OGH 6Ob16/14t

OGH6Ob16/14t13.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen A***** M*****, geboren am *****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie ‑ Rechtsvertretung Bezirke 17, 18, 19, 1190 Wien, Gatterburggasse 14, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. November 2013, AZ 42 R 403/13w, 42 R 404/13t womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 29. März 2011, GZ 7 Pu 7/11a‑10, ersatzlos behoben und der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 30. Juni 2011, GZ 7 Pu 57/11a‑15, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00016.14T.0313.000

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben und der Rekurs des Kindesvaters, soweit er sich gegen die Bestellung des Zustellkurators (ON 10) richtet, als verspätet zurückgewiesen.

Soweit sich der Rekurs des Kindesvaters gegen die Unterhaltsfestsetzung richtet, wird dem Erstgericht die Entscheidung über den als Abänderungsantrag zu wertenden Rekurs aufgetragen.

 

Begründung:

Der Minderjährige begehrt Unterhalt beginnend mit 1. 3. 2008 sowie vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO. Der Vater verfüge als gut verdienender Manager im Boxsport über ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von zumindest 4.500 EUR und habe keine weiteren Sorgepflichten.

Mit Beschluss vom 8. 3. 2011 verpflichtete das Erstgericht den Kindesvater zur Zahlung eines vorläufigen Unterhaltsbetrags von 112,70 EUR ab 2. 3. 2011. Gleichzeitig wurde dem Kindesvater die Möglichkeit eingeräumt, sich zum Unterhaltsantrag seines Sohnes schriftlich binnen zwei Wochen zu äußern.

Weder der Beschluss über den vorläufigen Unterhalt noch die Aufforderung zur Äußerung konnten dem Kindesvater an der bisherigen aktenkundigen Anschrift wirksam zugestellt werden. Die geschiedene Gattin des Kindesvaters retournierte die Schriftstücke mit dem Hinweis, dass ihr geschiedener Mann dort nicht mehr lebe. Sie habe zwar versucht, ihn telefonisch zu kontaktieren, ihn jedoch nicht erreicht. Ihres Wissens befinde er sich derzeit in Usbekistan.

Eine Melderegisteranfrage ergab eine nicht mehr aktuelle Anschrift in 1160 Wien. Laut Versicherungsdatenauszug war der Kindesvater seit 2009 in der Krankenversicherung selbst versichert.

Daraufhin bestellte das Erstgericht Rechtsanwalt Dr. Rainer W. Böhm zum Zustellkurator gemäß § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG. Dieser äußerte sich zum Unterhaltsantrag dahingehend, dass ihm das durchschnittliche Nettoeinkommen des Vaters unbekannt sei. Aus anwaltlicher Vorsicht beantrage er, den Unterhalt maximal in Höhe des zweifachen Regelbedarfs festzusetzen.

In der Sache selbst verpflichtete das Erstgericht den Kindesvater mit Beschluss vom 30. 6. 2011 zur Zahlung eines gestaffelten monatlichen Unterhaltsbetrags, hob die einstweilige Verfügung mit Rechtskraft des Beschlusses auf und bestimmte die Kosten des Zustellkurators.

