OGH 5Ob22/09k (5Ob23/09g)

OGH5Ob22/09k (5Ob23/09g)28.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 6. März 1995 verstorbenen Herbert Karl Franz M*****, unter Beteiligung des Substitutionskurators Dr. Philip Dobner, Rechtsanwalt in Wien,

1. über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Franziska M*****, vertreten durch Prof. Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Oktober 2008, GZ 45 R 494/08t-247, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. September 2007, GZ 83 A 20/02v-220, bestätigt wurde und

2. über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Franziska M***** (wie oben) und des David M*****, beide vertreten durch Prof. Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Oktober 2008, GZ 45 R 496/08m-249, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. Juli 2008, GZ 83 A 20/02v-239 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Beide angefochtenen Beschlüsse sowie die ihnen vorangegangenen Beschlüsse des Erstgerichts werden ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung

Der am 6. 3. 1995 verstorbene Herbert Karl Franz M***** hatte in seinem Testament vom 14. 11. 1991 neben einer Erbeinsetzung seiner Tochter Franziska M***** und seines Enkels David M***** zu gleichen Teilen folgende Substitutionsanordnung getroffen:

„Meiner Erbin Franziska M***** substituiere ich für den Fall, dass sie ohne eigene Kinder verstirbt, meinen Enkel David M*****."

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verfügte mit Beschluss vom 28. 6. 2002 die Einantwortung des Nachlasses an die beiden im Testament genannten Erben und setzte hinsichtlich der Erbin Franziska M***** eine Substitutionsklausel zugunsten des Mit- und Nacherben David M*****.

Zu 1.

Mit Beschluss vom 20. 9. 2007, GZ 83 A 20/02v-220 bestellte das Erstgericht den Rechtsanwalt Dr. Philip Dobner zum Substitutionskurator für die ungeborenen Nachkommen der Franziska M*****.

Das Erstgericht ging davon aus, durch die oben dargestellte Formulierung sei eine doppelte Substitution angeordnet worden, nämlich zugunsten der ungeborenen Kinder der Franziska M***** und zugunsten des David M*****. Für die ungeborenen Kinder der Franziska M*****, die potentiell Parteien eines Substitutionsverfahrens sein könnten, sei die amtswegige Bestellung eines Kurators gemäß § 274 ABGB iVm § 5 Abs 2 Z 2 lit a AußStrG erforderlich.

Mit dem zu 1. angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Bestellung.

Zu 2.

Mit Beschluss vom 2. 7. 2008, GZ 83 A 20/02v-239 „ergänzte und berichtigte" das Erstgericht die in der Einantwortungsurkunde enthaltene Verbücherungsklausel (wonach bei den Hälfteanteilen der Franziska M***** die Beschränkung des Eigentums durch die fideikommissarische Substitution zugunsten von David M***** einzutragen sei) dahin, dass eine Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zugunsten der ungeborenen Nachkommen der Franziska M***** und zugunsten von David M***** einzuverleiben sein werde.

Mit dem zu 2. angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diesen Beschluss.

Es vertrat in beiden Entscheidungen die Rechtsansicht, dass eine doppelte Substitution verfügt worden sei, und zwar zugunsten der ungeborenen Kinder der Franziska M***** und zugunsten des David M*****. § 617 ABGB enthalte nämlich kein Verbot einer Substitution zugunsten Ungeborener, sondern ordne nur an, dass eine solche erlösche, wenn der Vorerbe erbfähige Nachkommen hinterlassen habe. In einem solchen Fall stelle das Gesetz die Zweifelsregel auf, dass der Erblasser bei Kenntnis der künftigen Entwicklung die Substitution nicht angeordnet hätte.

Es sei daher sowohl die Bestellung eines Substitutionskurators als auch die Aufnahme einer Substitutionsbindung in die Verbücherungsklausel der Einantwortungsurkunde hinsichtlich der substituierten ungeborenen Kinder der Franziska M***** erforderlich.

In beiden Beschlüssen sprach das Rekursgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen beide bezeichneten Beschlüsse erhob Franziska M*****, gegen den zuletzt bezeichneten Beschluss auch David M*****, je einen „ordentlichen" Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Bestellung des Substitutionskurators ersatzlos aufgehoben und die Beschränkung durch die Substitutionsbindung zugunsten der ungeborenen Nachkommen von Franziska M***** beseitigt werde.

Der Substitutionskurator als weitere Partei des Verlassenschaftsverfahrens hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit, Revisionsrekursbeantwortungen zu erstatten, keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind berechtigt.

Im Hinblick auf das Entscheidungsdatum sind auf das Rechtsmittelverfahren in den hier maßgeblichen Fragen die Bestimmungen des AußStrG 2005 anzuwenden (vgl RIS-Justiz RS0121471). Das betrifft zum einen die Einräumung der Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung (vgl 6 Ob 290/07a), zum anderen die Anwendung des § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG, der spezifische Inhaltserfordernisse des Revisionsrekurses bezeichnet (vgl RIS-Justiz RS0007548).

