OGH 4Ob259/03x

OGH4Ob259/03x20.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei D***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 50.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 6. November 2003, GZ 2 R 183/03z-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 26. August 2003, GZ 30 Cg 179/03g-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.792,62 EUR (darin 298,77 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt und vertreibt Küchen unter der Marke „EWE", die Beklagte erzeugt und vertreibt Küchen unter der Marke „Dan". Die Beklagte versendet an den Fachhandel die Werbebroschüre „DAN AKTUELL".

Die erste Seite der Ausgabe vom März 2003 war mit „Dan Küchen auf Platz 1" überschrieben. Darunter waren unter der jeweiligen Überschrift „Markenwert", „Top-Marke" und „Qualitätseinschätzung" verschiedene Küchenmarken mit der ihnen zugewiesenen Kennzahl genannt, wobei die Marke „Dan" jeweils die erste Stelle einnahm. Die Marke der Klägerin erreichte jeweils den dritten Platz. Der Begleittext lautete wie folgt:

„DAN ist die Nummer 1 am österreichischen Küchenmarkt. Das Institut für Marktforschung m***** bestätigt DAN höchste Markenwerte. DAN ist der Dominator am Küchenmarkt und führt das Ranking bei den Themen Markenbindung, Bekanntheit, emotionale Bindung und Qualitätswahrnehmung an."

Die zitierten Kennzahlen hat die Beklagte einer Studie des genannten Marktforschungsinstituts entnommen, das seit Jahren im Rahmen einer Eigenstudie auf der methodischen Basis des Markenmonitoring Markenwertstudien durchführt. Insgesamt werden jährlich etwa 700 Marken analysiert. Dabei werden jeweils 500 - für die österreichische Bevölkerung ab 15 Jahren repräsentative - Personen in persönlichen Gesprächen interviewt. Dabei werden (ua) gestützte Bekanntheit, Markensympathie, Topmarke, Werbeerinnerung, Markenbindung, Innovationsgrad der Marke und Qualitätseinschätzung untersucht. Der emotionale Wert einer Marke wird durch zwei Kennzahlen, Markenloyalität und Markenwert, dargestellt. Bei der Markenloyalität werden Sympathie, Topmarke, Qualitätseinschätzung und Markenbindung untersucht; der Markenwert ergibt sich aus der Multiplikation der Markenloyalität mit der gestützten Bekanntheit. Diese Parameter sind wissenschaftlicher Standard bei der Ermittlung des verhaltenswissenschaftlichen Markenwerts. Daneben gibt es auch eine finanzorientierte Betrachtungsweise des Markenwerts, bei dem es (ua) um Umsatzwachstum, Cash-flow-Entwicklung, Erlöse aus Lizenzen geht.

