OGH 5Ob31/08g

OGH5Ob31/08g14.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günther F*****, vertreten durch tusch.flatz.dejaco.rechtsanwälte gmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Gertruda B*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen (restlich) 23.009,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Oktober 2007, GZ 5 R 38/07p‑63, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00031.08G.0714.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

1.1.1. Die Beklagte bemängelt, das Berufungsgericht habe sich nicht mit einem in ihrer Berufung behaupteten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens auseinandergesetzt; dieser erstinstanzliche Verfahrensmangel habe darin bestanden, dass das Erstgericht ihren Antrag auf Unterbrechung dieses Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in 1 Msch 1/06s des Bezirksgerichts Montafon (Verfahren auf Nutzwertneufestsetzung) nicht (gemeint: im Sinn seiner Stattgebung) erledigt habe. Die dort zu erwartende Nutzwertneufestsetzung sei für das vorliegende Verfahren präjudiziell.

1.1.2. Das Berufungsgericht hat sich - entgegen der Behauptung der Beklagten - mit der vom Erstgericht nicht verfügten - von der Beklagten überdies nicht beantragten, sondern nur „angeregten" (S 6 in ON 37 = AS 170) ‑ Verfahrensunterbrechung befasst, insoweit einen Verfahrensmangel verneint (Berufungsurteil S 61) und ist dann rechtlich ohnehin von der Notwendigkeit einer Neuparifizierung ausgegangen. Im Übrigen ist die Ablehnung der Verfahrensunterbrechung, sofern diese - wie im gegebenen Zusammenhang - nicht zwingend vorgeschrieben ist, nicht anfechtbar (§ 192 Abs 2 ZPO).

1.2. Die Beklagte beanstandet, das Berufungsgericht habe einen Teil der in der Berufung enthaltenen Mängelrüge betreffend die Tätigkeiten des Beklagtenvertreters zur Lastenfreistellung des Miteigentumsanteils der Beklagten nicht behandelt. Entgegen der Behauptung der Beklagten ist das Berufungsgericht auch auf diesen Teil der in der Berufung der Beklagten enthaltenen Verfahrensrüge eingegangen (Berufungsurteil S 61 ff); es hat die von der Beklagten in diesem Zusammenhang gewünschten Feststellungen allerdings rechtlich nicht für erforderlich erachtet.

Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen demnach nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Aktenwidrigkeit:

2.1. Soweit aus den - (nur) im Zusammenhang mit der „Honorar"fälligkeit erfolgten - Ausführungen des Berufungsgerichts (Berufungsurteil S 75 f) tatsächlich die von der Beklagten reklamierte Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit der Fertigstellung und folglich dem für den Kläger damit erkennbaren Vorhandenseins des neuen Garagenzubaus abgeleitet werden könnte, ist deren Wesentlichkeit nicht gegeben. Das Erstgericht hat nämlich weiters festgestellt (Ersturteil S 43), dass der Kläger bereits in den Jahren 1999 bis 2001 wiederholt auf die wegen des Neubaus erforderliche Neuparifizierung hingewiesen hat, was hier - wie zur Rechtsrüge deutlich wird - schlagende Bedeutung hat.

2.2. Die von der Beklagten weiters beanstandete Übernahme der Feststellung des Erstgerichts, wonach der Beklagtenvertreter über kein Parifizierungsgutachten verfüge, welche Annahme sich nach einer vom Erstgericht vermeintlich zu Unrecht unterlassenen Einsicht in den Akt 1 Msch 1/06s des Bezirksgerichts Montafon als unrichtig erwiesen hätte, stellt schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit dar (vgl RIS‑Justiz RS0043240).

