OGH 6Ob168/13v

OGH6Ob168/13v15.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am 25. September 2007 verstorbenen H***** R***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Einschreiters Dr. B***** E*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des erblasserischen Sohnes H***** R*****, (AZ 6 S ***** des Handelsgerichts Wien) gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 13. August 2013, GZ 16 R 448/12i‑167, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 15. Oktober 2012, GZ 13 A 201/07z‑150, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00168.13V.0515.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Es wird festgestellt, dass die erblasserische Witwe E***** R***** aufgrund des Erbvertrags vom 20. 3. 1956, Notariatsakt GZ *****, zu drei Viertel des Nachlasses und der erblasserische Sohn H***** R***** aufgrund des Testaments des Erblassers vom 22. 12. 2005 zu einem Viertel des Nachlasses Erben sind.“

Der Masseverwalter des erblasserischen Sohnes, Dr. B***** E*****, ist schuldig, der erblasserischen Witwe aus der Konkursmasse die mit 23.193,60 EUR (darin 3.865,60 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 2.124,99 EUR (darin 354,17 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der erblasserischen Witwe wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Notariatsakt vom 20. 3. 1956 schlossen der Erblasser und die erblasserische Witwe E***** R*****, geboren am 19. 6. 1924, einen Erbvertrag mit wechselseitigem Testament, mit welchem für den Fall des Todes eines der beiden Ehegatten folgende letztwilligen Verfügungen getroffen wurden; diese sollten hinsichtlich dreier Vierteile ihres Vermögens als Erbvertrag und somit einseitig nicht widerruflich, hinsichtlich des der freien letztwilligen Verfügung vorbehaltenden Nachlassviertels jedoch als wechselseitiges Testament gelten:

Sind bei Ableben eines der beiden Ehegatten Kinder aus dieser Ehe am Leben, so soll der überlebende Ehegatte Alleinerbe des gesamten wie immer gearteten Vermögens des zuerst verstorbenen Ehegatten sein. Der überlebende Eheteil ist jedoch verpflichtet, dieses gesamte Vermögen an eines der aus der Ehe der Ehegatten entstammenden Kinder zu übertragen, und zwar spätestens bis zum erreichten 25. Lebensjahr des jüngsten am Leben befindlichen Kindes derselben; hierbei soll jedoch die Übernehmerin des Vermögens verpflichtet sein, falls es sich um eine Tochter handelt, auch weiterhin den Familiennamen R***** für sich und ihre leiblichen Nachkommen zu führen, wobei jedoch als Erfüllung dieser Verpflichtung auch die Führung eines Doppelnamens angesehen wird. Sollte es sich bei dem Übernehmer des Vermögens um einen männlichen Nachkommen handeln, hat dieser ebenfalls den Familiennamen R***** zu führen, ist jedoch ebenfalls bei Vereinbarung einer Adoption verpflichtet, den Familiennamen R***** zumindest als Doppelnamen weiterzuführen. Die in diesem Notariatsakte aufgenommene Verpflichtung zur Übergabe des Vermögens an ein aus der Ehe der Ehegatten entstammendes Kind soll bei Ableben des erstversterbenden Ehegatten auf dessen Liegenschaftsbesitz als Beschränkung durch die letztwillige angeordnete fideikommissarische Substitution grundbücherlich einverleibt werden. Sind bei Ableben des Erstversterbenden der beiden Ehegatten aus deren Ehe keinerlei Nachkommen vorhanden, setzen die Ehegatten einander ohne jede Beschränkung als Alleinerben ihres gesamten beiderseitigen Nachlasses ein. Sonst hat für diesen Fall niemand aus dem Nachlass Vermögenswerte zu erhalten, ausgenommen die in diesem Zeitpunkte am Leben befindlichen pflichtteilsberechtigten Eltern den ihnen zukommenden Pflichtteil. Die vorstehenden gegenseitigen Erbeinsetzungen sollen vertragsmäßig als Erbvertrag und demnach einseitig nicht widerrufbar vereinbart und einander zugesichert rechtswirksam sein, und es nehmen daher die beiden Ehegatten die einander zugesicherten Erbrechte auch gegenseitig hiermit vertraglich an. Hinsichtlich des der letztwilligen Anordnung vorbehaltenen Nachlassviertels soll diese Urkunde als wechselseitiges Testament der beiden Ehegatten Geltung haben.

