OGH 7Ob239/13t

OGH7Ob239/13t19.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** H*****, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. November 2013, GZ 1 R 176/13b‑14, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 9. September 2013, GZ 38 Cg 18/13d‑9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei habe der klagenden Partei auf Grund und im Umfang des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungs-vertrags zu Polizze Nummer ***** Kundennummer *****, für die gerichtliche Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit der Verlassenschaft nach ihrer Mutter R***** R*****, gegenüber Mag. M***** R***** Deckungsschutz zu gewähren, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt 15.524,14 EUR (darin enthalten 2.159,17 EUR an USt und 2.533,60 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht seit 20. Februar 2004 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag samt dem Baustein „Erb‑ und Familienrecht“ im Sinn des Art 25 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 2001). Diese lauten auszugsweise wie folgt:

Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

[...]

3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. […]

Artikel 8

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;

[...]

1.4. alles zu vermeiden, was die Kosten unnötig erhöht oder die Kostenerstattung durch Dritte ganz oder teilweise verhindert; [...]

2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) von der Verpflichtung zur Leistung frei.

[...]

Am 16. Februar 2012 verstarb die Mutter der Klägerin, R***** R*****. Sie hinterließ neben der Klägerin noch zwei Söhne, Ing. K***** R***** und Mag. M***** R*****. Die Verlassenschaftsabhandlung unterblieb gemäß § 153 Abs 1 AußStrG; „de facto“ war kein Nachlassvermögen vorhanden.

Am 29. August 2012 ersuchte der Rechtsvertreter der Klägerin unter Anschluss eines Klagsentwurfs um Deckung der gerichtlichen Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Klägerin gegenüber Mag. M***** R*****. Im Klagsentwurf wurden zwei Geldschenkungen der Erblasserin an die Klägerin aus den Jahren 1990 und 1992 von insgesamt 10.490 EUR in Anrechnung gebracht. Bei einem erhöhten Nachlassvermögen von 4.479.535 EUR begehrte die Klägerin einen Schenkungspflichtteil von 736.100 EUR. Über weitere Zuwendungen von R***** R***** an die Klägerin (insbesondere den Erhalt einer Liegenschaft als Heiratsgut, die Schenkung eines neuen Volvos und die Schenkung einer weiteren Liegenschaft) wurde die Beklagte nicht informiert. Warum dieses Versäumnis unterlaufen ist, kann nicht festgestellt werden. Mit Schreiben vom 4. September 2012 lehnte die Beklagte die Versicherungsdeckung wegen Vorvertraglichkeit des Versicherungsvertrags ab, weil die Schenkung der Liegenschaft an Mag. M***** R***** bereits im Jahr 2000 erfolgt sei.

In einem weiteren Schreiben vom 5. Dezember 2012 gab die Klägerin ‑ ohne nähere Details zu schildern ‑ an, ein Zwölftel des ehemaligen Gesamtbesitzes erhalten zu haben und ersuchte zumindest um eine Kulanzlösung. Dieses Ersuchen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 ab. Sie bezog sich wieder auf die Vorvertraglichkeit und darauf, dass die Erfolgsaussichten im Pflichtteilsverfahren nicht abschätzbar seien. Da die Beklagte jedoch davon ausging, dass der Einwand der Vorvertraglichkeit berechtigt erhoben wurde, hätte sie die Deckung auch dann abgelehnt, wenn die Klägerin oder ihr Rechtsvertreter über sämtliche Zuwendungen der R***** R***** an die Klägerin berichtet hätte.

Die Klägerin begehrt Rechtsschutzdeckung für die gerichtliche Geltendmachung ihrer Pflichtteilsansprüche gegen Mag. M***** R*****. Mit notariellem Übergabsvertrag vom 29. Dezember 2000 habe die Mutter ihr damals noch verbliebenes Liegenschaftsvermögen dem Bruder der Klägerin, Mag. M***** R*****, geschenkt. In Anbetracht des Wertes dieser Liegenschaft zum Todestag der Mutter in Höhe von 4,4 Mio EUR habe die Klägerin mit Schreiben vom 13. Juli 2012 Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen ihren Bruder geltend gemacht und bei der Beklagten um Rechtsschutzdeckung angesucht. Die Beklagte habe jedoch eine Rechtsschutzdeckung wegen Vorvertraglichkeit abgelehnt, obwohl der Versicherungsfall erst mit der Nichtanrechnung der Geschenke und nicht schon mit dem Schenkungsvertrag selbst eintrete. Auch von einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach Art 8.1.1 ARB 2001 könne keine Rede sein. Die Klägerin habe in ihrem Klagsentwurf nur die Schenkungen, nicht aber ihre Vorempfänge angegeben. Allerdings habe sie im Schreiben vom 5. Dezember 2012 ihre Vorempfänge aus freien Stücken erwähnt, ohne dass die Beklagte zuvor zu diesem Punkt eine nähere Aufklärung gewollt habe. Ein allfälliger Verstoß gegen die Informationspflicht der Klägerin habe keinen Einfluss auf die Feststellung und den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten.

