche Sach- oder Produktinformation handle.

Die Beklagte wendet ein, dass sich die Anzeige an Fachkreise richte. Diese würden die journalistische Qualität der Zeitungen ebenso kennen wie deren Wertschätzung durch das Leserpublikum und daher das beanstandete Inserat als humorvoll übertriebenen Hinweis auf die Qualität der Zeitung der Beklagten verstehen. Dabei handle es sich um ein Werturteil, das einer objektiven Überprüfbarkeit entzogen sei. Eine ernstzunehmende Abwertung der Klägerin sei damit nicht verbunden. Das von der Klägerin unterstellte Verständnis, ihre Zeitung wäre im Vergleich zu jener der Beklagten aufgrund ihres schlechten Journalismus ein Ladenhüter, habe demgegenüber als ganz entfernt außer Betracht zu bleiben. Das Inserat sei daher nicht unlauter.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das angesprochene Fachpublikum sei in der Lage, die beanstandete Wort-Bild-Darstellung in den richtigen Zusammenhang zu setzen. Faktisch sei klar, dass die dargestellten Verteilerboxen in der Praxis nicht oder kaum so aufgestellt seien. Dem angesprochenen Fachpublikum sei auch bekannt, dass beide Tageszeitungen auf dem Zeitungsmarkt konkurrierten und mehr oder weniger erfolgreich seien, weshalb es die Darstellung als humorvoll und satirisch aufnehme. Insbesondere werde es nicht folgern, dass die Zeitung der Klägerin jedenfalls nur „schlechten Journalismus“ betreibe. Die Äußerung „… steht weder rechts noch links“ könne auch suggerieren, dass die Tageszeitung der Klägerin regelmäßig beliebige politische Ausrichtungen verfolge. Der bildlichen Darstellung sei nicht zu entnehmen, dass „Österreich“ ein Ladenhüter sei: die mittige Verteilerbox von „Heute“ sei bereits völlig geleert, während die beiden flankierenden „Österreich“-Boxen offensichtlich nur je zur Hälfte geleert seien, woraus folge, dass jeweils die gleiche Menge an Tageszeitungen entnommen worden sei. Jedenfalls habe die Beklagte die Zeitung der Klägerin nicht der Lächerlichkeit oder dem Spott preisgegeben und damit nicht die Grenze zur unzulässigen Herabsetzung überschritten.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs unzulässig sei.

Wegen der Bezugnahme auf die Zeitung der Klägerin handle es sich um einen klassischen Fall von vergleichender Werbung iSv § 2a UWG. Sie sei nur dann zulässig, wenn sie nicht gegen die §§ 1, 1a, 2, 7 oder 9 Abs 1 bis 3 UWG verstoße. Verpönt seien also unter anderem Verspottungen oder sonstige pauschale Herabsetzungen mittels Werturteilen. Aus dem Gesamteindruck der beanstandeten Werbung ergebe sich, dass „Heute“ im Gegensatz zu dem in den beiden seitlichen Boxen enthaltenen „Österreich“ guten Journalismus biete, im Umkehrschluss folglich, dass „Österreich“ keinen guten (also bestenfalls mittelmäßigen oder gar schlechten) Journalismus betreibe. Dieses für die Klägerin und deren Zeitung herabsetzende Werturteil beruhe auf keinem erkennbaren oder auch nur erschließbaren Tatsachensubstrat und sei daher keine zulässige Kritik an einem bestimmten Verhalten der Klägerin oder ihrer Mitarbeiter. Es werde auch nicht durch die unterschiedlich gefüllten Verteilsboxen gerechtfertigt. Denn damit werde nur ein objektiv nicht nachgewiesener Zusammenhang zwischen der journalistischen Qualität eines Blattes und der Anzahl seiner Leser suggeriert und das negative Werturteil über die Qualität von „Österreich“ nur scheinbar objektiv belegt. Auch unter diesem Aspekt sei daher das Inserat eine unsachliche, unnötige und damit insgesamt unlautere Herabsetzung der Zeitung der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Bei der beanstandeten Anzeige handelt es sich um vergleichende Werbung iSv § 2a UWG.

