Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.400,04 EUR (darin 233,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Ehe der Klägerin und ihres früheren Ehemannes wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom 4. 12. 2007 gemäß § 55a EheG im Einvernehmen geschieden. Die Klägerin begehrte vom beklagten Notar Schadenersatz mit der Behauptung, er habe sie anlässlich der Verfassung des Scheidungsfolgenvergleichs unrichtig beraten und seine Aufklärungspflicht verletzt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht wies es ab. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Belehrungspflichten eines Notars bei Errichtung einer Scheidungsfolgenvereinbarung für beide Eheleute nicht existiere. Insbesondere sei zu klären, ob der Notar die Eheleute über das hypothetische Ergebnis eines gerichtlichen Aufteilungsverfahrens iSd §§ 81 ff EheG aufzuklären habe und ob im Haftungsprozess ein solches Verfahren fiktiv nachvollzogen werden müsse.
Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:
Rechtliche Beurteilung
1. Vorauszuschicken ist, dass schon die Entscheidung 1 Ob 213/09v die Haftung (ua) eines Notars für die Verletzung seiner Aufklärungspflicht bei der Verfassung eines Scheidungsfolgenvergleichs zum Gegenstand hatte. Dort wurde ‑ bei in dritter Instanz unstrittiger Haftung ‑ die Verfahrensergänzung zur Klärung des hypothetischen Kausalverlaufs für notwendig erachtet. Dieser Ergänzungsauftrag betraf die Frage der Kausalität des pflichtwidrigen Verhaltens des Notars für den geltend gemachten Schaden. Wie die nachstehenden Ausführungen zeigen werden, muss hier aber auf das Kausalitätsproblem und die damit verbundenen Beweislastfragen nicht weiter eingegangen werden, weil das Berufungsgericht schon die behauptete Pflichtwidrigkeit des Beklagten mit zumindest vertretbarer Begründung verneint hat.
2. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zur Haftung eines berufsmäßigen Vertragserrichters (hier: Notars) zutreffend wiedergegeben. Danach ist der Vertragserrichter allen Vertragspartnern gegenüber zur sorgfältigen Wahrung ihrer Interessen verpflichtet. Die Vertragsparteien können daher darauf vertrauen, dass sie der Vertragsverfasser vor Nachteilen schützt und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit sorgt (7 Ob 104/10k mwN; RIS‑Justiz RS0023549 [T6, T7, T17, T27], RS0026380, RS0026428). Ein Notar als Vertragsverfasser hat den Parteien eine vollständige Rechtsbelehrung zu erteilen und besonders auf Bedenken gegen ein beabsichtigtes Geschäft aufmerksam zu machen, bevor er den Vertrag verbindlich festlegt (9 Ob 30/07p mwN; RIS‑Justiz RS0026419). Jedoch darf die den Vertragserrichter treffende Belehrungs- und Aufklärungspflicht nicht überspannt werden (7 Ob 104/10k; 9 Ob 16/12m; RIS‑Justiz RS0026419, RS0026584). Wie weit die Belehrungs- und Aufklärungspflicht jeweils reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (5 Ob 31/08g; 7 Ob 104/10k; 9 Ob 16/12m; RIS‑Justiz RS0026419 [T10]).
3. Wollen die Parteien einen von ihnen bereits abgeschlossenen Vertrag nur mehr in die entsprechende juristische Form bringen, so trifft den Vertragserrichter nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in der Regel lediglich die Pflicht, das Vereinbarte entsprechend zu formulieren und sinnvolle Ergänzungen vorzunehmen. Es ist dann nicht seine Aufgabe, auf eine Abänderung des abgeschlossenen Vertrags hinzuwirken (7 Ob 534/87; 6 Ob 593/87; 7 Ob 583/88; 7 Ob 84/09t; 1 Ob 53/10s; RIS‑Justiz RS0026707).
Nach den Feststellungen des Erstgerichts kamen die Klägerin und ihr damaliger Ehemann mit einer „Mustervereinbarung“ zum Beklagten, in welcher die bestehenden Vermögenswerte „bereits genauestens zugewiesen waren“. Zu diesen ‑ nun strittigen ‑ Punkten lag „beiderseitiges Einverständnis“ der Eheleute vor. Eine im Text der Vereinbarung festgelegte Ausgleichszahlung hatte die Klägerin schon vorher geleistet. Einen anders lautenden Vergleich hätte der Beklagte nicht abgeschlossen.
Dieser Sachverhalt lässt sich im Sinne obiger Rechtsprechung, auf die sich das Berufungsgericht stützte, durchaus dahin deuten, dass die Eheleute schon im Vorfeld des Termins in der Kanzlei des Beklagten eine vertragliche Willenseinigung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erzielt hatten. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei unter diesen Umständen nicht verpflichtet gewesen, in den „bereits geformten und dokumentierten Willen“ der Vertragsparteien einzugreifen, hält sich im Rahmen der erörterten Judikatur und wirft keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Dies gilt auch für die zweitinstanzliche Rechtsansicht, von einer Übervorteilung der Klägerin, die eine besondere Hinweispflicht des Beklagten ausgelöst hätte, könne angesichts der von den Vertragsparteien getroffenen Regelungen trotz des rechnerischen Ungleichgewichts keine Rede sein. Zu Recht verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf den gestalterischen Spielraum der scheidungswilligen Eheleute, zumal selbst die Entscheidung in einem ‑ von der Klägerin nicht angestrebten (sie wollte eine Scheidung „mit möglichst viel Frieden“) ‑ gerichtlichen Aufteilungsverfahren im Anschluss an eine streitige Scheidung von Billigkeitserwägungen getragen ist.
4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die zitierte Rechtsprechung nach wie vor „zeitgemäß“. Dass der Beklagte seine Haftung rechtsgeschäftlich eingeschränkt oder ausgeschlossen hätte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat auch nie in Frage gestellt, dass ein Notar als Vertragserrichter (wie ein Rechtsanwalt) grundsätzlich als „Dienstleister“ im Rahmen eines privatrechtlich zu beurteilenden Vertragsverhältnisses tätig wird. Den in erster Instanz behaupteten falschen Rat (Aufteilungsrelevanz der auf den Todesfall übergebenen Liegenschaft) vermochte die Klägerin nicht nachzuweisen. Auch ihre Revisionsbehauptung, der Beklagte habe die Scheidungsfolgenvereinbarung „inhaltlich formuliert“, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Danach wurde vielmehr mit den Vertragsparteien besprochen, welche Punkte ein Scheidungsfolgenvergleich beinhalten muss; auch die einzelnen Punkte der bereits vorgefertigten Vereinbarung wurden „oberflächlich“ besprochen und das beiderseitige Einverständnis wurde abgeklärt. Diese Vorgangsweise des Beklagten begründet aber unter den hier maßgeblichen Umständen (vgl Punkt 3.) keine Pflichtwidrigkeit.
5. Wurde aber mit vertretbarer Begründung eine Pflichtwidrigkeit verneint, sind Fragen zu deren ‑ vom Berufungsgericht geprüften und ebenfalls verneinten ‑ Kausalität nicht mehr präjudiziell (vgl 7 Ob 84/09t). Die diesbezüglichen Revisionsausführungen bedürfen daher keiner Erwiderung.
6. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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