Auch das Marktforschungsinstitut S***** führt Markenwertmessungen in verschiedenen Produktbereichen durch. Dabei wird auch der wertmäßige Marktanteil von Marken einbezogen. Mit einer Korrelationsanalyse kann der Zusammenhang zwischen den Marktanteilen der Marken und dem festgestellten Markenwert aufgezeigt werden.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Bewerben, Anbieten und Inverkehrbringen von Küchen jede vergleichende Darstellung von Vergleichskriterien wie die Einschätzung von Küchenmarken durch den Verkehr als Top-Marke und/oder attraktive Marke und/oder qualitative Marke und/oder die vergleichende Darstellung des Markenwerts von Küchenmarken unter namentlicher oder sonstiger erkennbarer Bezugnahme auf das Unternehmen der Klägerin, ebenso wie jede Spitzenstellungsankündigung im Zusammenhang mit einer derartigen vergleichenden Darstellung wie „Dan-Küchen auf Platz 1" zu unterlassen. Die Klägerin habe eine „Kritische Analyse" der von der Beklagten verwendeten Marktforschungsstudie in Auftrag gegeben. Danach entspreche die Studie nicht den wissenschaftlichen Marktforschungsgrundsätzen. Die von der Beklagten daraus entnommenen Angaben seien auch teilweise unrichtig, teilweise nicht nachvollziehbar und mangelhaft. Darauf komme es aber nicht an, weil der Werbevergleich unzulässig sei. Es würden nicht objektive Produkt-/Dienstleistungswerte, sondern vielmehr reine Einschätzungswerte gegenübergestellt. Damit fehle es an der Objektivität und Nachprüfbarkeit der in Vergleich gezogenen Eigenschaften im Sinne des Art 3a Abs 1 lit c MarkenRL.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Untersuchung des Markenwerts sei objektiv nachprüfbar, es werde damit eine für den Handel wesentliche Eigenschaft untersucht und durch die Gegenüberstellung verglichen. Die Markenwertstudie sei auch methodisch und inhaltlich richtig.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es würden nur Marken, nicht aber wesentliche, nachprüfbare oder typische Eigenschaften der von den Streitteilen verkauften Waren und Dienstleistungen verglichen. Die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder Verhältnisse der Klägerin würden durch den Vergleich auch nicht herabgesetzt oder verunglimpft. Damit fehle es insgesamt an einem sicherungsfähigen Unterlassungsanspruch. In seiner umfassenden Form sei das Sicherungsbegehren jedenfalls unzulässig.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Richtig sei, dass Gegenstand des Vergleichs keine Eigenschaften seien, welche unmittelbar die konkrete Beschaffenheit und Güte einer Ware oder Dienstleistung beträfen. Der Vergleich beziehe sich auf den mehr oder weniger guten Ruf, den konkurrierende Unternehmen oder die von ihnen unter ihrer jeweiligen Marke vertriebenen Waren oder Dienstleistungen genössen. Soweit man diesen Vergleich als unternehmensbezogen ansehe, erfülle er die von Art 3a Abs 1 lit b und c der IrreführungsRL normierten Bedingungen nicht, weil keine Produkteigenschaften gegenübergestellt würden. Er wäre daher insofern als unzulässig anzusehen. Die Wertigkeit einer Marke weise jedoch auch einen Bezug zum Waren- und Dienstleistungsangebot des Markeninhabers auf, indem sie diesem Angebot gleichsam als immateriell-psychologisches Attribut anhafte. Für den Küchenfachhandel sei der Markenwert damit eine wesentliche, relevante und typische Eigenschaft der unter einer bestimmten Marke vertriebenen Küchen. Ein Markenwertvergleich sei jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn er sich an Händler (Wiederverkäufer) richte. Es sei nicht erforderlich, dass sich die Richtigkeit des Vergleichs schon anhand der Werbeankündigung feststellen lasse. Die Klägerin habe sich darauf beschränkt, die grundsätzliche Unzulässigkeit des Vergleichs geltend zu machen.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob Markenwertvergleiche zulässig sind; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 2 Abs 2 UWG idF BGBl I 1999/185 (Fernabsatz-G) ist vergleichende Werbung, die weder gegen Abs 1 noch gegen die §§ 1, 7 und § 9 Abs 1 bis 3 UWG verstößt, zulässig. Diese Bestimmung setzt die RL 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 10. 1997 zur Änderung der RL 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl 1997 L 290/18, (idF: IrreführungsRL) in innerstaatliches Recht um. Art 3a IrreführungsRL normiert die Zulässigkeitsvoraussetzungen für vergleichende Werbung; eine dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen ist der objektive Vergleich einer oder mehrerer wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung (Art 3a Abs 1 lit b), wobei der Preis ausdrücklich als eine dieser Eigenschaften in Frage kommt (Art 3a Abs 1 lit c). Die Richtlinie harmonisiert die Bedingungen, unter denen vergleichende Werbung in den Mitgliedstaaten zulässig ist, abschließend; die Zulässigkeit eines Werbevergleichs ist daher allein anhand der vom Gemeinschaftsgesetzgeber aufgestellten Kriterien zu beurteilen (EuGH C-44/01 = Slg 2003 Seite I-03095 Randnr 44). Dabei sind die an die vergleichende Werbung gestellten Anforderungen in dem für sie günstigsten Sinn auszulegen (C-1212/99 = Slg 2001 Seite I-07945 Randnr 37).