1.1. § 2a UWG idF der UWG-Nov 2007 übernimmt mit geringfügigen sprachlichen Änderungen die mit dem Fernabsatz-Gesetz (BGBl I 185/1999) neu in das UWG eingefügten Absätze 2 und 3 des § 2 UWG idF vor dieser Novelle. Zweck der letztgenannten Bestimmungen war die Umsetzung der mit der RL 97/55/EG neu gefassten RL 84/450/EWG über irreführende und vergleichende Werbung (EB zur RV des Fernabsatz-Gesetzes, 1998 BlgNR 20. GP 37 f). Diese Richtlinie wurde inzwischen ‑ ohne wesentliche inhaltliche Änderung ‑ durch die RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung) ersetzt. Auch die nun maßgebende Richtlinie regelt in abschließender Weise die Bedingungen, unter denen vergleichende Werbung in den Mitgliedstaaten zulässig ist; Werbevergleiche sind daher allein anhand der vom Unionsgesetzgeber aufgestellten Kriterien zu beurteilen (EuGH C‑44/01 , Pippig Augenoptik, Rz 44; 4 Ob 259/03x = ÖBl 2004, 160 [Gamerith] ‑ Dan aktuell; Herzig in Wiebe/G.Kodek, UWG2 § 2a Rz 20; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG32 [2014] § 6 Rz 10).

1.2. § 2a UWG ist im Sinn der letztgenannten Richtlinie auszulegen. Das gilt insbesondere für die Definition des Begriffs „vergleichende Werbung“. Darunter fällt nach Art 2 lit c RL 2006/114/EG jede Werbung,

„die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht“.

1.3. Es besteht kein Zweifel, dass dies bei der hier beanstandeten Werbung zutrifft. Die Beklagte stellt ihre Zeitung in zweifacher Weise in Bezug zu jener der Klägerin. Zunächst ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Wort und Bild, dass die Beklagte den besseren Journalismus biete. Denn „guter“ Journalismus steht danach „weder rechts noch links“, sondern, wie zu ergänzen ist, in der Mitte; diese Positionen sind nach der Grafik aber eindeutig den beiden Zeitungen zugeordnet. Jede andere Deutung wäre weltfremd. Weiters lässt sich der Anzeige die Behauptung entnehmen, dass die Zeitung der Beklagten stärker nachgefragt werde als jene der Klägerin. Denn ihre Verteilerbox ist leer, während die beiden Boxen der Klägerin noch gut gefüllt sind.

2. Dieser Werbevergleich erfüllt nicht die Bedingungen des Art 4 RL 2006/114/EG und verstößt daher gegen § 2a UWG.

2.1. Vergleichende Werbung ist nur zulässig, wenn sie die in Art 4 RL 2006/114/EG enthaltenen ‑ positiven und negativen ‑ Voraussetzungen zur Gänze erfüllt (EuGH C‑487/07 , L’Oréal, Rz 67; C‑159/09 , Lidl SNC, Rz 16;4 Ob 202/01m = ecolex 2002/110 ‑ Flori; 4 Ob 23/03s = wbl 2003/230 ‑ Tausend-Auflage-Preis; RIS-Justiz RS0117485; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG6 [2014] § 6 Rz 52 ff). Diese Regelungen sollen (unter anderem) einen objektiven Vergleich der Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen sicherstellen (EG 8 RL 2006/114/EG ; EuGH C-356/04 , Lidl Belgium GmbH & Co KG, Rz 41 f). Konkret umgesetzt wird diese Zielsetzung insbesondere durch Art 4 lit c RL 2006/114/EG , wonach nur wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften verglichen werden dürfen und dieser Vergleich objektiv zu erfolgen hat. Damit sind Vergleiche ausgeschlossen, die sich allein aus einer subjektiven Wertung ihres Urhebers ergeben (EuGH C‑356/04 , Lidl Belgium GmbH & Co KG, Rz 56; BGH I ZR 134/07 ‑ Gib mal Zeitung; Herzig in Wiebe/G. Kodek, UWG2 § 2a Rz 56 ff; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG6 [2014] § 6 Rz 52ff).

2.2. Dieses Objektivitätsgebot wird zwar in § 2a UWG nicht ausdrücklich genannt. Allerdings verweist diese Bestimmung unter anderem auf die lauterkeitsrechtliche Generalklausel des § 1 UWG (vgl zu dieser Regelungstechnik Herzig in Wiebe/G. Kodek, UWG2 § 2a Rz 35 mwN). Dies ermöglicht eine richtlinienkonforme Interpretation. Denn die Gerichte der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinie auszulegen; ein Widerspruch zwischen nationalem Recht und Richtlinie ist tunlichst zu vermeiden (EuGH Rs C‑12/08 , Mono Car Styling, Rz 59 ff mwN; Rs C‑397/01 bis C‑403/01 , Pfeiffer, Rz 115; RIS-Justiz RS0075866). Diese Pflicht beschränkt sich nicht auf Regelungen, die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen worden sind; sie erstreckt sich vielmehr auf den gesamten Rechtsbestand des Mitgliedstaats (RIS-Justiz RS0112669; EuGH Rs C-397/01 bis C-403/01 , Pfeiffer, Rz 115). § 1 Abs 1 Z 1 UWG ist daher dahin auszulegen, dass vergleichende Werbung unlauter ist, wenn sie das Objektivitätsgebot des Art 4 lit c RL 2006/114/EG nicht erfüllt.