Die Beklagte bestreitet. Ein Deckungsanspruch sei wegen Vorvertraglichkeit nicht gegeben. Der tatsächliche Verstoß des Gegners der Klägerin sei bereits mit dem Abschluss des Übergabsvertrags erfolgt. Mit diesem Zeitpunkt gelte der Versicherungsfall als eingetreten. Erstmals mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 habe die Klägerin mitgeteilt, dass die Erblasserin bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Schenkungsvertrags mit dem Bruder der Klägerin ca ein Drittel ihrer Liegenschaften verkauft und davon ca 50 % an sie und ihren Bruder Ing. K***** R***** als Vorempfang oder Schenkung weitergegeben habe. Der Inhalt dieses Schreibens sei mit dem zur Genehmigung vorgelegten Klagsentwurf nicht in Einklang zu bringen, da die Klägerin dort lediglich Schenkungen von ‑ aufgewertet zum Todestag ‑ 10.490 EUR genannt habe. Die Klägerin habe daher gegen die Aufklärungsobliegenheit des Art 8 ARB 2001 verstoßen, was nach § 6 Abs 3 VersVG die Leistungsfreiheit des Versicherers bewirke. Die objektiv unrichtigen Angaben der Klägerin hätten unmittelbaren Einfluss auf die Leistungspflicht der Beklagten als Versicherer wie auch auf die Feststellung jener Umstände, die für die Leistungspflicht bedeutsam seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Abschluss des Schenkungsvertrags vom 29. Dezember 2000 stellte im Sinn des Art 2.3. ARB 2001 keinen Verstoß eines Beteiligten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften dar. Der mit Pflichtteilsklage geltend gemachte Verstoß des Gegners der Klägerin sei erst mit der Nichtanrechnung der Geschenke durch den Bruder bzw dessen Weigerung, den geforderten Pflichtteilsansprüchen zu entsprechen, eingetreten. Gehe man nun davon aus, dass die unvollständige Darstellung der Klägerin hinsichtlich der von ihrer Mutter erhaltenen unentgeltlichen Zuwendungen eine Obliegenheitsverletzung im Sinn des Art 8 ARB 2001 sei, sei der Klägerin der Beweis eines geringeren Schuldgrades als grobe Fahrlässigkeit nicht gelungen, weil nicht habe festgestellt werden können, warum ihr dieses Versäumnis unterlaufen sei. Da die Klägerin die Obliegenheit allerdings nicht mit dem Vorsatz verletzt habe, die Beklagte bei Beurteilung ihrer Leistungspflicht in die Irre zu führen, stehe ihr der Kausalitätsgegenbeweis offen. Dieser sei als erbracht anzusehen. Die Unvollständigkeit der Angaben der Klägerin habe keinen Einfluss auf die Feststellung der Leistungspflicht oder die Vorgehensweise der Beklagten gehabt, weil diese den Versicherungsschutz jedenfalls wegen des Einwandes der Vorvertraglichkeit abgelehnt hätte. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen werde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.

1.1 Die Klägerin begehrt Rechtsschutzdeckung aus der im Jahr 2004 mit der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung zur Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 785 Abs 1 und § 951 Abs 1 ABGB in einem Aktivprozess gegen ihren von der Erblasserin im Jahr 2000 beschenkten Bruder.

1.2 Für den Eintritt des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung bedarf es nach ständiger Rechtsprechung eines gesetz‑ oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort und ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Kern eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war. Es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangen, noch darauf, wann auf Grund des Verstoßes Ansprüche gemacht oder abgewehrt werden (RIS‑Justiz RS0114001, RS0114209, RS0114210).

1.3 Bei der Schenkungsanrechnung nach § 785 ABGB ist für die Bewertung auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen (RIS‑Justiz RS0012952). Dabei ist von der fiktiven Annahme auszugehen, dass die Schenkung unterblieben und die Sache in die Verlassenschaft gefallen wäre. Der Anspruch nach § 785 Abs 1 ABGB richtet sich gegen den Nachlass oder den Erben, jener nach § 951 Abs 1 ABGB aber gegen den Beschenkten und greift erst ein, wenn mit § 785 ABGB nicht auszukommen ist (7 Ob 248/11p mwN).