Die Klägerin bestreitet, dass der beanstandete Vergleich die in Art 3a IrreführungsRL normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfülle. Sie macht geltend, dass bloße Einschätzungen und Werturteile von Verkehrsteilnehmern als Werbevergleich dem Sachlichkeits- und Objektivitätsgebot nicht gerecht würden. Sie seien von einer Fülle von Einflüssen und emotionalen Umständen jedes Einzelnen abhängig. Dasselbe müsse auch dann gelten, wenn solche Angaben mehrerer Personen durch Erhebungsmethoden zusammengefasst werden. Sie blieben auch dadurch bloße Einschätzungen und Werturteile.

Richtig ist, dass die dem beanstandeten Vergleich zugrunde liegende Markenwertstudie auf der Bekanntheit der jeweiligen Marke und der Einschätzung beruht, die die Befragten mit der Marke verbinden. Das schließt aber nicht aus, das Ergebnis der Studie als Aussage über eine nachprüfbare Eigenschaft der unter der Marke vertriebenen Waren oder Dienstleistungen aufzufassen. Der Wert der Marke, ihr „Image", erhöht - wie die tägliche Erfahrung bestätigt - den Wert der unter der Marke vertriebenen Waren oder Dienstleistungen. Markenprodukte werden oft No-name-Produkten auch bei gleicher Qualität und trotz höheren Preises vorgezogen. Das gilt insbesondere für Produkte, die unter einer bekannten Marke vertrieben werden. Ein höherer Bekanntheitsgrad einer Marke ist regelmäßig auch mit positiven Verkehrsvorstellungen verbunden (s Ingerl/Rohnke, Markengesetz² § 14 Rz 816), die sich in dem im Wege der Marktforschung erhobenen Markenwert ausdrücken.

Deutliche Unterschiede im Ansehen von Marken können nach Auffassung des EuGH die Irreführungseignung eines die angesehenere Marke nicht nennenden Vergleichs begründen. Maßgebend sei in diesem Zusammenhang, ob die Marke der Produkte die Entscheidung des Käufers spürbar beeinflussen kann (EuGH C-44/01 = Slg 2003 Seite I-03095 Randnr 53).

Die Bedeutung der Marke für die Entscheidung des Käufers wird im Markenwert ausgedrückt; je höher ein Käufer eine Marke einschätzt, desto eher wird sie seinen Entschluss beeinflussen, die Ware oder Dienstleistung zu kaufen. Der Markenwert lässt sich von der unter der Marke vertriebenen Ware oder Dienstleistung nicht trennen, auch wenn er sich nicht (allein) aus den Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, sondern (auch) aus dem Marktauftritt des Unternehmens herleitet. Er ist auch nicht allein für den Wiederverkäufer, sondern auch für den Verbraucher von Bedeutung, was sich schon darin zeigt, dass der durch die Marke bewirkte Imagetransfer in manchen Fällen einen über den Gebrauchswert hinausgehenden Zusatznutzen verschafft. Er ist auch ein wesentlicher Faktor für den Preis und daher wie dieser eine Eigenschaft der Waren iSd Art 13a Abs 1 lit c IrreführungsRL.

Der unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden erhobene und damit auch nachprüfbare Markenwert kann Meinungsumfragen über ein Produkt nicht gleichgehalten werden. Bezogen auf den Markenwert ist das Produkt nicht bloß Reflexions- oder Projektionsfläche von Vorstellungen und subjektiven Einstellungen der Umwelt, sondern die materielle Basis, an die die Marke als Kommunikationsmittel und Kürzel für die werbliche Botschaft des Benutzers anknüpft (zur Bedeutung der Marke als Wirtschaftsgut s Ingerl/Rohnke aaO vor §§ 27-31 Rz 1). Damit kann auch offen bleiben, ob mit Meinungsumfragen, die die Ein- oder Wertschätzung eines Produkts durch die Verbraucher widerspiegeln, vergleichend geworben werden darf (gegen die Zulässigkeit derartiger Werbevergleiche Eck/Ikas, Neue Grenzen vergleichender Werbung, WRP 1999, 251 [263]; OLG München 29 U 2044/99 = WRP 1999, 692 - Satte Mehrheit).

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte