OGH 8Ob69/14a

OGH8Ob69/14a30.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** P*****, vertreten durch Dr. Wolf Heistinger, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei Dr. M***** K*****, (bisher: Verlassenschaft nach Ing. F***** K*****), vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR) und 2. Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert: 8.575 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. April 2014, GZ 34 R 6/14f‑13, womit über Berufung der Beklagten das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 8. November 2013, GZ 6 C 537/13w‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00069.14A.1030.000

 

Spruch:

 

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf Dr. M***** K*****, berichtigt.

II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin an der Liegenschaft *****, Katastralgemeinde *****, zuzustimmen.

2. Das Klagebegehren, es werde der beklagten Partei gegenüber festgestellt, dass die am 30. 7. 2012 von Ing. F***** K*****, geboren am *****, verstorben am *****, zugunsten der klagenden Partei errichtete letztwillige Verfügung rechtsgültig sei, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.292,24 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 436,54 EUR USt und 673 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.259,40 EUR (darin 209,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.270,64 EUR (darin 151,44 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

I. Nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof fasste das Bezirksgericht Hietzing am 1. 8. 2014 in der Verlassenschaftssache nach dem verstorbenen Ing. F***** K*****, AZ *****, den Beschluss auf Einantwortung des Nachlasses an dessen Sohn Dr. M***** K*****. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft. Die Bezeichnung der beklagten Verlassenschaft war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu berichtigen (RIS‑Justiz RS0005501).

II. Der Beklagte ist der einzige Sohn des Ehepaares D***** und Ing. F***** K*****. D***** K***** verstarb am *****, die ihr gehörigen Liegenschaftsanteile gelangten im Erbweg an ihren Gatten und den Beklagten. Der Vater schloss mit dem Beklagten am 19. 1. 2008 einen Schenkungsvertrag zur Regelung des Liegenschaftsbesitzes der Familie. Mit diesem wurde der Beklagte zum Alleineigentümer zweier Liegenschaften in Wien.

Eine weitere Liegenschaft in ***** beabsichtigte der Vater zunächst ebenfalls an den Beklagten zu übertragen. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen jedoch ab, um dem Vater noch Liegenschaftsvermögen zu erhalten. Der Vater wurde mit Einantwortungsbeschluss vom 11. 10. 2007 im Verlassenschaftsverfahren seiner verstorbenen Gattin daher Alleineigentümer dieser Liegenschaft. Im Gegenzug schlug der Vater dem Beklagten vor, zur Sicherung des Familienbesitzes jedenfalls ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot zu Gunsten des Beklagten auf dieser Liegenschaft einzuverleiben, was auch geschah. Zum damaligen Zeitpunkt war dem Vater des Beklagten klar, dass der Beklagte, sein einziger Sohn, nach seinem Tod Alleinerbe seines Vermögens werden sollte.

Den Vater des Beklagten verband mit der Klägerin eine zuletzt intensiver werdende Beziehung. Er besuchte sie jeden Tag, sie verbrachte die Wochenenden bei ihm. Sie wurden ein Paar und traten als solches in der Öffentlichkeit auf. Sie begründeten zwar keine Lebensgemeinschaft, verbrachten jedoch ihre Freizeit miteinander. Die Klägerin kochte für ihn und pflegte ihn bei Krankheit.

Der Beklagte besuchte seinen Vater etwa zwei‑ bis dreimal pro Woche.

Am 8. 8. 2012 sollte sich der Vater einer geplanten Operation unterziehen. Zuvor, am 29. 7. 2012, war er mit der Klägerin bei einem Freund eingeladen. Dieser sprach ihn darauf an, ob er für die Klägerin, die sich nach dem Tod seiner Frau um ihn gekümmert habe, vorgesorgt habe. Der Vater verneinte und sagte, er werde dies „nach seiner Operation machen“. Daraufhin antwortete sein Freund, er möge dies nicht nach, sondern vor der Operation regeln. Die Klägerin mischte sich bei diesem Gespräch nicht ein. Nach dem Gespräch teilte der Vater des Beklagten der Klägerin mit, dass er ihr die Liegenschaft in B***** überschreiben wolle, er wolle dies aber noch mit seinem Sohn besprechen. Die Klägerin nahm dies zur Kenntnis.