3. Rechtsrüge:

3.1. Entgegen den Revisionsausführungen der Beklagten ist die im Abhandlungsverfahren erfolgte Bestimmung der Ent- und Belohnung des Nachlasskurators ‑ nach bereits vorliegender Judikatur des Obersten Gerichtshofs - materieller Rechtskraft zugänglich und ist folglich im Prozess über die Zahlungspflicht des Erben bindend (6 Ob 6/98w = SZ 71/151; 1 Ob 285/00v = SZ 74/133). Dass der am 23. 9. 2002 abgeschlossene Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag auf einer im Hinblick auf den neuen Garagenzubau überholten Parifizierung beruhe, hätte im Übrigen gegen den erst am 20. 12. 2002 ergangenen Beschluss über die Entlohnung des Nachlasskurators geltend gemacht werden können. Gegen die hier vom Kläger (= Verlassenschaftskurator) beanspruchte ‑ im Verlassenschaftsverfahren rechtskräftig bestimmte - Belohnung kann demnach die Beklagte nur Gegenforderungen aus dem Titel des Schadenersatzes erheben. Der auf die Vornahme weiterer Arbeiten („Richtigstellung" des Grundbuchsstands) gestützte Einwand mangelnder Fälligkeit, kann schon deshalb nicht berechtigt sein, weil die Funktion des Klägers als Verlassenschaftskurator längst beendet ist. Ein zu besagtem Zweck begründetes Mandatsverhältnis zwischen den Streitteilen steht weder fest noch ist ein solches Grundlage des geltend gemachten Klagebegehrens.

3.2.1. Die Beklagte stützt die Schadenersatzpflicht des Klägers für die Verbücherung des Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrags darauf, dass dieser wegen des neuen Garagenzubaus auf einer überholten Parifizierung aufgebaut habe. In diesem Zusammenhang habe das Berufungsgericht auch deshalb unrichtig Ansprüche der Beklagten verneint, weil es den Begriff der „Sowieso‑Kosten" (Aufwand für neue Parifizierung) verkannt habe.

3.2.2. Zur Haftung eines berufsmäßigen Vertragserrichters (Rechtsanwalt oder Notar) existiert eine umfangreiche Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0023549, RS0026349, RS0026380, RS0026390, RS0026419); die Sorgfaltsanforderungen an die Schriftenverfasser dürfen dabei nicht überspannt werden (4 Ob 184/01i, RIS‑Justiz RS0026349; RS0026584). Das Ausmaß der Belehrung richtet sich dabei ua nach den offenbaren Kenntnissen der Parteien sowie einer allfälligen rechtskundigen Vertretung (9 Ob 82/04f) und hängt demnach von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, weshalb insoweit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (2 Ob 178/00s; 9 Ob 82/04f).

Die Beklagte berücksichtigt bei ihrer Argumentation inhaltlich nicht, dass der Kläger über mehrere Jahre lang wiederholt auf die Notwendigkeit einer Neuparifizierung wegen des auch der Beklagten bekannten Garagenneubaus hingewiesen hat (Ersturteil S 44 f), diese an der mangelnden Initiative und der fehlenden Finanzierungsbereitschaft der Vertragsparteien scheiterte und dass der Kläger letztlich über Drängen der - anwaltlich vertretenen - Beklagten den Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag verbüchert hat. Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen schon dem Grunde nach eine Schadenersatzpflicht des Klägers verneinten, begründet dies keine unvertretbare Fehlbeurteilung die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste.

3.3. Die Beklagte meint, auf das vom Verlassenschaftsgericht bestimmte Honorar des Klägers seien die Zahlungen der anderen Miteigentümer für die Verfassung der Verträge abzuziehen. Insofern kommt es auf die Frage an, welche Leistungen konkret der Gegenstand der vom Verlassenschaftsgericht vorgenommenen Honorierung waren. Insofern gelingt der Beklagten schon deshalb kein Nachweis einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung, weil die äußerst knapp begründeten Beschlüsse des Verlassenschaftsgerichts über die Bestellung und die Honorierung des Klägers zum bzw als Verlassenschaftskurator jeden Spielraum über den Umfang der honorierten Leistungen offen lassen.