Gegen diese Beschlüsse erhob der Kindesvater Rekurs. Das Erstgericht habe keinerlei Erhebungen zur Eruierung seines Aufenthaltsorts getätigt. Seine Adresse sei der Mutter des Minderjährigen bekannt gewesen. Auch sei aufgrund des Schreibens seiner Exgattin darüber hinaus davon auszugehen, dass auch diese seine genaue Adresse kenne. Es treffe auch nicht zu, dass er als Manager im Boxsport ein Nettoeinkommen von 4.500 EUR beziehe. Tatsächlich arbeitete er in Usbekistan für ein monatliches Beratungshonorar von 500 EUR 12 x jährlich.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, hob den Beschluss über die Bestellung des Zustellkurators ersatzlos auf und trug dem Erstgericht in der Sache selbst die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Im Falle einer fehlerhaften Kuratorbestellung nach § 116 ZPO bzw § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG sei kein Verfahren nach §§ 529 ff bzw §§ 72 ff AußStrG erforderlich. Im Hinblick auf das zur Begründung der Entscheidung 1 Ob 6/01s herangezogene Argument der Notwendigkeit einer Prüfung in einem längeren Verfahren sei es gerechtfertigt, den Eintritt der formellen Rechtskraft bei evidenten Fehlern der Bestellung des Zustellkurators zu verneinen. Wenngleich vor der Bestellung eines sogenannten Zustellkurators keine sehr umfangreichen Erhebungen durchgeführt werden müssten, seien doch alle bekannten oder naheliegenden und auf leicht erreichbare Weise zu ermittelnden Anhaltspunkte zur zumutbaren Ausforschung des Abwesenden auszuschöpfen, insbesondere leicht erreichbare Angehörige, Wohnungsgenossen, Angestellte des Abwesenden etc über dessen Aufenthalt zu befragen. Im Hinblick auf die unzureichenden Erhebungen vor der Kuratorbestellung und die nunmehrige Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch den Vater sei der Beschluss über die Bestellung des Zustellkurators ersatzlos aufzuheben.

Der Beschluss über die Festsetzung des Unterhalts sei gleichfalls aufzuheben. Die Exgattin des Kindesvaters habe nicht den Unterhaltsfestsetzungsantrag samt Aufforderung zur Äußerung übernommen, sodass das rechtliche Gehör des Vaters jedenfalls verletzt worden sei. Auch sei eine Bestätigung oder Abänderung des Beschlusses ohne weitere Erhebungen nicht möglich.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof über die Frage, inwieweit die Judikatur des verstärkten Senats auch auf eine allenfalls fehlerhafte Kuratorbestellung anzuwenden ist, bisher noch nicht entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig.

1.  Der Minderjährige rügt in seinem Revisionsrekurs ausschließlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Frage, ob das Erstgericht die erforderliche Mindesterhebung für die Kuratorenbestellung vorgenommen hat. Dabei handelt es sich jedoch um eine Einzelfallentscheidung, welche nur bei groben Auslegungsfehlern oder einer eklatanten Ermessensüberschreitung überprüfbar ist (RIS‑Justiz RS0036476 [T4]; RS0044088). Dieser Grundsatz gilt auch für das AußStrG (RIS‑Justiz RS0044088 [T14]). Ein solcher grober Auslegungsfehler ist im vorliegenden Fall ebenso wenig ersichtlich wie eine eklatante Ermessensüberschreitung durch das Rekursgericht.

2.1.  Allerdings ist aus Anlass des Revisionsrekurses von Amts wegen die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0041896 [T7]).

2.2.  Die sachliche Erledigung eines verspäteten Rekurses durch das Rekursgericht begründet wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses Nichtigkeit. Dies ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass eines rechtzeitigen Revisionsrekurses von Amts wegen wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0122081).

3.1.  Die § 116 ZPO nachgebildete Bestimmung des § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG sieht die Bestellung eines Kurators vor, wenn zuvor erfolglos versucht wurde, den Aufenthalt des Betreffenden zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0036476 [T7]). Dabei sind zumutbare, wenngleich auch nicht sehr umfangreiche Erhebungen über den momentanen Aufenthaltsort des Zustellempfängers, insbesondere bei Verwandten und sonstigen Personen zu pflegen, die üblicherweise vom Aufenthalt einer Person Kenntnis haben. Auch naheliegende Nachforschungen bei ausländischen Behörden können geboten sein (RIS‑Justiz RS0036476 [T2]). Ein unbekannter Aufenthalt ist auch dann gegeben, wenn nicht nur der Antragsteller keine Kenntnis vom derzeitigen Aufenthaltsort seines Gegners hat, sondern wenn er auch im Personenkreis unbekannt ist, der üblicherweise davon Kenntnis hat, wie etwa Verwandte, Verschwägerte etc. Daher sind etwa Erhebungen bei den dem Antragsteller bekannten Eltern der Lebensgefährtin des Abwesenden zumutbar (RIS‑Justiz RS0049217 [T1]). Nur wenn aufgrund der Sachlage Nachforschungen bzw Erhebungen von vornherein wenig aussichtsreich bzw nicht erfolgversprechend sind, ist eine Kuratorenbestellung auch ohne diese möglich (RIS‑Justiz RS0036476 [T3]).