Am 30. 7. 2012 verfasste der Vater des Beklagten eigenhändig die letztwillige Anordnung mit folgendem Inhalt:

„Meine letztwillige Verfügung.

Nach meinem Ableben erbt die Liegenschaft [B *****] Frau [die Klägerin]. Weitergabe nach Ableben [der Klägerin] nur an ihre Tochter […].

Ich bitte um Kenntnisnahme.“

Der Vater unterfertigte diese letztwillige Verfügung eigenhändig und datierte sie mit: „30. 7. 012“ . Darunter fügte er eigenhändig hinzu:

„Du: Notar Dr. R ***** B*****, [Adresse]“.

Auf dieses Schreiben heftete der Vater ein „Post‑it“, auf das er eigenhändig schrieb:

„[Rechts oben]: Ing. F ***** K*****

Lieber R *****,

Anbei meine letztwillige Verfügung, bitte verwahre diese noch vertraulich, da ich mit M ***** noch nicht gesprochen habe.

Viele liebe Grüße F ***** 30. 7. 2012“.

Die letztwillige Verfügung vom 30. 7. 2012 samt dem darauf angebrachten „Post-it“ sendete der Vater des Beklagten an den befreundeten Notar Dr. B***** (persönlich).

Am 1. 8. 2012 telefonierte der Vater des Beklagten mit dem Notar und kündigte ihm an, dass er das Haus in Brunn am Gebirge der Klägerin geben möchte. Er möchte das nicht machen, ohne vorher mit seinem Sohn gesprochen zu haben. Nähere Details ‑ insbesondere auch nicht das auf der Liegenschaft eingeräumte Belastungs‑ und Veräußerungsverbot oder die Registrierung einer letztwilligen Anordnung ‑ wurden bei diesem Gespräch nicht erwähnt.

Der Notar war über den Inhalt der letztwilligen Verfügung verwundert. Aufgrund des Wunsches des Vaters des Beklagten auf dem „Post‑it“ führte er mangels Auftrags keine Registrierung im Zentralen Testamentsregister durch, sondern bewahrte die Schriftstücke in seinem Akt. Im Hinblick auf das Veräußerungs‑ und Belastungsverbot an der Liegenschaft erwartete der Notar noch ein weiteres Aviso des Vaters, welches seiner Meinung nach die Rechtskraft dieses letzten Willen bestätigen sollte. In den vielen Jahren, die der Notar wie schon dessen Vater als Notar die Familie des Beklagten betreuten, war es noch nie vorgekommen, dass ein Mitglied der Familie ein an den Notar persönlich gerichtetes Schreiben verfasste. Der Notar sprach weder die Klägerin noch den Sohn auf diese Schriftstücke an.

Wie geplant wurde der Vater des Beklagten am 8. 8. 2012 operiert. Am darauf folgenden Freitag [Anm.: 10. 8. 2012] besuchte ihn der Beklagte. Der Vater war zu diesem Zeitpunkt noch ansprechbar, das Gespräch beider galt dem Gesundheitszustand des Vaters. Dieser verschlechterte sich am Wochenende und der Vater wurde in ein anderes Spital überstellt. Von diesem Zeitpunkt an war der Vater des Beklagten bis zu seinem Tod nicht mehr ansprechbar.