3.4. Soweit die Beklagte die Honorierung der Leistungen des Klägers deshalb für nichtig und sittenwidrig erachtet, weil dieser die abhandlungsgerichtliche Genehmigung der verfassten Verträge - durch Verschweigen der durch den neuen Garagenzubau geänderten Verhältnisse ‑ „erschlichen" habe, steht diesem Einwand zunächst wieder die bindende Wirkung der Entscheidung des Abhandlungsgerichts über die Entlohnung des Klägers entgegen. Im Übrigen ist nicht zu erkennen, warum die Einholung der verlassenschaftsbehördlichen Genehmigung durch den Kläger als erschlichen oder als sittenwidrig qualifiziert werden soll, wenn es übereinstimmender Parteiwille war, der Begründung von Wohnungseigentum das schon vorliegende alte Parifizierungsgutachten zugrundezulegen.

3.5.1. Die Beklagte macht geltend, der Kläger hätte die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums anmerken lassen müssen. Die von ihrem Vertreter gesetzten Maßnahmen zur Lastenfreistellung seien notwendiger „Rettungsaufwand" gewesen.

3.5.2. Dass der Kläger konkret beauftragt gewesen wäre, die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums anmerken zu lassen, steht nicht fest. Ob dann eine solche grundbücherliche Absicherung in der gegebenen Situation erforderlich war, ist eine Einzelfallbeurteilung (vgl auch 5 Ob 12/05h), wobei sich schon deren generelle Notwendigkeit im vorliegenden Fall einer Vertragsabwicklung zwischen nächsten Familienangehörigen bei fehlenden objektiven Gefahrenhinweisen vertretbar bezweifeln lässt. Auch der Standpunkt des Berufungsgerichts, das Einschreiten des Beklagtenvertreters sei insbesondere im Hinblick auf sein Schreiben von 25. 6. 2004, in dem er die Erwirkung der Lastenfreistellung sinngemäß noch als Aufgabe des Klägers qualifiziert, verfrüht gewesen, muss nicht als unvertretbar erkannt werden.

3.6.1. Nach Ansicht der Beklagten hätten die Vorinstanzen die drohenden Steuerschulden durch „Herauslösen" der Wohnungen und durch Schaffung des Garagenneubaus und die insoweit fehlende Vorsorge durch den Kläger nicht erkannt.

3.6.2. Betreffend die steuerliche Relevanz der Begründung von Wohnungseigentum auf der Liegenschaft der GmbH hat sich der Kläger beim Steuerberater kundig gemacht, welcher diesen Vorgang - nach Bestätigung durch den zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts - als steuerlich erfolgsneutral bezeichnete. Wenn die Vorinstanzen diese Erkundigung durch den Kläger als ausreichend erkannten, liegt darin keine im vorliegenden Einzelfall unvertretbare Rechtsansicht.

3.6.3. Dafür, dass sich die GmbH zur Errichtung eines Garagenneubaus auf ihrer Liegenschaft entschlossen hat, ist der Kläger nicht verantwortlich und er hat auch nicht „einen Teil des Liegenschaftsvermögens, auf welchem später der Garagenneuzubau errichtet wurde, aus dem GmbH‑Vermögen (herausgelöst)".

3.7. Dass sich der Kläger - nicht zuletzt unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten - bei der Bewertung des GmbH‑Anteils auf den gerade mit den im Einzelfall gegebenen Verhältnissen besonders vertrauten Steuerberater des Unternehmens gestützt hat, stellt jedenfalls keine unvertretbare Vorgangsweise dar. Die von der Beklagten zum gegenteiligen Standpunkt ins Treffen geführte Entscheidung 2 Ob 220/06a betraf einen anders gelagerten Sachverhalt, war doch dort die Bewertungsmethode nach der Vorgabe der Satzung zu beurteilen; im Übrigen weist die genannte Entscheidung einleitend sogar ausdrücklich darauf hin, dass es eine rechtlich vorgeschriebene Methode der Bewertung von Handelsunternehmen nicht gibt.

Die Beklagte macht mit allen zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Argumenten keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend; ihr Rechtsmittel ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

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