3.2.  Der bloße Umstand, dass eine Partei im Ausland wohnt oder auf unbestimmte Zeit in das Ausland verreist ist, stellt noch keinen Grund für eine Kuratorbestellung dar, sofern nicht nach den Umständen des Falls mit einer Rückkehr in absehbarer Zeit gerechnet werden kann und der Verreiste nirgends erreicht werden kann. Dies ist aus den Feststellungen des Erstgerichts aber nicht abzuleiten.

3.3.  Waren die Voraussetzungen für eine Bestellung eines Kurators nach §§ 115 f ZPO nicht gegeben, so ist die Bestellung und das mit dem Kurator durchgeführte Verfahren nichtig. Dies gilt auch dann, wenn keine ausreichenden Nachforschungen betrieben wurden (LGZ Wien EfSlg 105.751).

4.1.  Die vom Rekursgericht für erforderlich angesehenen weiteren Erhebungen erscheinen im Sinne der zitierten Rechtsprechung durchaus zweckmäßig. Eine Kontaktaufnahme mit dem Vertreter des Kindesvaters im Abstammungsverfahren, eine Anfrage an die Wiener Gebietskrankenkasse sowie Nachforschungen bei der Exgattin sind durchaus zumutbar und lagen aufgrund der Aktenlage nahe. Diese Nachforschungen schienen auch nicht von vornherein aussichtslos (RIS‑Justiz RS0036476 [T3]).

4.2.  Damit fehlten ‑ wie das Rekursgericht insoweit zutreffend erkannte ‑ im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bestellung eines Zustellkurators. Zu prüfen ist daher, ob diese Nichtigkeit vom Kindesvater mit Rekurs oder mit Abänderungsantrag geltend zu machen war.

5.1.  Nach der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 6/01s ist unter Rechtskraft im Sinne des § 529 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO sowie des § 534 Abs 2 Z 2 und Abs 3 ZPO die formelle Rechtskraft zu verstehen, die auch dann eintritt, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei nicht erkannt wurde. Die Partei, die ihre Prozessunfähigkeit behauptet, kann mit dem ihr zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmittel den Nichtigkeitsgrund geltend machen. Ist die Rechtsmittelfrist verstrichen, daher die formelle Rechtskraft eingetreten, kann sie spätestens vier Wochen nach der ‑ jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung bildenden ‑ Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter durch diesen Nichtigkeitsklage aus dem Grund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO erheben (RIS‑Justiz RS0116036).

5.2.  In der vor der Entscheidung des verstärkten Senats ergangenen Entscheidung 1 Ob 714/84 hatte der Oberste Gerichtshof für den Fall einer nichtigen Kuratorbestellung und damit auch Nichtigkeit des nachfolgenden Verfahrens die Auffassung vertreten, dass Mangels wirksamer Bestellung des Kurators die Rechtsmittelfrist mit Zustellung der Beschlussausfertigung an die Partei in Gang gesetzt worden sei.

6.1.  Nach Dokalik/Trauner , RZ 2005, 214 ff, ist aber fraglich, ob diese Rechtsprechung nach der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 6/01s noch aufrecht erhalten werden kann. Im Sinne der Entscheidung 1 Ob 714/84 könne nur vorgegangen werden, wenn dem Prozessgericht formelle Fehler unterlaufen seien, also nach § 8 ZustG vorzugehen gewesen wäre oder gegen die Vorschriften der §§ 117 f ZPO (Aufnahme in die Ediktsdatei) verstoßen worden sei. Nur dann liege ein „evidenter“ Zustellmangel vor, der eine Nichtigkeitsklage unzulässig mache, weil die Zustellung zu wiederholen sei. In allen anderen Fällen müsse die Entscheidung jedoch rechtskräftig werden und mit einer Nichtigkeitsklage gegen diese vorgegangen werden.

6.2.  Nach Stumvoll in Fasching/Konecny ² ErgBd § 116 ZPO Rz 52 S 133 liegen im Fall der Nichtigkeit der Kuratorbestellung im Verfahren nach § 116 ZPO und dem Nichterkennen der Prozessunfähigkeit ähnliche Vertretungsmängel vor. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs trete durch die Nichtbeiziehung der Partei selbst ein. Die Partei könne den Nichtigkeitsgrund während des Verfahrens mit den zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmitteln aufgreifen; nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist könne wegen des Eintritts der formellen Rechtskraft Nichtigkeitsklage erhoben werden. Bei evidenten Bestellungsfehlern, welche reinen Zustellfehlern sehr nahe stünden, solle der Eintritt der formellen Rechtskraft jedoch verneint werden, auch wenn die Vertretungsmacht des Kurators durch den nichtigen Bestellungsbeschluss begründet werde.

6.3.  Nach Gitschthaler in Rechberger , ZPO³ §§ 116 ‑ 119 Rz 7 f ist bei fehlerhafter Kuratorbestellung diese sowie das vom Kurator durchgeführte Verfahren in dem Sinne nichtig, dass diese zwar rechtswirksam und bis zu seiner Beseitigung auch zu beachten sei, aber vernichtbar sei, wenn das Gericht oder der Antragsteller notwendige Nachforschungen oder Erhebungen nicht angestellt haben. Die Partei könne den Bestellungsbeschluss anfechten, sofern die Rekursfrist noch nicht abgelaufen sei. Diese beginne bereits mit der Zustellung an den Kurator zu laufen. Ansonsten stehe nur die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage gegen die das Verfahren erledigende Entscheidung offen.

7.1.  Diese Grundsätze sind auf das AußStrG übertragbar, weil § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG dem § 116 ZPO nachgebildet ist. Hier liegt auch nicht der Sonderfall einer übergangenen nicht aktenkundigen Partei (§ 46 AußStrG) vor.

7.2.  Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 1 Ob 155/10s (SZ 2010/132) ausgesprochen, dass die fehlende gesetzliche Vertretung als Folge einer behaupteten gesetzwidrigen Bestellung des Abwesenheitskurators jener Fallkonstellation, die der Beurteilung des verstärkten Senats unterlag, durchaus vergleichbar ist. Daher stehe in diesem Fall nur nach Rechtskraft der Entscheidung der Abänderungsantrag offen; der Rekurs sei hingegen ausgeschlossen. Im Hinblick auf dieses Ergebnis sei es nicht erforderlich, die Fragen zu beantworten, ob die Bestellung des Abwesenheitskurators im vorliegenden Fall tatsächlich gesetzwidrig gewesen sei oder die Verfahrensführung nachträglich genehmigt worden sei.

7.3.  Dieser Auffassung hat sich auch die Literatur angeschlossen ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 73 Rz 13 aE).

8.1.  Im vorliegenden Fall stand daher wegen Verstreichens der Rekursfrist dem Kindesvater nur mehr der Abänderungsantrag gegen die Sachentscheidung offen. Die bloße Bestellung des Zustellkurators nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG ist demgegenüber kein Beschluss über die Sache; hinsichtlich eines solchen Beschlusses ist ein Abänderungsantrag unzulässig (LG Linz EFSlg 132.797; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 5 Rz 26).

8.2.  Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf zu verweisen, dass die in 7.2. wiedergegebene Rechtsprechung für Fallkonstellationen nicht gilt, in denen das Gesetz ‑ wie etwa im Grundbuch‑ und Firmenbuchverfahren ‑ den Abänderungsantrag ausschließt, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 6 EMRK) aber eine Möglichkeit erfordert, sich wirksam am Verfahren zu beteiligen. In diesem Fall ist daher weiterhin ‑ wie schon nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des AußStrG BGBl I 2003/111 ‑ an dem Grundsatz festzuhalten, dass die Zustellung an einen zu Unrecht bestellten Zustellkurator die Rechtsmittelfrist noch nicht auslöst (1 Ob 714/84; vgl zur vergleichbaren Situation der Zustellung an eine prozessunfähige Partei RIS‑Justiz RS0122203; vgl auch Jelinek , Anm zu 1 Ob 155/10s, ÖJZ 2011, 316 [317]).

9.1.  Damit ist aber hinsichtlich des vom Kindesvater verfolgten Rechtsschutzziels zu unterscheiden: Die Bestellung des Zustellkurators ist keine Sachentscheidung; insoweit besteht daher auch für deren Bekämpfung mittels Abänderungsantrags kein Raum (§ 73 Abs 1 AußStrG e contrario). Daher kommt auch eine Umdeutung des Rekurses in einen Abänderungsantrag nicht in Betracht.

9.2.  Insoweit erfordert auch Art 6 EMRK nicht, die Rekursfrist nicht schon mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den Zustellkurator, sondern erst mit Zustellung an den Abwesenden beginnen zu lassen. Hier ist nämlich zu beachten, dass die Bestellung des Abwesenheits- bzw Zustellkurators nach § 117 Abs 1 Satz 2 ZPO nur bis zum eigenen Auftreten des Vertretenen oder Namhaftmachung eines Bevollmächtigten durch ihn gilt. Damit hat es aber der Abwesende jederzeit in der Hand, durch eigenes Auftreten die Befugnis des Abwesenheits‑ bzw Zustellkurators zum Erlöschen zu bringen. Insoweit liegt daher kein die Anwendung der Rechtsschutzgarantien des Art 6 EMRK erfordernder „Streit“ über die zivilrechtliche Rechtsstellung des Abwesenden vor. Die Berechtigung der seinerzeitigen Bestellung des Zustell- bzw Abwesenheitskurators kann ohnedies im Wege des Abänderungsantrags gegen die Sachentscheidung überprüft werden.

9.3.  Damit hat das Rekursgericht aber trotz Verstreichens der Rekursfrist eine Sachentscheidung über den Rekurs getroffen. Aus diesem Grund war die Entscheidung des Rekursgerichts als nichtig aufzuheben und der Rekurs des Kindesvaters, soweit er sich gegen die Bestellung des Zustellkurators richtet, als verspätet zurückzuweisen.

9.4.  Anderes gilt für den Rekurs des Kindesvaters, soweit sich dieser gegen die Unterhaltsbemessung richtet: Eine bloße Fehlbezeichnung schadet nicht (vgl § 84 Abs 2 Satz 2 ZPO). In diesem Sinne ist es daher nicht ausgeschlossen, den Rekurs des Kindesvaters gegen die Unterhaltsfestsetzung als Abänderungsantrag im Sinne des § 73 AußStrG umzudeuten. Ob es dabei gegebenenfalls noch einer Ergänzung des Vorbringens bedarf, bleibt der Beurteilung durch das Erstgericht anheim gestellt. Nur durch diese Umdeutung kann verhindert werden, dass sich die noch nicht eindeutig geklärte Abgrenzung zwischen den Rechtsbehelfen des Rekurses einerseits und des Abänderungsantrags andererseits zum Nachteil des Kindesvaters auswirkt. Daher war insoweit ‑ unter Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichts ‑ dem Erstgericht die Entscheidung über den als Abänderungsantrag zu wertenden Rekurs aufzutragen.

10.  Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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