2.3. Im konkreten Fall ist die beanstandete Werbung unproblematisch, soweit sie sich auf den unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolg der beiden Zeitungen bezieht.

(a) Die Nachfrage nach einer Zeitung ist eine nachprüfbare Eigenschaft; sie wird durch die verbreitete Auflage und die Reichweite konkretisiert. Die Relevanz dieser Eigenschaft liegt für die im konkreten Fall angesprochene Werbebranche auf der Hand: Die Wirkung einer Anzeige ist umso höher, je mehr potentielle Kunden sie erreicht. Die angesprochenen Kreise kennen die beiden Zeitungen und wissen, dass sie die genauen Auflagen- oder Reichweitenzahlen den entsprechenden Studien (ÖAK, Media Analyse) entnehmen können. Daher verstehen sie die konkrete Grafik nicht dahin, dass die Zeitung der Klägerin stets vergriffen sei, während jene der Beklagten in den Verteilerboxen liegen bleibe. Vielmehr sehen sie darin einen Hinweis auf die (unstrittig) höhere Reichweite der Zeitung der Beklagten und wohl auch eine subtile Anspielung auf den ‑ in den angesprochenen Kreisen zweifellos bekannten ‑ Versuch der Klägerin, einen wirtschaftlichen Erfolg allein aus der Höhe der Druckauflage abzuleiten (vgl 4 Ob 132/10f = wbl 2011, 51 - Österreich ist schon Nr 2).

(b) Hätte die Werbung daher lediglich ‑ wenn auch in ironischer Form - die höhere Nachfrage nach der Zeitung der Beklagten herausgestellt, wäre sie unbedenklich gewesen. Insofern trägt auch der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung BGH I ZR 134/07 (GRUR 2010, 161 [Ohly] ‑ Gib mal Zeitung). Denn danach ist eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte nicht unlauter, wenn sie ihn weder dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgibt noch von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen wird. Das wäre hier aufgrund der Fachkunde der angesprochenen Kreise der Fall gewesen, wenn sich die Beklagte auf die Grafik beschränkt oder wenn sie ergänzend eine (nicht die Grenze zur Herabsetzung überschreitende) Formulierung gefunden hätte, die (nur) als Hinweis auf die unterschiedliche Reichweite der beiden Zeitungen zu verstehen gewesen wäre.

2.4. Anders verhält es sich aber mit der (impliziten) Behauptung, die Zeitung der Beklagten biete „besseren Journalismus“ als jene der Klägerin.

(a) In diesem Zusammenhang bringt die Beklagte selbst vor, dass die Aussage über die journalistische Qualität ihrer Zeitung auf einer Wertung beruhe, die nicht überprüfbar sei. Daraus folgt aber zwingend, dass sie diese Aussage nicht zum Gegenstand vergleichender Werbung machen darf. Denn eine solche Werbung stünde gerade wegen der fehlenden Überprüfbarkeit in unlösbarem Widerspruch zum oben dargestellten Objektivitätsgebot des Art 4 lit c RL 2006/114/EG . Daher wird zwar die Auffassung der Beklagten zutreffen, dass sie mit „gutem“ oder auch „dem besten“ Journalismus werben dürfte (4 Ob 86/00a = ÖBl 2001, 68 - Das beste Magazin; vgl zuletzt die Nachweise in 4 Ob 217/10f = ecolex 2011, 243 [Tonninger] - Das beste Service). Eine solche Werbung wird jedoch unzulässig, wenn sie einen Bezug zu einem oder mehreren genanten oder erkennbaren Mitbewerbern herstellt, dem oder denen ausdrücklich oder implizit ein „schlechterer“ Journalismus unterstellt wird. Ob das anders zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte konkrete Gründe für ihre Behauptung angegeben hätte, ist hier nicht zu entscheiden.

(b) Diese unionsrechtlich begründete Auffassung stimmt im Kern mit der Rechtsprechung des Senats überein, wonach eine der objektiven Nachprüfung entzogene, mit Schlagworten operierende und deshalb dem Wahrheitsbeweis nicht zugängliche Pauschalabwertung eines Konkurrenten, die den Boden einer sachlichen Aufklärung des Publikums verlässt, gegen § 1 UWG verstößt (4 Ob 114/88 = SZ 62/20 - Ideenfabrik; RIS-Justiz RS0078308, zuletzt etwa 4 Ob 127/08t = ÖBl 2009, 120 [Mildner] - unseriöse Anbieter, und 4 Ob 100/10z = ÖBl 2011, 110 ‑ Überforderte Zeitungsredaktion). Sie geht aber insofern darüber hinaus, als schon die fehlende Objektivität und Nachprüfbarkeit für die Annahme von Unlauterkeit ausreicht, ohne dass damit eine ins Gewicht fallende Abwertung des Mitbewerbers verbunden sein müsste.