Nach dem Tod des Vaters erkundigte sich der Beklagte noch bei der Klägerin, ob er sie als Lebensgefährtin in die Parte aufnehmen solle, was diese jedoch verneinte. Erst nach dem Tod des Vaters wurde die übermittelte letztwillige Verfügung vom 30. 7. 2012 publik. Der Verstorbene hat mit dem Beklagten darüber bis zu seinem Tod nicht gesprochen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Vermächtnisklage die Feststellung, dass die vom Verstorbenen zu ihren Gunsten errichtete letztwillige Verfügung rechtsgültig sei. Sie begehrt weiters die Zustimmung des Beklagten zur Einverleibung des Eigentumsrechts an der Liegenschaft. Der verstorbene Vater habe der Klägerin die Liegenschaft mit der von ihm am 30. 7. 2012 eigenhändig unterschriebenen und daher rechtsgültigen letztwilligen Verfügung vermacht. Die gegenständliche Liegenschaft sei nicht der einzige Verlassenschaftsgegenstand. Da die letztwillige Verfügung ein einzelnes Verlassenschaftsstück betreffe, sei die Erfüllung des Vermächtnisses auch fällig. Der Beklagte bestreite den Testierwillen des Verstorbenen und erteile keine Zustimmung zur Ausstellung einer Amtsbestätigung, die jedoch notwendig sei, damit die Klägerin ihr Eigentum an der Liegenschaft im Grundbuch einverleiben könne.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, dagegen ein, dass dem verstorbenen Vater der Testierwille gefehlt habe. Seine letztwillige Verfügung sollte erst dann Geltung erhalten, wenn er darüber mit dem Beklagten gesprochen habe, was er auch dem Notar erklärt habe. Da ein solches Gespräch nicht stattgefunden habe, sei die letztwillige Verfügung des Vaters nicht wirksam geworden. Im Übrigen sei die Frage, ob von einer wirksamen Errichtung des letzten Willens des Verstorbenen auszugehen sei, als Vorfrage zu entscheiden und nicht selbständig feststellungsfähig. Darüber hinaus gebe es zwischen den Parteien keine sonstigen Rechtsverhältnisse, sodass dem Feststellungsbegehren keine über dieses Verfahren hinausgehende Bedeutung zukomme und der Klägerin das Feststellungsinteresse fehle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Ermittlung des Inhalts letztwilliger Verfügungen sei durch Auslegung zu erforschen. Dazu sei auch bei Vermächtnissen gemäß § 655 ABGB zunächst von der gewöhnlichen Bedeutung der Worte auszugehen. Nach dem eindeutigen Inhalt der letztwilligen Verfügung vom 30. 7. 2012 sollte die Klägerin die Liegenschaft nach dem Ableben des Verstorbenen erhalten. Für die Auslegung letztwilliger Verfügungen komme es aber auch auf sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen des Erblassers an. Die Erklärung der letztwilligen Verfügung sei in ihrem Gesamtzusammenhang zu betrachten. Gehe man vom Inhalt des Begleitzettels („Post‑it“) aus, so beziehe sich das Gespräch mit seinem Sohn auf die Art der Verwahrung der letztwilligen Verfügung. Eine Einschränkung bzw die Anordnung einer Bedingung für den Eintritt der Rechtswirksamkeit dieser letztwilligen Verfügung sei darin nicht zu sehen. Eine solche Bedingung ergebe sich auch nicht aus den mündlichen Äußerungen des Erblassers. Dieser habe lediglich die Veröffentlichung seines erblasserischen Willens von einem Gespräch mit seinem Sohn abhängig machen wollen. Im Hinblick auf die in der letztwilligen Verfügung enthaltene „Nacherbschaft“ sei auch das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung zu bejahen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der beklagten Partei im klageabweisenden Sinn ab. Der Vater habe die letztwillige Anordnung eigenhändig verfasst und unterfertigt. Sie sei auch nicht widerrufen worden. Letztwillige Verfügungen seien einseitige Rechtsgeschäfte, die einen Testierwillen erforderten, den der Erblasser deutlich zum Ausdruck bringen müsse. Aus der Anordnung vom 30. 7. 2012 ergebe sich eindeutig der Testierwille des Erblassers, der nach dem Wortlaut dieser Verfügung auch nicht vom Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht worden sei. Eine solche Bedingung formuliere allerdings der Begleitzettel („Post‑it“). Die Anordnung auf dem Begleitzettel entspreche der Formvorschrift des § 578 ABGB und sei als Kodizill anzusehen, weil sie keine Erbseinsetzung enthalte. Aus dem Inhalt dieser Anordnung sowie den weiteren Äußerungen des Verstorbenen ergebe sich, dass der Vater seiner letztwilligen Verfügung erst nach einem Gespräch mit seinem Sohn Wirksamkeit beimessen wollte. Die Erklärung des Verstorbenen auf dem Begleitzettel sei daher nicht bloß als Ersuchen an den Freund zu werten, die letztwillige Anordnung in bestimmter Weise zu verwahren. Sie bringe vielmehr den Willen des Verstorbenen zum Ausdruck, dass seine letztwillige Anordnung nur unter der Bedingung eines vorher mit dem Sohn geführten Gesprächs Wirksamkeit entfalten sollte. Der Nichteintritt dieser Bedingung führe zur Unwirksamkeit der letztwilligen Anordnung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Auslegung letztwilliger Verfügungen im Einzelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung begründe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die auf die Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Der Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurück‑, hilfsweise die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts korrekturbedürftig ist. Sie ist teilweise auch berechtigt.

