OGH 9Ob36/14f

OGH9Ob36/14f22.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei DDr. M***** K*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 14.873,05 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Februar 2014, GZ 3 R 7/14s‑22, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. November 2013, GZ 5 Cg 81/12a‑18, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108178

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte haftet der Klägerin wegen fehlerhafter anwaltlicher Vertretung im Vorverfahren für die ihr dadurch erlittenen Vermögensschäden.

Den Ersatz dieser Schäden in Höhe von 14.873,05 EUR sA begehrte die Klägerin mit der vorliegenden Klage, und zwar für frustrierte Prozesskosten 4.873,05 EUR und als Wertminderung ihrer Liegenschaft 10.000 EUR, weil sie das Nachbargrundstück nicht mehr zum Gehen, Befahren und Parken nützen dürfe.

Der Beklagte wendete ua ‑ gekleidet in eine „Streitwertbemängelung“ ‑ ein, dass das Benützungsrecht der Klägerin nur mit einem Drittel von 10.000 EUR zu „bewerten“ sei, weil die Klägerin mit bestimmten Teilen ihrer im Vorverfahren geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch bei fehlerfreier Vertretung unterlegen wäre.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 15. 10. 2013 aus, „dass der Streitwert hinsichtlich der Bewertung des Rechtes auf Benützung des Grundstückes ***** durch Befahren bzw. Benützung dieses jeglicher Art mit 5.000 EUR bewertet werde“ (ON 15 Seite 3).

Dem Klagebegehren gab das Erstgericht mit 1.829,52 EUR sA statt, das Mehrbegehren von 8.043,53 EUR sA sowie einen Teil des Zinsenbegehrens wies es ab. Der Klägerin stünde lediglich der Ersatz eines Teils der von ihr im Vorverfahren getragenen Prozesskosten von 1.829,52 EUR sA zu. Der darüberhinausgehend geltend gemachte Prozesskostenersatzanspruch sowie das Klagebegehren hinsichtlich der Benützung des Nachbargrundstücks durch Befahren bzw. Benützung jeglicher Art, welches die Klägerin mit 10.000 EUR bemessen habe, die Bewertung auf Grund der Streitwertbemängelung durch den Beklagten jedoch mit 5.000 EUR festgelegt worden sei, seien hingegen abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen „wegen 8.043,53 sA“ (Berufungsschrift Seite 1) erhobenen Berufung der Klägerin Folge. Es verpflichtete den Beklagten mit Teilurteil zur Zahlung der gesamten von der Klägerin geltend gemachten Prozesskosten von 4.873,05 sA. Im übrigen Umfang hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung (Feststellung der konkreten Wertminderung) an das Erstgericht zurück. Es führte auch aus, dass der vom Erstgericht festgesetzte Streitwert für die Wertminderung auf das Klagebegehren keine Auswirkungen entfalte. Da die Klägerin ihr Begehren nicht eingeschränkt habe, habe das Erstgericht das Klagebegehren von 14.873,05 EUR nicht gänzlich erledigt. Da dies in der Berufung aber ungerügt geblieben sei, sei damit der nicht erledigte Teil des Klagebegehrens aus dem Verfahren ausgeschieden.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) zur Frage zugelassen, ob die Klägerin in ihrer Berufung zumindest inhaltlich als Verfahrensmangel geltend gemacht habe, dass das Erstgericht nicht über das gesamte Klagebegehren entschieden habe.

In ihrer Revision „wegen 10.000 EUR sA“ (Revisionsschrift Seite 1) beantragt die Klägerin, ihrem Rechtsmittel Folge zu geben und das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag hinsichtlich des Berufungs-, eventualiter des Erst- und Berufungsurteils.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

1. Zunächst ist klarzustellen, dass sich die Revision der Klägerin erkennbar nur gegen den Teil des Klagebegehrens im Umfang von 5.000 EUR sA richtet, über den das Erstgericht nicht entschieden hat. Auch wenn sie den Revisionsstreitwert mit „10.000 EUR sA“ beziffert und ihr Revisionsantrag auf „vollinhaltliche Klagsstattgabe“ lautet, lässt der Inhalt der Revisionsschrift keinen Zweifel darüber offen, dass sie mit ihrem Rechtsmittel weder den ohnehin zusprechenden Teil (4.873,05 EUR sA), noch den aufgehobenen Teil des Klagebegehrens von 5.000 EUR sA bekämpfen will, zumal ein dagegen erhobener Rekurs mangels Zulassung durch das Berufungsgericht nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ohnehin jedenfalls unzulässig wäre (RIS‑Justiz RS0043898; RS0043854).

2. Die Auslegung eines Prozessvorbringens stellt nach der Rechtsprechung regelmäßig eine Frage des Einzelfalls dar, die keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS-Justiz RS0042828). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RIS-Justiz RS0042828 [T11, T31]; RS0044273 [T50, T53, T57]). Dies ist hier aber nicht der Fall. In ihrer Berufung („wegen 8.043,53 EUR sA“) machte die Klägerin (ausdrücklich) die Berufungsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung geltend. In ihrer Berufungserklärung focht sie das Ersturteil in seinem klagsabweisenden Umfang, „sohin über den zugesprochenen Betrag von 1.829,52 EUR hinaus, sohin in einem Gesamtbetrag von 8.043,55 EUR“ an. Eine unrichtige oder unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe schadet zwar nicht, wenn die Rechtsmittelausführungen die Beschwerdegründe deutlich erkennen lassen (RIS‑Justiz RS0041851), doch verwies die Klägerin in ihrer Berufung (Seite 14) ausdrücklich darauf, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und ihr ein Betrag von 9.873,05 EUR sA zugesprochen werden hätte müssen. Dass das Erstgericht in seinem Urteil („wegen 9.873,05 EUR sA“) nur über diesen Betrag und nicht auch über den weiteren in der Klage geltend gemachten Betrag von 5.000 EUR an Wertminderung abgesprochen hat, wurde in der Berufung nicht thematisiert. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Klagsbetrag von 5.000 EUR, über den das Erstgericht nicht entscheiden habe, sei in der Berufung ungerügt geblieben, ist damit und auch im Zusammenhang mit den sonstigen Berufungsausführungen jedenfalls vertretbar.

3. Wurde gegen die Nichterledigung eines Sachantrags durch das Erstgericht ‑ wie hier ‑ weder durch Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO noch durch Berufung Abhilfe gesucht, scheidet dieser Anspruch aus dem Verfahren aus (RIS-Justiz RS0041490). In der Berufung muss die Nichterledigung eines Teils des geltend gemachten Anspruchs als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt werden (RIS-Justiz RS0041486). Es genügt nicht, dass der Antrag ‑ wie hier ‑ der aus anderen Gründen erhobenen Berufung allgemein auf „vollinhaltliche Klagsstattgebung“ gerichtet ist (RIS-Justiz RS0041503). Der Entscheidung 5 Ob 65/03z ist keine Einschränkung dieser ständigen Rechtsprechung (zuletzt 7 Ob 235/12b; 4 Ob 93/13z ua) zu entnehmen. Zu Unrecht geht die Revisionswerberin daher davon aus, dass ihr keine Unterlassung einer Rechtsrüge vorwerfbar sei, weil es ihr „nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ gar nicht möglich gewesen wäre, das Berufungsurteil „über den festgesetzten Streitwert von 9.873,05 EUR“ anzufechten.

4. Auch mit dem Argument der allseitigen Überprüfungspflicht des Berufungsgerichts bei Vorliegen einer gesetzmäßigen Rechtsrüge, ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Wie bereits oben erwähnt, stellt die Nichterledigung eines Teils des geltend gemachten Anspruchs einen Verfahrensmangel gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO dar, der im Rechtsmittel geltend zu machen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979). Der Revisionsstreitwert beträgt jedoch nur 5.000 EUR.

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