Die Bestimmung erfordert an sich eine gesonderte Anführung der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels sprechenden Gründe. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass dann, wenn die Zulassungsbeschwerde zwar nicht ausdrücklich ausgeführt wird, aber doch die spezifischen Inhaltserfordernisse aus den Ausführungen des Rechtsmittels hervorgehen, wie hier, dass zur entscheidenden Frage keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und dem Gericht zweiter Instanz bei Auslegung einer letztwilligen Verfügung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, das Rechtsmittel insgesamt den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend zu behandeln ist (vgl RIS-Justiz RS0043644 [T2]; 3 Ob 1622/92).

Die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG liegen entgegen der Ansicht des Rekursgerichts vor:

Eingangs ist klarzustellen, dass die Rechtsprechung dem erbantrittserklärten Erben gegen die Bestellung eines Posterioriätskurators ein Rekursrecht zuerkennt (vgl 6 Ob 13/92 = EvBl 1993/7 mwN).

Trotz des bloß ankündigenden Charakters einer in eine Einantwortungsurkunde aufgenommenen sogenannten „Verbücherungsklausel" (vgl RIS-Justiz RS0008394) wird einem Erben Rechtsschutzinteresse an der Beseitigung einer solchen dann zugestanden, wenn die Verbücherungsklausel konstitutive Anordnungen im Sinn des § 174 AußStrG enthält (vgl 9 Ob 103/99h). Auch hier kann nach dem Wortlaut der ergänzten und berichtigten Einantwortungsurkunde, die in ihrer Gesamtheit nach den unmissverständlichen Entscheidungswillen des Erstgerichts, eine Beschränkung des Eigentums der Erbin durch weitere Substitutionsberechtigte anzuordnen, zum Ausdruck bringen wollte (vgl 9 Ob 103/99h), das Rechtsschutzinteresse der Erben an der Beseitigung nicht zweifelhaft sein.

Beide bekämpften Beschlüsse bewirken Verfügungsbeschränkungen der Vorerbin und des substitutionsberechtigten David M***** hinsichtlich der der Franziska M***** eingeantworteten Liegenschaften.

Zwar stand es nach alter Rechtslage dem Verlassenschaftsgericht nicht zu, im außerstreitigen Verfahren über die Auslegung des letzten Willens eines Erblassers zu entscheiden (vgl RIS-Justiz RS0006568), weil entsprechende Fragen nur auf dem Rechtsweg geklärt werden konnten (vgl RIS-Justiz RS0005997), doch konnte die Klärung der Vorfrage, ob und welche Anordnung einer Nacherbschaft verfügt wurde, dann, wenn es wesentlich um die Auslegung einer letztwilligen Verfügung nach ihrem Wortlaut ging, vom Verlassenschaftsgericht selbst vorgenommen werden (vgl RIS-Justiz RS0006601; EvBl 1993/7).

Das führt zur Vorfrage der Auslegung der vom Erblasser getroffenen Substitutionsanordnung nach dem Urkundenwortlaut:

Zunächst trifft zu, dass § 617 ABGB, wonach die von einem Erblasser seinem Kind zur Zeit, da es noch keine Nachkommenschaft hatte, gemachte Substitution erlischt, wenn dasselbe erbfähige Nachkommen hinterlassen hat, nur eine Zweifelsregel ist. Das Vorhandensein der Nachkommenschaft beim Tod des Ersteingesetzten macht demnach die Substitution wirkungslos. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bedeutet aber die Regelung des § 617 ABGB keineswegs, dass eine Substitution zugunsten der noch nicht vorhandenen Nachkommen die automatische Folge wäre, wenn der Erblasser die Substitution (nur) für den Fall der Kinderlosigkeit des Erben angeordnet hat (vgl Weiß in Klang III 392; 3 Ob 92/58 = SZ 31/47; Welser in Rummel³ Rz 4 zu § 617 ABGB). Mit der Anordnung „Meiner Erbin substituiere ich für den Fall, dass sie ohne eigene Kinder verstirbt, meinen Enkel" wird vielmehr der Tod der Erbin als Substitutionsfall mit der auflösenden Bedingung der Kinderlosigkeit definiert und damit letztwillig die Rechtsfolge des § 617 ABGB nachvollzogen.

Jede andere Auslegung verstößt krass gegen den Wortsinn der letztwilligen Anordnung und vermengt die Frage der Anordnung einer Nacherbschaft mit der Definition des Substitutionsfalls. Eine Anordnung mit dem Rechtsfolgewillen, dass nach der Tochter deren Kindern substituiert werde, hätte der Testator schon zufolge der Auslegungsregel des § 614 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0012555) unzweifelhaft zum Ausdruck bringen müssen. Vermutet wird eine Substitution nämlich im Zweifel nicht (vgl RIS-Justiz RS0012555 [T3]; vgl auch Welser aaO Rz 2 zu § 614 ABGB zur konkret hier vorliegenden Formulierung).

Die vom Rekursgericht herangezogenen Entscheidungen 6 Ob 275/03i und 7 Ob 8/04h hatten andere Sachverhalte zu beurteilen und sind insofern nicht einschlägig.

Infolge der nicht zu billigenden Auslegung der Substitutionsanordnung durch die Vorinstanzen wurde durch die bekämpften Beschlüsse unzulässigerweise das Verfügungsrecht der Erben beeinträchtigt.

Beide Revisionsrekurse waren daher berechtigt.

Die entsprechenden Verfügungen des Verlassenschaftsgerichts waren ersatzlos zu beseitigen.

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