OGH 1Ob46/14t

OGH1Ob46/14t27.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin S***** P*****, vertreten durch Mag. Doris Steinhausen, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner G***** P*****, vertreten durch den Verfahrenshelfer Mag. Andreas Treu, dieser vertreten durch Dr. Armin Bammer, beide Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. September 2013, GZ 45 R 300/13w‑38, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. Mai 2013, GZ 84 Fam 43/12h‑28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00046.14T.0327.000

 

Spruch:

Der Revisionrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht verfügte, dass die Antragstellerin anstelle des Antragsgegners in das Mietverhältnis über die vormalige Ehewohnung eintrete und die Einrichtungs‑ bzw Hausratsgegenstände in dieser Wohnung dem Antragsgegner verbleiben sollten.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragsgegners nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige. Den Revisionrekurs erklärte es über Zulassungsvorstellung des Antragsgegners gemäß § 63 Abs 1 AußStrG für zulässig, weil dieser mit dem Vorwurf, es sei von der Entscheidung 3 Ob 108/97x abgewichen, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung anspreche.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht zulässig, weil er keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG anspricht.

1. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS‑Justiz RS0079235 [T1]). Die Aufteilung hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage nur dann vorliegt, wenn das Rekursgericht seinen Ermessensspielraum in einer korrekturbedürftigen Weise überschritten hat (vgl RIS‑Justiz RS0113732; vgl RS0108755 [T1]).

2.1 Nach § 82 Abs 2 EheG ist eine Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat, in die Aufteilung einzubeziehen, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat (RIS‑Justiz RS0058398).

2.2 Der Antragsgegner wendet sich gar nicht gegen die Ansicht des Rekursgerichts, dass die Voraussetzungen für die Einbeziehung der von ihm vor Eheschließung angemieteten Wohnung in das Aufteilungsverfahren vorlägen. Diese Ansicht ist auch nicht zu beanstanden, weil die Antragstellerin weder Vermögen noch ein Einkommen hat und derzeit mit ihren aus der Ehe mit dem Antragsteller stammenden Kindern in einer betreuten Unterkunft für wohnungslose Personen des Fonds Soziales Wien lediglich befristet untergebracht ist.

2.3 Die Beiträge der Ehegatten iSd § 83 EheG wurden von den Vorinstanzen, vom Antragsgegner ebenfalls unbekämpft, gleich gewichtet, sodass es auch der Billigkeit entspricht, die Ehewohnung jenem Ehegatten zu überlassen, der darauf mehr angewiesen ist (RIS-Justiz RS0057733) und in dessen Haushalt die Kinder verbleiben (RIS‑Justiz RS0057621). Der Antragsgegner behauptet auch gar nicht, dass er zur Leistung einer Ausgleichszahlung an die Antragstellerin in der Lage wäre, mit der sich diese ohne unbillige Einschränkung der Wohnqualität eine Ersatzwohnmöglichkeit verschaffen könnte (vgl 9 Ob 4/04k; 5 Ob 20/05k).

3. Soweit sich damit überhaupt Fragen nach einem - im Gesetz nicht positivierten ‑ Optionsrecht (vgl dazu RIS-Justiz RS0057387; RS0057523) der Antragstellerin als des schuldlos geschiedenen Teils stellen, führen auch die vom Antragsgegner unter Berufung auf die Entscheidung 3 Ob 108/97x angeführten Grundsätze keineswegs zu dem von ihm gewünschten Ergebnis. Danach darf das dem schuldlosen Teil zustehende Optionsrecht zwar nicht dazu führen, dass der andere Teil wesentlich schlechter gestellt wird, weil der Optierende keine oder nur eine unverhältnismäßig niedrige Ausgleichszahlung leisten kann. Der an der Scheidung Schuldlose darf aber auch nicht in unzumutbare wirtschaftliche Bedrängnis geraten und Gefahr laufen, die Wohnung zu verlieren, auf die er angewiesen ist. Daher verliert nicht der Optierende sein Wahlrecht, wie der Antragsgegner meint, sondern der Ausgleichsbetrag ist so festzusetzen, dass der schuldlose Zahlungspflichtige wohl bestehen kann.

Nach der Rechtsprechung kann es dem Gebot der Billigkeit entsprechen, dass der Ehepartner, der die vormalige Ehewohnung erhält oder behält, den anderen Ehegatten bei der Beschaffung einer neuen Wohnmöglichkeit durch eine Geldzahlung unterstützt, auch wenn die Überlassung der Wohnung nicht mit einer Einräumung oder Übertragung des Eigentums oder eines dinglichen Rechts daran verbunden ist (vgl RIS-Justiz RS0057574, insb 1 Ob 237/98d = JBl 2000, 252 [ Deixler-Hübner ]). Hier ist aber die Besonderheit gegeben, dass die auf die Wohnung angewiesene Antragstellerin nicht nur über kein Einkommen und kein Vermögen verfügt, sondern auch keine Arbeitserlaubnis hat, weswegen die von den Vorinstanzen gefundene Lösung keine Überschreitung des ihnen bei der Beurteilung dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums darstellt. Die Problematik, dass auch der Antragsgegner durch die Zuweisung der vormaligen Ehewohnung an die Antragstellerin vor die Situation gestellt ist, sich eine Ersatzwohnung zu verschaffen, haben die Vorinstanzen ebenfalls ausreichend bedacht und zutreffend darauf verwiesen, dass er im Gegensatz zur Antragstellerin über ein Einkommen verfügt, das ihn grundsätzlich in die Lage versetzt, eine Ersatzwohnung zu finden.

4. Der Antragsgegner spricht in seinem Revisionsrekurs damit insgesamt keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG an, weswegen der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

5. Die Antragstellerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung zutreffend auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Ihr steht daher in sinngemäßer Anwendung des § 78 Abs 2 AußStrG der Ersatz für die Kosten im Zwischenstreit um die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu (1 Ob 207/13t).

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