1.  Betrachtet man die eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung des Erblassers vom 30. 7. 2012 für sich allein, so kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich dabei um eine den Formvorschriften des § 578 ABGB entsprechende gültige letztwillige Willenserklärung handelt, die ein Vermächtnis (§ 647 ff ABGB) zum Gegenstand hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser seine Anordnung vom Eintritt einer Bedingung abhängig machen wollte, finden sich im Wortlaut der letztwilligen Verfügung nicht.

2.  Eine solche Bedingung erblickt das Berufungsgericht allerdings in der Erklärung des Erblassers auf dem „Post‑it“, das er auf seiner letztwilligen Verfügung angebracht hat. Wie das Erstgericht deutet auch das Berufungsgericht diese Erklärung des Erblassers als Verwahrungsanordnung an den Notar; es erblickt darin überdies aber auch die Anordnung einer Bedingung, vor deren Erfüllung die letztwillige Verfügung nicht wirksam sein sollte.

Dieser Auffassung vermag der Oberste Gerichtshof allerdings nicht beizutreten.

3.  Der Wortlaut einer letztwilligen Verfügung stellt nicht die einzige Quelle ihrer Auslegung (§ 655 ABGB) dar. Nach ständiger Rechtsprechung sind vielmehr auch außerhalb der Anordnung liegende Umstände aller Art, sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des Erblassers zur Auslegung heranzuziehen. Die Auslegung soll möglichst so erfolgen, dass der vom Erblasser beabsichtigte Erfolg eintritt bzw wenigstens teilweise aufrecht bleibt. Allerdings muss die Auslegung in der letztwilligen Verfügung irgendeinen, wenn auch noch so geringen Anhaltspunkt finden und darf nicht völlig dem unzweideutig ausgedrückten Willen des Erblassers zuwiderlaufen („Andeutungstheorie“). Außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die einen Rückschluss auf den wahren Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde erlauben, dürfen daher nicht zur Feststellung eines nicht erklärten Inhalts, wohl aber zur Auslegung des Inhalts der Verfügung herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0012340; RS0012372; RS0012367; 8 Ob 112/08s ua).

4.  Vor diesem Hintergrund führt aber die Auslegung der letztwilligen Verfügung(en) des Erblassers nicht zum vom Kläger gewünschten Ergebnis, und zwar unabhängig davon, ob man nun die auf dem „Post‑it“ angebrachte Erklärung des Erblassers ‑ wie das Berufungsgericht ‑ als selbständige letztwillige Verfügung deutet oder ob man die letztwillige Verfügung vom 30. 7. 2012 und das darauf angebrachte „Post‑it“ als Einheit betrachtet.

5.  Dass der Wortlaut der letztwilligen Verfügung vom 30. 7. 2012 keine wie immer geartete Bedingung für ihre Wirksamkeit enthält, ist nicht strittig. Aber auch im Wortlaut der auf dem „Post‑it“ angebrachten Erklärung findet sich kein echter Hinweis auf eine solche Anordnung. Das erkennt auch das Berufungsgericht, das die Erklärung auf dem „Post‑it“ als Verwahrungsanordnung bezeichnet und seinen Standpunkt demgemäß ausschließlich mit „außerhalb der Anordnung liegenden Umständen“ begründet (vgl dazu die oben zitierte Rechtsprechung zur „Andeutungstheorie“). Dazu verweist es auf die Äußerungen des Erblassers knapp vor und knapp nach der Errichtung der letztwilligen Verfügung, aus denen hervorgehe dass er seiner Verfügung erst nach einem Gespräch mit seinem Sohn Wirksamkeit beimessen wollte. Dieser Schluss des Berufungsgerichts lässt sich aber aus den (mündlichen) Erklärungen des Erblassers, er wolle das Haus der Klägerin überschreiben, wolle aber noch mit seinem Sohn sprechen, nicht wirklich ableiten.