 

Es existiert außerdem ein handschriftliches Testament des Erblassers vom 22. 12. 2005, in welchem dieser seinen Sohn H***** R*****, geboren am 25. 8. 1954, als Universalerben einsetzte und anführte, dass dieser somit seinen gesamten Besitz, Schloss und Gut T***** in den Gemeinden S***** und G*****, weiters in W***** A*****, sein Grundstück in der H*****gasse bekomme. Der Tochter E***** R*****, geboren am 31. 3. 1957, vermachte der Erblasser seinen Anteil an der Liegenschaft L*****, *****gasse *****, und eine Bauparzelle in der *****gasse, weiters den halben Verkaufserlös seines Hausanteils in M*****straße *****. Die beiden Töchter E***** und R***** R*****, geboren am 15. 12. 1959, sollten das an die Bauparzellen anschließende Grundstück in der *****gasse je zur Hälfte erhalten, die Tochter R***** den Anteil an der Liegenschaft L*****gasse *****, und ferner beide Töchter E***** und R***** je zur Hälfte den Anteil am Gartenacker. Der Erblasser führte in seinem Testament aus dem Jahr 2005 außerdem aus, er wünsche nach seinem Tod Zufriedenheit unter seinen vier Kindern und erwarte, dass sein Testament so angenommen wird, wie er es verfasst habe. Über seine persönliche Habe, Bücherei, Familienarchiv, Gemälde, Orden, Ehrenzeichen und Wertgegenstände werde er gesondert verfügen.

Schließlich besteht ein Notariatsakt vom 24. 9. 1993, mit welchem der Erblasser und seine Witwe mit ihrem Sohn V***** R*****, geboren am 24. 12. 1963, einen Erbverzichtsvertrag abschlossen, wonach der Sohn mit Übergabsvertrag desselben Tages von seinen Eltern Liegenschaften in L*****, B***** und M***** erhalten hatte und mit Rücksicht auf diese Zuwendungen erklärte, für sich und seine Nachkommenschaft rechtsverbindlich gegenüber seinen Eltern auf alle gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche zu verzichten. Die Ehegatten nahmen diese Verzichtserklärung ihres Sohnes rechtsverbindlich an.

Beim Erblasser handelte es sich um einen überdurchschnittlich wertkonservativen Menschen mit einem besonders weitreichenden Sinn für Familientradition und Werterhaltung innerhalb der Familie. So schrieb der Erblasser etwa in der „Rebenlandchronik“ 2004 in einem Artikel mit der Bezeichnung Schloss T*****, als Autor ausweisend H***** R***** von B*****, abschließend: „H***** (III.) (= Sohn von H***** R*****), von Kindestagen an mit T***** vertraut, spürt offenbar, welche Berufung auf ihn zukommt und was er als Vermächtnis weiterzutragen haben wird. Möge der altehrwürdige Adelssitz stets zu neuem Leben erblühen und Heimstätte für nie endende Generationsfolgen des Geschlechtes von R***** von B***** sein. 'Gott folgen' heißt der Wappenspruch der Familie 'Gott schütze T*****' das Gebet.“

Der Erblasser verstarb am 25. 9. 2007 unter Hinterlassung seiner Witwe und seiner ehelich geborenen Kinder E*****, H*****, R***** sowie V*****.

Für den Sohn H***** wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27. 11. 2009 Rechtsanwalt Dr. B***** E***** zum Masseverwalter bestellt. Bereits am 30. 7. 2008 hatte er mit Schreiben seines rechtsfreundlichen Vertreters zum gesamten Nachlass aus dem Berufungsgrund des schriftlichen Testaments vom 22. 12. 2005 eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben, am 15. 1. 2009 außerdem zum gesamten Nachlass aufgrund desselben Testaments eine unbedingte Erbantrittserklärung. Weiters hatte am 4. 11. 2009 die Witwe aufgrund des Erbvertrags vom 20. 3. 1956 zu drei Viertel und aufgrund des Testaments vom 20. 3. 1956 zu einem Viertel des Nachlasses die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben.

