OGH 8Nc42/14i

OGH8Nc42/14i24.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzantragssache des D***** N*****, vertreten durch Dr. Günter Geusau, Rechtsanwalt in Wels, AZ ***** des Landesgerichts Innsbruck, über den Delegierungsantrag des D***** N***** den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080NC00042.14I.0724.000

 

Spruch:

Der Antrag, die Insolvenzantragssache an das Bezirksgericht Wels zu delegieren, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Am 8. 1. 2014 stellte das Finanzamt ***** beim Landesgericht Innsbruck den Antrag, gegen den „Antragsgegner“ gemäß § 70 IO das Insolvenzverfahren zu eröffnen; der Antragsgegner sei Unternehmer. In der Folge beraumte das zuständige Insolvenzgericht die Vernehmungstagsatzung an. Die Ladung zu dieser Tagsatzung konnte dem Antragsgegner nicht zugestellt werden. Nachdem das Finanzamt einen neuerlichen Zustellversuch am Nebenwohnsitz des Antragsgegners in Wels begehrt hatte, teilte der Rechtsvertreter des Antragsgegners mit, dass sein Mandant innerhalb der nächsten 14 Tage einen Eigenantrag auf Einleitung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung beim Landesgericht Wels stellen werde; der Antragsgegner sei nach Wels gezogen. Eine vom zuständigen Insolvenzgericht eingeholte Meldeauskunft ergab, dass der Antragsgegner am 10. 3. 2014 seinen Hauptwohnsitz nach Wels verlegt hatte; in der Zeit vom 29. 4. 2013 bis 10. 3. 2014 befand sich der Hauptwohnsitz in Innsbruck. Aus einer Bestätigung der Stadt Wels vom 12. 5. 2014 ergibt sich, dass die Gewerbeberechtigung mit 12. 5. 2014 geendet hat.

Mit Schriftsatz vom 15. 5. 2014 beantragte der Antragsgegner die „Überweisung der Rechtssache an das sachlich zuständige Bezirksgericht Wels“. Er habe seinen Wohnsitz von Innsbruck nach Wels verlegt. Ferner habe er seine Gewerbeberechtigung zurückgelegt, weshalb er nicht mehr selbständig erwerbstätig sei; dementsprechend habe er sich arbeitslos gemeldet. Er beabsichtige, in den nächsten Tagen einen Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens beim Bezirksgericht Wels einzubringen. Das Landesgericht Wels wäre im Fall der Delegation somit nicht mehr sachlich zuständig.

Das Landesgericht Innsbruck legt dem Obersten Gerichtshof den Delegierungsantrag zur Entscheidung vor. Weder das Finanzamt noch das Vorlagegericht haben eine Stellungnahme zum Delegierungsantrag abgegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht begründet.

1. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann gemäß § 31 Abs 1 JN iVm § 252 IO auch eine Insolvenzsache bzw (hier) Insolvenzantragssache an ein anderes als das zuständige Gericht überwiesen werden (RIS‑Justiz RS0046329). Gründe der Zweckmäßigkeit liegen insbesondere dann vor, wenn zum anderem Gericht die offenbar engste Beziehung besteht und die Delegierung zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen kann. Eine Delegierung gemäß § 31 JN soll nur in Ausnahmefällen erfolgen, um nicht durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung zu bewirken (RIS‑Justiz RS0046441).

Gemäß § 63 Abs 1 IO ist für das Insolvenzverfahren der Gerichtshof erster Instanz zuständig, in dessen Sprengel der Schuldner sein Unternehmen betreibt oder mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. In dieser Bestimmung gelangt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der für die effektive und rasche Abwicklung des Insolvenzverfahrens bedeutsamen Nähe des Insolvenzgerichts zum Betriebsort besonderes Gewicht beimisst.

2. Im Anlassfall liegen ‑ bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung ‑ beide der in der genannten Gesetzesstelle normierten Anknüpfungspunkte im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck.

Abgesehen davon, dass sich dem Antrag kein Grund entnehmen lässt, der für eine Delegierung sprechen würde ‑ die nachträgliche Wohnsitzverlegung des potentiellen Schuldners reicht dafür nicht aus ‑ stellt der Antrag von vornherein keine geeignete Grundlage für eine Delegierung dar. Darin wird nämlich ausgeführt, dass ‑ aufgrund der nachträglichen Zurücklegung der Gewerbeberechtigung ‑ auch das Landesgericht Wels im Fall einer Delegierung nicht mehr sachlich zuständig wäre, weshalb die Delegierung an das Bezirksgericht Wels beantragt werde. Eine Delegierung kann allerdings nur an ein anderes Gericht gleicher Gattung erfolgen (RIS‑Justiz RS0046125; RS0046151). Zur Verschiebung der sachlichen Zuständigkeit oder zur Lösung eines allfälligen Zuständigkeitsproblems steht ein Delegierungsantrag aber nicht zur Verfügung.

Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen.

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