6.  In Wahrheit spricht der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt gegen diese Deutung: Nach diesen Feststellungen wurde der Erblasser von einem Freund auf die noch ausstehende Versorgung der Klägerin angesprochen. Er erklärte darauf zunächst, er werde dies nach seiner Operation machen, worauf ihn allerdings der Freund aufforderte, er solle das noch vorher regeln. Das weitere Verhalten des Erblassers lässt sich sinnvoll nur dann deuten, wenn man davon ausgeht, dass er aufgrund dieser Intervention des Freundes seine ursprüngliche Meinung geändert hat. Deshalb verfasste er die letztwillige Verfügung vom 30. 7. 2012 und sandte sie auch noch kurz vor der Operation an den Notar ab. Er wollte also offenbar noch vor seiner Operation die Versorgung der Klägerin sicherstellen, wollte dies aber dem Kläger ‑ offenkundig um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen ‑ in einem persönlichen Gespräch mitteilen. Hätte er beabsichtigt, dass die Verfügung ohnedies erst nach einem Gespräch mit dem Sohn ‑ und damit nach der Operation ‑ wirksam wird, hätte überhaupt kein Grund für die vorherige Übersendung der letztwilligen Verfügung an den Notar bestanden. Dass in der Verwahrungsanordnung von „meiner letztwilligen Verfügung“, aber mit keinem Wort davon die Rede ist, dass die Wirksamkeit dieser Verfügung vom Gespräch mit dem Sohn abhängig sein soll, rundet dieses Bild noch zusätzlich ab.

7.  Mit dem in zweiter Instanz erhobenen Einwand des Beklagten, das beim Notar aufgefundene Exemplar der letztwilligen Verfügung sei eine ‑ wenn auch eigenhändig ge- und unterschriebene ‑ Abschrift, die mangels Auffindung eines Originals unwirksam sei, hat sich schon das Berufungsgericht zutreffend auseinandergesetzt, dessen dazu angestellte Überlegungen in der Revisionsbeantwortung nicht mehr in Frage gestellt werden.

Mit dem Erstgericht geht der Oberste Gerichtshof daher von der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung vom 30. 7. 2012 aus.

Der Rechtsstandpunkt der Klägerin ist daher berechtigt.

8.  Der Beklagte hat das rechtliche Interesse an der von der Klägerin begehrten Feststellung der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung bestritten.

8.1  Nach Eintritt der ‑ hier nicht mehr strittigen ‑ Fälligkeit des Legats kann der Vermächtnisnehmer sein Forderungsrecht ohne Rücksicht auf den Stand des Verlassenschaftsverfahrens mit Leistungsklage geltend machen ( Welser in Rummel ³ § 647 Rz 14; 5 Ob 510/95).

Feststellungsklagen sind nur subsidiär zulässig. In der Regel ist eine Feststellungsklage daher unzulässig, wenn

ein mögliches Leistungsbegehren alles das bietet, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird (RIS‑Justiz RS0038817).

Die noch zur Zeit des AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung hat allerdings trotz der Möglichkeit, ein Leistungsbegehren zu erheben, die Erhebung einer Feststellungsklage im Legatstreit ausnahmsweise als zulässig erachtet, sofern der Legatar mit einem positiven Feststellungsurteil beim Verlassenschaftsgericht noch vor Beendigung des Verfahrens eine Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG erwirken und das Legat in der Folge verbüchern lassen konnte. War aber eine solche Antragstellung beim Verlassenschaftsgericht nicht mehr möglich, so musste der Legatar grundsätzlich die Leistungsklage erheben (RIS‑Justiz RS0008377;

RS0008407; 7 Ob 731/83; SZ 48/86; SZ 22/5; Eccher in Schwimann ABGB4 Rz 7 zu § 684).

Schon nach der bisherigen Rechtslage ergibt sich damit aber noch nicht die Zulässigkeit der hier von der Klägerin gewählten Vorgangsweise, das Feststellungsbegehren neben einem ohnedies erhobenen Leistungsbegehren zu erheben.

8.2 Nach der nunmehrigen, durch das AußStrG 2005 geprägten Rechtslage entspricht der Bestätigungsbeschluss nach § 182 Abs 3 AußStrG (unter anderem) der für den Vermächtnisnehmer vorgesehen gewesenen Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG 1854 und soll demjenigen, der nicht wie der Erbe das Eigentumsrecht an der vermachten Sache mit dem Eintritt der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses erwirbt, den Erwerb seines Eigentums durch Eintragung im Grundbuch ermöglichen (vgl 3 Ob 290/04z; 3 Ob 42/07h). Anders als die nach § 178 AußStrG 1854 vorgesehene Amtsbestätigung, vor der nur die Anhörung des Erben erforderlich war (siehe RIS‑Justiz RS0006607), verlangt der Bestätigungsbeschluss nach dem hier anzuwendenden § 182 Abs 3 AußStrG 2005 jedoch die Zustimmung aller Erben. Fehlt diese Zustimmung ‑ wie auch im vorliegenden Fall ‑ so muss der Berechtigte die Erben auf Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts klagen (1 Ob 108/10d; zur Zulässigkeit einer Klage auf Ausstellung einer Amtsbestätigung vgl RIS‑Justiz RS0008377 [T1]; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG, § 182 Rz 32 FN 73 mwH). Damit genügt aber das nach der früheren Rechtslage (aus prozessökonomischen Gründen) als ausreichend erachtete Klagebegehren auf Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung nach der neuen Rechtslage nicht mehr, weil das Verlassenschaftsgericht in einem Fall wie dem Vorliegenden auch bei Vorliegen eines klagestattgebenden Feststellungsurteils ohne die gemäß § 182 Abs 3 AußStrG erforderliche Zustimmung der Erben die für die Einverleibung im Grundbuch erforderliche Amtsbestätigung nicht erteilen dürfte. Die Argumente für die Zulassung des Feststellungsbegehrens trotz der Möglichkeit der Erhebung eines Leistungsbegehrens sind daher weggefallen.

8.3 Auch andere Gründe, die ein Feststellungsinteresse der Klägerin begründen könnten, sind nicht erkennbar. Die vom Erstgericht herangezogene Begründung, dass von der Wirksamkeit des Vermächtnisses auch die Wirksamkeit des darin angeordneten Nachvermächtnisses betroffen sei, vermag ein solches Feststellungsinteresse der Klägerin nicht zu begründen, weil diese Frage nur die am Verfahren nicht beteiligte Nachvermächtnisnehmerin, nicht aber das Verhältnis der Klägerin und des Beklagten zueinander betrifft (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 Rz 61 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4 § 228 Rz 6 aE), aus dessen Sphäre die Liegenschaft mit der Eintragung des Eigentumsrechts der Klägerin endgültig ausscheidet.

9. Der Revision war daher teilweise Folge zu geben. Während das Ersturteil in der Stattgebung des Leistungsbegehren wiederherzustellen war, war die Abweisung des Feststellungsbegehren durch das Berufungsgericht zu bestätigen.

10.  Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 Fall 1 und 50 ZPO. Dem Feststellungsbegehren der Klägerin, mit dem sie unterlegen ist, kommt gegenüber dem wirtschaftlich allein relevanten Einverleibungsbegehren eine derart untergeordnete Bedeutung zu (vgl RIS‑Justiz RS0035831), sodass der Klägerin ‑ zumal das Feststellungsbegehren besondere Kosten nicht veranlasst hat ‑ trotz ihres teilweisen Unterliegens voller Kostenersatz zusteht. Für die Revision war gemäß § 23a RATG lediglich 1,80 EUR an ERV‑Gebühr zuzuerkennen (RIS‑Justiz RS0126594).

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