1.4 Bereits in der Entscheidung 7 Ob 236/08v, der ebenfalls ein Begehren auf Rechtsschutzdeckung zur Geltendmachung des Schenkungspflichtteils gegenüber dem Beschenkten zugrunde lag, sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass der den Versicherungsfall darstellende Gesetzesverstoß in der Nichtanrechnung der Geschenke ‑ dort im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens ‑ liege, obwohl der Beschenkte dazu gemäß § 785 ABGB zumindest potentiell verpflichtet gewesen wäre. Das heißt, der Gesetzesverstoß liegt in der Verweigerung der Geschenkanrechnung durch den Beschenkten bei Geltendmachung eines Schenkungspflichtteils durch den verkürzten Noterben, und ‑ entgegen der Ansicht der Beklagten ‑ nicht in der Schenkung selbst, bei deren Vornahme gar nicht feststeht, ob ein Schenkungspflichtteil zum Zeitpunkt des Erbanfalls überhaupt zum Tragen kommen wird.

1.5 Die dieser oberstgerichtlichen Rechtsprechung folgende Beurteilung der Vorinstanzen, Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Vorvertraglichkeit sei nicht gegeben, ist zutreffend.

2.1 Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS‑Justiz RS0116978). Den Versicherer trifft die Beweislast für das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung. Im Fall eines solchen Nachweises ist es dann Sache des Versicherungsnehmers, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (RIS‑Justiz RS0081313). Eine leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RIS‑Justiz RS0043728). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (RIS‑Justiz RS0116979). Nur der Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), verwirkt den Anspruch, und es ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0081253, RS0109766).

2.2 Bei der Bestimmung des Art 8.1.1. ARB 2001 handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzversicherers zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs 1 VersVG, wobei der Versicherungsschutz begehrende Versicherungsnehmer diese Auskünfte von sich aus, spontan und ohne konkretes Verlangen des Versicherers zu geben hat (RIS‑Justiz RS0105784). Durch die Aufklärung soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Es genügt, dass die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet ist (RIS‑Justiz RS0080703, RS0080833, RS0080205, RS0080203). Als einzige Einschränkung ist anerkannt, dass Obliegenheitsverletzungen, durch die nach menschlichem Ermessen die Interessen des Versicherers schon abstrakt in keiner Weise gefährdet werden können, außer Betracht bleiben, weil damit die Erfüllung der Obliegenheit zwecklos ist (7 Ob 34/87).

2.3 Dieser Auskunftsverpflichtung hat die Klägerin nicht genügt, weil sie in dem der Beklagten übermittelten Klagsentwurf die von der Erblasserin erhaltenen Zuwendungen unvollständig anführte. Selbst wenn ihr Rechtsvertreter auf dem Standpunkt stand, dass Vorempfänge - wie Heiratsgut - nicht anzurechnen seien, hätte die Klägerin jedenfalls die Angabe über die Schenkungen des Neuwagens und einer weiteren Liegenschaft nicht unterlassen dürfen.

Im Zusammenhang mit der aktiven Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen durch den Versicherungsnehmer sind vollständige Angaben über die erhaltenen Zuwendungen für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam. Für den Umfang der Leistungspflicht ist es nämlich wesentlich, ob dem Begehren der Schenkungspflichtteilsklage bereits zu Lebzeiten erhaltene Zuwendungen entgegengehalten werden können. Derartige Zuwendungen wirken sich jedenfalls zumindest abstrakt auf die Erfolgsaussichten im Pflichtteilsergänzungsverfahren aus, weil wegen anrechenbarer Zuwendungen die Klage auf den Schenkungspflichtteil (gänzlich oder teilweise) aussichtslos sein kann.

Dass dies der Klägerin ohnedies bekannt war, zeigt der Umstand, dass sie erhaltene Geldzuwendungen angab. Die Unvollständigkeit der Angaben stellt einen Verstoß gegen die die Klägerin treffende Auskunftsverpflichtung dar. Da der Grund für das Versäumnis nicht festgestellt werden konnte, ist der Klägerin der Nachweis leichter Fahrlässigkeit nicht gelungen.

2.4 Die Beklagte beruft sich nicht auf die Unzulässigkeit des Kausalitätsgegenbeweises infolge Vorliegens von dolus coloratus. Sie wendet aber ein, dass die Klägerin den Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht habe.

Der Versicherungsnehmer hat den Beweis der fehlenden Kausalität seiner Obliegenheitsverletzung strikt zu führen; es ist nicht etwa nur die Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs darzutun (RIS‑Justiz RS0079993, RS0081313).

Die Vorinstanzen sehen den Kausalitätsgegenbeweis als erbracht an, weil die Unvollständigkeit der Angaben der Klägerin keinen Einfluss auf die Vorgehensweise der Beklagten gehabt hätte, die den Versicherungsschutz hier ohnedies wegen Vorvertraglichkeit ablehnte. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen stellt sich aber die Frage, ob die Unvollständigkeit der Angaben tatsächlich Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht hat. Ausgehend von den getroffenen Negativfeststellungen zum Wert der nicht unbeachtlichen Geschenke (Neuwagen, Liegenschaft) ist der Klägerin der Nachweis nicht gelungen, dass diese den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten nicht beeinflussten.

Der Revision ist daher Folge zu geben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Bei den für die Revision verzeichneten Kosten war ein Rechenfehler zu korrigieren.

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