OGH 9ObA32/14t

OGH9ObA32/14t29.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel und Dr. Klaus Mayr in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Dr. Gerd Rebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert: 3.200 EUR) sowie 145.859,62 EUR brutto zuzüglich 18.456,69 EUR netto abzüglich 76.602,63 EUR netto sA (Revisionsinteresse), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2014, GZ 7 Ra 58/13y‑83, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00032.14T.0429.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob im Einzelfall die Voraussetzungen für eine vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses ‑ hier durch die Klägerin wegen ungebührlicher Schmälerung des Entgelts iSd § 26 Z 2 AngG ‑ vorliegen, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298 [T4, T5]). Eine solche zeigt die Revision der Klägerin nicht auf:

1. Die Klägerin meint, sie sei nicht als leitende Angestellte anzusehen, weshalb sie Anspruch auf eine Überstundenvergütung habe. Damit übersieht sie, dass das Berufungsgericht den Anspruch deshalb verneinte, weil keine Überstundenleistungen der Klägerin feststellbar waren. Ob, wie von der Klägerin begehrt, § 273 ZPO anzuwenden gewesen wäre, ist eine verfahrensrechtliche Frage; wurde diesbezüglich eine Mangelhaftigkeit vom Berufungsgericht verneint, ist die Frage nicht mehr revisibel (RIS‑Justiz RS0040282 [T3, T7]). Auf die Qualifikation der Klägerin als einfache oder leitende Angestellte kommt es folglich nicht an.

2. Die Klägerin erachtet weiter die Vereinbarung eines zusätzlichen Urlaubs von zehn Tagen (bei einem dienstvertraglich vereinbarten Urlaubsanspruch von vier Wochen) für die Zeit einer Fortbildung als sittenwidrig. Festgestellt wurde, dass ihr der Geschäftsführer der Beklagten erklärt hatte, sie dafür nicht freizustellen, sondern sie dafür Urlaub in Anspruch nehmen müsse und ihr deshalb weitere zehn Arbeitstage Urlaub gewährt würden. Die Klägerin war damit einverstanden, weil sie die Ausbildung machen wollte. Berücksichtigt man, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nicht nur die Erholungsmöglichkeit, sondern ua auch Fortbildungsinteressen des Arbeitnehmers beachtlich sein können (s RIS‑Justiz RS0077250), so ist die Vereinbarung eines Urlaubsverbrauchs während einer selbstgewählten Fortbildung hier nicht als sittenwidrig anzusehen. Unter Zugrundelegung dieser Vereinbarung sowie des korrekten gesetzlichen Urlaubsanspruchs ergeben sich keine offenen Forderungen der Klägerin für nicht konsumierten Urlaub.

3. Die Klägerin begründet ihren vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis auch damit, dass ihr zwar der vereinbarte Nettolohn (1.800 EUR bzw 2.000 EUR zwölf Mal jährlich) zugeflossen sei, die Beklagte aus steuerlichen Gründen den Lohnabrechnungen aber auch Sonderzahlungen bei entsprechend geringer ausgewiesenem Nettolohn zugrunde gelegt habe.

Richtig ist zwar, dass eine (Netto‑)Lohnvereinbarung, die unter Ausschluss eines Anspruchs auf Sonderzahlungen getroffen wurde, vom Dienstgeber nicht einseitig zu Zwecken der Steuer- und Abgaben„schonung“ dahin uminterpretiert werden darf, dass der daraus resultierende Jahresgehalt auf geringere Monatsgehälter und (steuerbegünstigte) Sonderzahlungen aufgeteilt werden kann, birgt dies doch für den Arbeitnehmer die Gefahr, dass er auch bei der Sozialversicherung mit zu geringen Beträgen angemeldet wird. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Verhalten auch geeignet sein kann, einen vorzeitigen Austritt des Dienstnehmers aus dem Dienstverhältnis zu rechtfertigen (vgl zur Weigerung des Dienstgebers, den Dienstnehmer zur Sozialversicherung anzumelden, RIS‑Justiz RS0029069). Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass die Klägerin stets Gehaltsabrechnungen mit den von der Nettolohnvereinbarung abweichenden (niedrigeren) Nettobeträgen erhielt, sie Teile des vereinbarten Nettolohnes wie auch Prämienzahlungen viele Monate bar („schwarz“) entgegennahm und sie in ihren Zahlungsaufforderungen Ansprüche auf Überstundenentgelt, Urlaubsersatzleistung und selbst auf Sonderzahlungen geltend machte (Beil ./P), die sich alle als nicht berechtigt erwiesen, während sie die vereinbarten Nettobeträge jeweils erhalten hatte. In der Ansicht des Berufungsgerichts, dass die unrichtigen Lohnabrechnungen die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht unzumutbar machten und daher den vorzeitigen Austritt der Klägerin noch nicht rechtfertigten, ist danach aber keine so grobe Fehlbeurteilung zu sehen, dass sie in der vorliegenden Konstellation der Korrektur bedürfte.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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