Der größte und wichigste Wunsch des Erblassers war es gewesen, das Vermögen in der Familie zu behalten; der Erblasser hatte stets in Generationen gedacht, und dass das Ganze wie eine Kette immer weitergeht. Hätte er von den Vermögensverhältnissen des Sohnes H*****, nämlich dem Konkurs, im derzeitigen Umfang gewusst, hätte er H***** damals nicht testamentarisch bedacht, sondern das Vermögen gleich an den Enkel übertragen. Aus einem Schreiben des Erblassers und seiner Gattin mit der Überschrift „Erklärung“ aus 2001 geht ausdrücklich hervor, dass die bestehenden und die bereits getroffenen Vermögensverhältnisse innerhalb der Familie unter Einbeziehung aller vier Kinder innerhalb der nächsten vier Wochen einer Neuregelung zugeführt werden sollten. Weiters hatten der Erblasser und die Witwe dort erklärt, dass sie ihrer Betroffenheit über das zwischen den Söhnen V***** und H***** anhängige Zivilverfahren Ausdruck verleihen wollen, und an die beiden Söhne appelliert, in Anbetracht der beabsichtigten Neuregelung der Vermögensverhältnisse von der Weiterführung dieses Verfahrens Abstand zu nehmen; sie hatten in diesem Sinne sogar eine Vertagung eines anberaumten Gerichtstermins beim Handelsgericht Wien angeregt.

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung 2005 hatte der Erblasser den Erbvertrag mit wechselseitigem Testament aus dem Jahr 1956 entweder vergessen oder für ungültig gehalten, weshalb das Testament aus dem Jahr 2005 keine Nacherbenpräzisierung darstellt; andernfalls hätte der Erblasser dies ausdrücklich als Nacherbeneinsetzung bezeichnet.

Im Hinblick darauf, dass der Sohn V***** bereits mit Übergabsvertrag Liegenschaften erhalten hatte, hatte der Erblasser seinen Sohn H***** mit Testament vom 22. 12. 2005 als Universalerben eingesetzt; den Töchtern hatte er Liegenschaften als Legate ausgesetzt. Damit erwartete und erhoffte er Zufriedenheit unter seinen vier Kindern und eine Regelung des Familienbesitzes innerhalb der Familie. Hätte der Erblasser sich entscheiden müssen, seinen Sohn H***** R***** bezüglich seiner Gläubiger zu entschulden oder den Familienbesitz in der Familie zu erhalten, hätte er sich für Letzteres entschieden. Der Enkel des Erblassers und Sohn von H***** war 2005 11 Jahre alt.

Der Erblasser hatte von finanziellen Schwierigkeiten seines Sohnes H***** gewusst, aber keinesfalls in dem Umfang, in dem sie sich erst nachher herausgestellt hatten, nämlich, dass dadurch das gesamte an H***** testierte Familienerbe verwertet werden würde.

Hinsichtlich der 2001 neu thematisierten Regelung der Vermögensverhältnisse hatte es verschiedene und viele Versuche des Erblassers und der Witwe gegeben, sich mit den Töchtern zu einigen; es waren mehrere Entwürfe vorgelegen, es hat aber letztlich keine Einigung gegeben.

Die größten Schulden des Sohnes H***** gegenüber der Krankenkasse (rund 900.000 EUR) und dem Finanzamt (rund 400.000 EUR) sowie 100.000 EUR an Kommunalsteuern entstanden erst 2008; von diesen Schulden konnte der Erblasser nichts wissen. Auch der Sohn H***** wusste von diesen Schulden nichts. Der Erblasser hat den Sohn H***** lediglich 2002 beim ersten Konkursantrag mit einem Kredit von 300.000 EUR unterstützt, den der Sohn im Laufe der Zeit teilweise zurückzahlte. Ansonsten wusste der Erblasser von keinen Schulden, im Gegenteil: H***** hatte investiert, einen großen Stall mit über 1.000 m2 in der Steiermark gebaut, das Schloss in der Steiermark renoviert und in A***** ein Gebäude errichtet.

Der Kredit, den der Erblasser für den Sohn H***** aufgenommen hatte und der von diesem zurückbezahlt wurde, war zum Todeszeitpunkt des Erblassers mit 200.000 EUR, offen.