(c) Richtig ist, dass das strenge Objektivitätsgebot des Art 4 lit c RL 2006/114/EG in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Grundrecht der freien Meinungsäußerung iSv Art 10 EMRK und Art 11 GRC - das auch die kommerzielle Kommunikation schützt ‑ steht (Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG6 § 6 Rz 10; weitere Nachweise bei Köhler, „Gib mal Zeitung“ ‑ oder „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“ von heute, WRP 2010, 571 [573 FN 15]). Allerdings ist nach der Rechtsprechung des EGMR im Lauterkeitsrecht grundsätzlich ein strengerer Maßstab zulässig als in anderen Lebensbereichen (4 Ob 98/07a = SZ 2007/139 = ÖBl 2008, 75 [Gamerith] ‑ VÖB, mwN). Daher kann dieses Grundrecht im Allgemeinen eine Pauschalabwertung ebenso wenig rechtfertigen (4 Ob 100/10z ‑ Überforderte Zeitungsredaktion mwN; RIS‑Justiz RS0109629) wie unwahre Tatsachenbehauptungen (RIS‑Justiz RS0075732, RS0054817 [T12]). Gleiches ist für das Objektivitätsgebot nach Art 4 lit c RL 2006/114/EG anzunehmen, das mit dem Interesse an sachlicher Aufklärung einem legitimen Zweck dient und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht (Köhler, WRP 2010, 573 mwN). Ein anderer Maßstab wird zwar dann gelten, wenn ein Mitbewerber ‑ wenngleich in Wettbewerbsabsicht ‑ an einer Debatte teilnimmt, die auch öffentliche Interessen betrifft (4 Ob 98/07a ‑ VÖB; RIS-Justiz RS0122468). Das trifft hier aber nicht zu, da Zweck der beanstandeten Werbung ausschließlich die ironische ‑ und offenbar die Grenzen des Zulässigen auslotende ‑ Auseinandersetzung mit einem konkreten Mitbewerber war.

(d) Ein Widerspruch zur bereits zitierten Entscheidung des BGH (I ZR 134/07 ‑ Gib mal Zeitung) liegt nicht vor. Denn dort war ein Vergleich der Leserkreise zweier Zeitungen zu beurteilen. Der BGH nahm an, dass die Struktur der Leserschaft eine nachprüfbare, relevante, typische und wesentliche Eigenschaft einer Zeitung sei, wobei Aussagen darüber nicht bloß auf einer subjektiven Einschätzung, sondern auf objektiven Gegebenheiten beruhten. Damit war ‑ anders als hier ‑ die Bedingung des Art 4 lit c RL 2006/114/EG erfüllt (vgl zu diesem Aspekt der Entscheidung Köhler, „Gib mal Zeitung“ - oder „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“ von heute, WRP 2010, 571 [573 f]; Ohly, Glosse, GRUR 2010, 166 f; Römermann/Günther, Der Werbevergleich ‑ Humorvoll! Sarkastisch! Zulässig? BB 2020, 137 [140 f]). Es war daher nur zu prüfen, ob im konkreten Fall eine unzulässige Herabsetzung iSv Art 4 lit d RL 2006/114/EG vorlag. Das verneinte der BGH, weil die Beklagte mit ihrer „humorvollen Überspitzung“ nur das Ziel verfolgt habe, Aufmerksamkeit zu erregen, nicht aber die Zeitung des Mitbewerbers oder deren Leser herabsetzen wollte. Auf diese Frage kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil hier schon die Verletzung des Objektivitätsgebots iSv Art 4 lit d RL 2006/114/EG zur Unzulässigkeit der Werbung führt. Anders gewendet: Maßvolle Ironie kann zwar im Hinblick auf das Herabsetzungsverbot zulässig sein, sie bildet aber keinen Rechtfertigungsgrund für eine damit verbundene Verletzung des Objektivitätsgebots.

3. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs scheitern. Die dies tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Vergleichende Werbung ist nach Art 4 lit c RL 2006/114/EG nur zulässig, wenn sie sich auf wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der betroffenen Waren oder Dienstleistungen bezieht und nicht ausschließlich auf subjektiven Werturteilen beruht. Dieses Objektivitätsgebot schließt eine vergleichende Werbung mit nicht überprüfbaren Eigenschaften aus.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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