Zwischen dem Erblasser und seinen Kindern war es wiederholt und eindeutig besprochen worden, was wer bekommen sollte, und zwar H***** die Steiermark, E***** die *****gasse in L*****, wo sie wohnt, R***** den halben Anteil *****gasse; V***** hatte bereits L***** erhalten. In der Wertung des Erblassers waren die Söhne „wichtiger“ als die Töchter, im Erbvertrag mit wechselseitigem Testament aus dem Jahr 1956 legte der Erblasser auch fest, dass die Töchter weiterhin den Familiennamen „R*****“ für sich und ihre leiblichen Nachkommen zu führen haben, lediglich die Führung eines Doppelnamens wurde auch als Erfüllung dieser Verpflichtung angesehen, auch die männlichen Nachkommen hatten den Familiennamen „R*****“ zu führen, ebenfalls auch bei Vereinbarung einer Adoption, zumindest im Doppelnamen.

Der Erblasser hatte das Gut T***** vor Jahrzehnten übernommen und große Geldsummen hineingesteckt, um das Ganze wieder zu renovieren und instandzusetzen. Er hatte sich dort besonders wohlgefühlt und eine besondere emotionale Beziehung zu diesem Gut gehabt.

Der Erblasser hatte den Plan seiner Erbfolgeregelung weder mit der Witwe noch mit seinen Kindern im Detail besprochen.

Die Vorinstanzen stellten im Verfahren über das Erbrecht die erblasserische Witwe aufgrund des Erbvertrags (zu drei Viertel) und aufgrund des Testament, beides aus dem Jahr 1956, als Alleinerbin fest; das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. In der Sache selbst meinte das Rekursgericht, beim Erbvertrag habe es sich entgegen der vom Masseverwalter vertretenen Auffassung weder um ein einseitig widerrufliches Testament gehandelt noch sei darin eine fideikommissarische Substitution zugunsten des Sohnes H***** enthalten gewesen. Der Erbvertrag habe daher durch das Testament zugunsten des Sohnes aus dem Jahr 2005 nicht abgeändert werden können; die Witwe sei jedenfalls zu drei Viertel Erbin. Hinsichtlich des restlichen Viertels wiederum sei der Erblasser bei Errichtung des Testaments aus dem Jahr 2005 einem nach § 572 ABGB relevanten Motivirrtum unterlegen; der Erblasser hätte seinen Sohn nicht bedacht, hätte er von dessen Vermögensverhältnissen gewusst, sei es doch sein größter und wichtigster Wunsch gewesen, das Vermögen in der Familie zu halten.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Masseverwalters ist zulässig; er ist auch zum Teil berechtigt. Die am 11. 4. 2014 im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung ist im Hinblick auf § 68 Abs 1 und 3 Z 3 AußStrG verspätet; die Mitteilung der Freistellung der Beantwortung des Revisionsrekurses war der rechtsfreundlichen Vertreterin der erblasserischen Witwe bereits am 17. 3. 2014 zugestellt worden.

1. Der Masseverwalter beruft sich auch im Revisionsrekursverfahren zur Dartuung des vollen Erbrechts des erblasserischen Sohnes H***** primär auf den Erbvertrag des Erblassers und der erblasserischen Witwe aus dem Jahr 1956. Er meint weiterhin, im Erbvertrag sei grundsätzlich eine Nacherbschaft zugunsten eines ehelichen Kindes vereinbart worden, mit dem Testament aus dem Jahr 2005 habe der Erblasser den Nacherben, nämlich den erblasserischen Sohn, nachbenannt. Dem kann nicht gefolgt werden:

1.1. In einem Erbvertrag setzen Ehegatten oder eingetragene Partner (oder Brautleute für den Fall der Eheschließung) einander (oder auch nur einer den anderen) unwiderruflich zum Erben ein. Die Bindungswirkung (Unwiderruflichkeit) ist Wesensmerkmal des Erbvertrags und muss nicht besonders vereinbart werden (Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 1249 Rz 1; Fucik in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 [2012] § 1249 Rz 1). Erbverträge zugunsten Dritter sind dem österreichischen Recht fremd (RIS‑Justiz RS0017047). Begünstigungen Dritter im Erbvertrag, etwa wenn der Ehegatte nur als Vor- oder Nacherbe eingesetzt wird, sind nur als widerrufliche Erklärungen zu behandeln (vgl M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ [2002] § 1249 Rz 1, 4 und § 1251 Rz 2).

1.2. Dem Masseverwalter ist beizupflichten, dass in der Klausel eines von Ehegatten errichteten wechselseitigen Testaments, nach dem Ableben des zweitversterbenden Eheteils habe das in dessen Hand befindliche gesamte Vermögen den gemeinsamen Kindern zuzufallen, eine Nacherbschaft (fideikommissarische Substitution) ‑ konkret auf den Überrest ‑ vorliegt (1 Ob 122/72; 3 Ob 603/81). Eine Anordnung mit dem Rechtsfolgewillen einer Substitution muss der Testator dabei schon zufolge der Auslegungsregel des § 614 ABGB unzweifelhaft zum Ausdruck bringen (5 Ob 22/09k), auch wenn die Verwendung der Befehlsform durch den Erblasser für die Anordnung einer Nacherbschaft nicht nötig ist (RIS‑Justiz RS0038393). Ein bloßer Rat oder eine einfache Empfehlung an den Erben, den Nachlass später einer anderen Person zu überlassen, begründet hingegen noch keine Nacherbschaft (RIS‑Justiz RS0012540). Entscheidend ist die Auslegung der im konkreten Fall zu beurteilenden letztwilligen Verfügung (9 Ob 10/03s).

1.3. Daraus ist aber für den Rechtsstandpunkt des Masseverwalters nichts gewonnen: Unstrittig ist nämlich, dass der Erblasser die Auswahl des Nacherben nicht dem Vorerben überlassen kann (RIS‑Justiz RS0012394; Kletečka, Die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen, JBl 1999, 277; Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 565 Rz 2; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 [2012] § 608 Rz 6). Die Frage, was zu gelten hat, wenn der Erblasser die Auswahl dem Vorerben überlässt, wurde und wird hingegen unterschiedlich beantwortet: Während die ältere Rechtsprechung (3 Ob 353/60 EvBl 1961/1; 5 Ob 43/69; 5 Ob 334/71; 8 Ob 112/75; 8 Ob 582/86 NZ 1987, 130; 3 Ob 516/87 SZ 60/225; 6 Ob 313/98t; 1 Ob 90/01v) eine solche Anordnung ‑ um die letztwillige Verfügung durch Umdeutung wenigstens zum Teil zu retten ‑ als Auflage (Auftrag) beurteilte, kritisierten Teile der Lehre (etwa Kletečka, JBl 1999, 277; Welser aaO) eine solche Umdeutung. In jüngeren Entscheidungen (10 Ob 14/04p SZ 2005/79; 5 Ob 121/07s) vertrat der Oberste Gerichtshof deshalb die Auffassung, eine Auflage, mit der außerhalb einer fideikommissarischen Substitution eine Nacherbschaft angeordnet wird, sei dann, wenn der Tod des Vorerben den „Substitutionsfall“ bildet, wegen Eingriffs in die Testierfreiheit des Vorerben als ungültig anzusehen. Kletečka (JBl 1999, 277) und Kletečka/Holzinger (in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 [2012] § 608 Rz 9) wiederum schlagen zur Vermeidung einer Ungültigkeit der Anordnung deren Umdeutung in ein Nachvermächtnis vor.

Eine Auswahlklausel zugunsten des Vorerben enthielt der Erbvertrag aus dem Jahr 1956, wobei die in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortete Frage der Bedeutung einer solchen Klausel hier nicht weiter verfolgt werden muss. Der Masseverwalter strebt in diesem Verfahren die Feststellung des vollen Erbrechts des erblasserischen Sohnes an; diesem kommt aber weder bei Ungültigkeit der Anordnung noch bei deren Umdeutung in eine Auflage (vgl 1 Ob 90/01v; 1 Ob 67/12b) oder in ein Nachlegat ein Erbrecht zu.

1.4. Auch die im außerordentlichen Revisionsrekurs erörterte Frage, ob der Erblasser selbst mit dem Testament aus dem Jahr 2005 den erblasserischen Sohn als Nacherben nachbenannt hat und deshalb der erblasserischen Witwe überhaupt kein Erbrecht zukommen würde, kann dahin gestellt bleiben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen stellt nämlich „das Testament aus 2005 keinesfalls eine Nacherbenpräzisierung dar“. Im Übrigen behielt sich der Erblasser im Erbvertrag auch keine spätere Bestimmung des Nacherben vor, weshalb die Berücksichtigung einer derartigen späteren Willensbekundung des Erblassers den Grundsatz der Unwiderruflichkeit des Erbvertrags (§ 1254 ABGB) zu Lasten der erblasserischen Witwe als Vertragserbin tangieren würde (vgl dazu M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ [2002] § 1254 Rz 1).

1.5. Verfehlt ist auch die Argumentation des Masseverwalters, der Erbvertrag sei unter der auflösenden Bedingung gestanden, dass der Erbfall (eines der beiden Ehegatten) vor dem 25. Geburtstag des jüngsten Kindes aus der Ehe des Erblassers und der erblasserischen Witwe eintritt; da beide diesen Stichtag überlebt hätten, sei der Erbvertrag wirkungslos und der erblasserische Sohn Testamentserbe. Bedingungen, unter denen ein Erbvertrag geschlossen wird oder eine Erbeinsetzung erfolgt, sind nämlich nach Vertragsrecht zu beurteilen (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ [2002] § 1251 Rz 1); ebenso ist für die Auslegung des Erbvertrags selbst Vertragsrecht maßgebend (M. Bydlinski aaO § 1249 Rz 4; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 1249 Rz 2). Eine vom Masseverwalter behauptete Bedingung lässt sich aber dem Wortlaut des Erbvertrags nicht entnehmen, es besteht auch kein Hinweis auf eine dahingehende Parteienabsicht. Damit kann aber dem Erbvertrag eine derartige Bedingung nicht unterstellt werden (vgl RIS‑Justiz RS0017831, RS0108201).

1.6. Da somit der Erbvertrag aus dem Jahr 1956 gültig zustandegekommen ist und auch nicht aufgelöst wurde und auch die vom Masseverwalter dargestellte Auffassung einer Nacherbschaft des erblasserischen Sohnes vom erkennenden Senat nicht geteilt wird, ist die erblasserische Witwe zu drei Viertel Erbin.

2. Hinsichtlich des vom Erbvertrag nicht erfassten Viertels ist zu prüfen, ob der Erblasser mit seinem Testament aus dem Jahr 2005 den erblasserischen Sohn gültig als Erben eingesetzt hat. Die erblasserische Witwe verneint dies und beruft sich auf einen wesentlichen Irrtum des Erblassers; hätte er vom späteren Konkursverfahren des Sohnes gewusst, hätte er eine anderweitige Verfügung getroffen.

2.1. Nach §§ 570 bis 572 ABGB macht ein wesentlicher Irrtum des Erblassers die Anordnung ungültig. Der Irrtum ist wesentlich, wenn der Erblasser die Person, welche er bedenken, oder den Gegenstand, welchen er vermachen wollte, verfehlt hat. Auch wenn der vom Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird, bleibt die Verfügung gültig, es wäre denn erweislich, dass der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht habe. Dass die Verfügung selbst den Beweggrund nicht nennt, ist ‑ trotz des gegenteiligen Gesetzeswortlauts (Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 572 Rz 3; Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden ‑ Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002/77) ‑ nach herrschender Auffassung (Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts II/2² [1937] 415; Weiß in Klang III² [1952] 286; Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht³ [1983] 106; Welser aaO; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] §§ 570 bis 572 Rz 4; Aigner, Der Irrtum des Erblassers, NZ 2011/54; Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2013] § 572 Rz 2 unter Hinweis auf GlU 15.173; vgl auch 10 Ob 2/06a FamZ 2007/26 [W. Tschugguel]; 1 Ob 213/08t; ohne eigene Stellungnahme Knechtel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 [2010] § 572 Rz 9; aA Stefula/Thunhart aaO) für die Beachtlichkeit eines Motivirrtums des Erblassers unbeachtlich.

Entgegen der vom Masseverwalter vertretenen Auffassung ist es deshalb unerheblich, dass dem Testament aus dem Jahr 2005 selbst nicht zu entnehmen ist, weshalb der Erblasser gerade seinen Sohn H***** zum Alleinerben eingesetzt hat.

2.2. Nach Lehre (Weiß in Klang III² [1952] 288; Welser aaO § 572 Rz 5; W. Tschugguel, iFamZ 2007, 255 [Entscheidungsanmerkung]; Aigner, NZ 2011/54; Koziol/Welser 13 II 486) und Rechtsprechung (7 Ob 634/84) können auch Motivirrtümer über Zukünftiges erheblich sein. So hat der Oberste Gerichtshof etwa bei einem Irrtum des Erblassers darüber, dass er in Zukunft andere Verfügungen treffen wird (1 Ob 93/55 JBl 1955, 359), oder in Fällen, in denen der Erblasser zum Zeitpunkt der letztwilligen Anordnung über das Fortbestehen der Ehe oder Lebensgemeinschaft irrte (10 Ob 2/06a; 1 Ob 213/08t), das Vorliegen eines Irrtums nicht verneint.

Wenn der Masseverwalter somit ‑ unter Berufung auf Kerschner (Irrtumsanfechtung, insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft [1984] 152) ‑ meint, ein Anwendungsfall des § 572 ABGB sei schon allein deshalb nicht anzunehmen, weil der Konkurs über das Vermögen des erblasserischen Sohnes erst Jahre nach dem Testament und auch Jahre nach seinem Tod eröffnet worden sei, so steht dem die herrschende Auffassung entgegen.

2.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0012420; ebenso Stefula/Thunhart, NZ 2002/77) macht ein Irrtum im Beweggrund die Verfügung jedoch nur dann ungültig, wenn erweislich ist, dass der Wille des Erblassers „einzig und allein“ darauf beruhte. Das Gesetz stellt hier an den Nachweis des Kausalzusammenhangs besonders strenge Anforderungen; es schneidet die Erörterung darüber, ob gerade jener Beweggrund, der sich als irrig erweisen lässt, der entscheidende war, dadurch ab, dass es außer dem Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der irrigen Vorstellung über den Beweggrund den Nachweis der Ausschließlichkeit verlangt. Es wird der „Nachweis der Ausschließlichkeit des irrigen Beweggrunds“ gefordert; zumindest darf kein anderes wesentliches Motiv - als nicht ausschließbar - übrig bleiben. Die Beweislast trifft dabei denjenigen, der die Wirksamkeit der Verfügung bekämpft (RIS‑Justiz RS0012443), hier also die erblasserische Witwe. Der überwiegenden Literatur (Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 572 Rz 2; vgl auch die Nachweise bei Schauer, Der geschiedene Ehegatte als Testamentserbe ‑ Analyse der Rechtsprechung und eigener Lösungsansatz, iFamZ 2012, 145 FN 10), die jeden wesentlichen Irrtum, der kausal ist, also den Erblasser bei Kenntnis der Sachlage von der Verfügung abgehalten hätte, genügen lässt, ist der Oberste Gerichtshof nicht gefolgt (10 Ob 2/06a; 1 Ob 213/08t). Im Übrigen hat jüngst Schauer (aaO) dargestellt, dass auf der Ebene des materiellen Rechts ‑ was die Auslegung des Kausalitätserfordernisses in § 572 ABGB betrifft ‑ gar kein Unterschied zwischen Rechtsprechung und Literatur besteht; der Unterschied bestehe tatsächlich darin, dass der Oberste Gerichtshof demjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit der Anordnung beruft, die Beweislast dafür aufbürdet, dass kein anderes als das fehlerhafte Motiv vorlag.

2.4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hätte der Erblasser im Jahr 2005 seinen Sohn H***** nicht testamentarisch bedacht, sondern das Vermögen gleich an den Enkel übertragen, hätte er von den Vermögensverhältnissen seines Sohnes gewusst. Hätte er damals ‑ maßgeblich ist immer der Zeitpunkt der Testamentserrichtung (7 Ob 166/71) ‑ entscheiden müssen, entweder seinen Sohn zu entschulden oder den Familienbesitz in der Familie zu erhalten, hätte er sich für Letzteres entschieden; sein größter und wichtigster Wunsch sei es gewesen, das Vermögen in der Familie zu behalten, habe der Erblasser doch stets in Generationen gedacht.

Diese Feststellungen betreffen den ‑ wesentlichen und Zukünftiges betreffenden ‑ Irrtum des Erblassers, sagen jedoch wenig über das nach § 572 ABGB maßgebliche Motiv der Testamentseinsetzung aus. Der Masseverwalter weist in diesem Zusammenhang nicht unzutreffend darauf hin, dass wohl jedermann eher seinen Besitz in der Familie erhalten als Gläubiger befriedigen will, wobei im Übrigen ohnehin darauf hinzuweisen ist, dass der erblasserische Sohn bereits einige Jahre vor der Testamentserrichtung durch den Erblasser in ein Konkursverfahren verwickelt gewesen war, von dem dieser auch wusste. Es mag zwar sein, dass das weitere Konkursverfahren bei Errichtung der letztwilligen Verfügung ‑ wie das Rekursgericht meint ‑ für den Erblasser nicht „absehbar“ war; bekannt war dem Erblasser aber etwa, dass sein Sohn den ihm zur Beseitigung des ersten Konkursverfahrens eingeräumten Kredit von 300.000 EUR nur zu einem geringen Teil zurückgezahlt hatte, er somit keineswegs von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen des Sohnes ausgehen konnte.

Bei Beurteilung des Motivs „Erhalt des Familienvermögens in der Familie“ ist im Übrigen die konkrete Familiensituation zu beachten: Der Erblasser hatte ‑ im Rahmen der Erbfolge ‑ bereits die übrigen Kinder bedacht; durch das Testament sollte sein Sohn H***** den Rest bekommen. Verfügt ein Erblasser aber nur über eine Familie im traditionellen Sinn ‑ bestehend aus einem Ehegatten und ehelichen Kindern ‑ und bedenkt er ausschließlich Mitglieder dieser Familie, dann kommt dem Motiv „Erhalt des Vermögens in der Familie“ keine eigenständige Bedeutung zu; in diesem Sinn dient dann nämlich jedes Familientestament dem Erhalt des Vermögens in der Familie. Anders wäre die Situation lediglich dann zu beurteilen, wenn der Erblasser etwa Kinder aus einer früheren nichtehelichen Beziehung oder Ehe hat und als Motiv feststeht, dass er sein Vermögen in seiner nunmehrigen Familie halten wollte. Dies ist hier aber nicht der Fall gewesen.

Damit ist es ‑ entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung ‑ der erblasserischen Witwe aber nicht gelungen, ein maßgebliches, beachtliches Motiv des Erblassers im Sinn des § 572 ABGB für sein Testament aus dem Jahr 2005 darzustellen.

2.5. Selbst wenn man aber ‑ wie die Vorinstanzen ‑ ein solches im Erhalt des Familienvermögens sehen wollte, wäre letztlich die Feststellung der Vorinstanzen relevant, der Erblasser habe seinen Sohn H***** „im Hinblick darauf [eingesetzt], dass [der andere] erblasserische Sohn bereits Liegenschaften erhalten“ hatte; „damit erwartete und erhoffte er Zufriedenheit unter seinen vier Kindern und eine Regelung des Familienbesitzes innerhalb der Familie […], zwischen dem Erblasser und seinen Kindern [sei] es wiederholt und eindeutig besprochen [worden], was wer bekommen sollte, und zwar H***** die Steiermark […]“. An anderer Stelle der Feststellungen ist vom „Plan einer Erbfolgeregelung“ die Rede. Damit müsste dann aber im Sinn der unter 2.3. dargestellten Rechtsprechung als „anderes wesentliches Motiv“ die Regelung der Erbfolge und damit im Zusammenhang ‑ nach Abschichtung der übrigen Kinder ‑ die Einsetzung des erblasserischen Sohnes H***** in den restlichen zu erwartenden Nachlass angesehen werden. Dann wäre aber der erblasserischen Witwe nicht der Beweis gelungen, dass gerade jener Beweggrund, der sich als irrig erweisen lässt, der einzig und allein entscheidende war.

2.6. Das Testament aus dem Jahr 2005 ist somit hinsichtlich jenes Viertels, über welches der Erblasser trotz Erbvertrags verfügen konnte, gültig. Der erblasserische Sohn H***** ist in diesem Ausmaß testamentarischer Erbe.

3.  Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf §§ 78, 185 AußStrG. Der erblasserischen Witwe steht die Hälfte ihrer Kosten des Verfahrens über das Erbrecht (I. und II. Instanz) zu.

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