OGH 4Ob216/13p

OGH4Ob216/13p20.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A***** E*****, vertreten durch Gheneff ‑ Rami ‑ Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Oktober 2013, GZ 5 R 161/13b‑9, womit der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 8. Juli 2013, GZ 39 Cg 28/13f‑5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin, deren Aussehen aufgrund einer in den Medien erörterten Beziehung mit einem Spitzenpolitiker bekannt ist, wendet sich gegen die Veröffentlichung ihrer Abbildung in der Zeitung der Beklagten. Diese hatte den ‑ von der Klägerin nicht bestrittenen ‑ Umstand erörtert, dass der Politiker einen Nebenwohnsitz in einer von der Klägerin gemieteten „Luxusvilla“ begründet habe, was aus mehreren Gründen politisch zu hinterfragen sei. Diesen Artikel hatte die Beklagte mit einer Abbildung des Politikers und der Klägerin sowie mit drei (kleinen) Fotos der Villa und ihrer Umgebung illustriert. Dabei hatte sie auch die Gemeinde, nicht aber die konkrete Anschrift des Anwesens genannt.

Die Klägerin sieht durch diese Berichterstattung ihre Wohnverhältnisse offengelegt, was in ihren höchstpersönlichen Lebensbereich iSv § 7 MedienG eingreife. Daher sei die Bildnisveröffentlichung nach § 78 UrhG unzulässig.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag mit ausführlicher Begründung ab. Zwar greife der Bericht in die Privatsphäre der Klägerin ein und verletzte daher berechtigte Interessen; der höchstpersönliche Lebensbereich sei aber nicht berührt. Daher müsse das Interesse der Klägerin am Unterbleiben der Veröffentlichung mit jenem der Beklagten und der Öffentlichkeit an der Berichterstattung abgewogen werden. Diese Interessenabwägung führe aus näher dargestellten Gründen zur Zulässigkeit der Veröffentlichung.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Das von der Beklagten veröffentlichte Bild der Klägerin ist als solches unbedenklich. Bei der Anwendung von § 78 UrhG ist allerdings nicht nur das Bild für sich allein, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen zu beurteilen, in den es gestellt wird (RIS-Justiz RS0078077). Dabei ist insbesondere der Begleittext zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0078088 [T5]; RS0077782 [T3, T4, T5]). Darunter fällt nicht nur der dem Bild unmittelbar beigegebene Text (4 Ob 89/92 = ecolex 1993, 159 - Macht und Magie); es ist auch nicht notwendig, dass im Text auf das Bild hingewiesen wird (4 Ob 122/88 ‑ MR 1989, 52 ‑ Roter Baron II). Entscheidend ist vielmehr, dass der Leser den Text auf die abgebildete Person bezieht (4 Ob 250/99i = MR 2000, 91 ‑ Affäre R; 4 Ob 167/06x = MR 2006, 370). Das Rekursgericht hat sich daher zutreffend mit der gesamten Gestaltung des Artikels befasst, in dessen Rahmen das Bild der Klägerin erschienen ist.

2. Richtig ist, dass die Wertungen des Medienrechts bei bei der Auslegung von § 78 UrhG zu berücksichtigen sind (4 Ob 184/97f = SZ 70/183 ‑ Ernestine F; RIS-Justiz RS0074824 [T1]); das gilt insbesondere für den hier strittigen Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs iSv § 7 MedienG (4 Ob 233/08f = MR 2009, 135 - Fiona G). Die Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten iSv § 78 UrhG folgt jedoch nicht aus einer schematischen Anwendung dieser Bestimmung. Sie ergibt sich vielmehr aus der (auch) darin ausgedrückten Wertung des Gesetzgebers, dass jedenfalls die Intimsphäre einer Person grundsätzlich jeder Erörterung in der Öffentlichkeit entzogen ist (6 Ob 266/06w = MR 2007, 73 ‑ Mordzeuge; 4 Ob 233/08f ‑ Fiona G).

3. Der „höchstpersönliche Lebensbereich“ bildet den Kernbereich der geschützten Privatsphäre und ist daher einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Er ist nicht immer eindeutig abgrenzbar, erfasst aber jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie (4 Ob 150/08z = MR 2008, 346 ‑ Julius M mwN; RIS-Justiz RS0122148).

4. Es ist im Einzelfall nicht ausgeschlossen, dass auch eine Darstellung von Wohnverhältnissen wegen des dadurch möglichen Rückschlusses auf die Persönlichkeit des Bewohners diesen Kernbereich berührt. Das trifft aber nicht zu, wenn eine Zeitung ‑ wie hier ‑ ohne Abbildung des Wohnungsinneren oder einer privaten Szene und in nicht reißerischer Weise ‑ also nicht bloßstellend iSv § 7 Abs 1 MedienG (vgl 15 Os 175/08m = MR 2009, 11 [Zöchbauer] ‑ Müllkinder II; RIS-Justiz RS0124514) ‑ über Tatsachen berichtet, deren Richtigkeit nicht bestritten ist. In einem solchen Fall besteht zwar ebenfalls ein berechtigtes Interesse der Klägerin, dass die (wenngleich nur ungefähre) Lage und das äußere Erscheinungsbild der von ihr bewohnten Villa nicht öffentlich gemacht werden (Art 8 EMRK). Dieses Interesse ist aber, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse der Beklagten (Art 10 EMRK) an der Berichterstattung abzuwägen (4 Ob 166/10f = MR 2011, 16 ‑ Tiroler Top‑Polizist; 4 Ob 101/12z = MR 2013, 115 ‑ Polizist des Jahres I; allgemein zur Interessenabwägung RIS-Justiz RS0078088 [insb T2]). Dabei handelt es sich um eine Beurteilung des Einzelfalls, die im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft.

5. Eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor: Das Rekursgericht hat sich ausführlich mit der konkreten Gestaltung des Artikels und mit den widerstreitenden Interessen der Parteien auseinandergesetzt. Von Bedeutung ist insbesondere, dass die Klägerin zuvor selbst ihre Beziehung zum Politiker und die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung öffentlich gemacht hatte; weiters der Umstand, dass der Bericht in erster Linie den Partner der Klägerin betraf und durch den Hinweis auf das Auseinanderklaffen von Sein und Schein eine eindeutig politische Zielrichtung hatte. Der Artikel trug daher zu einer öffentlichen Debatte bei, die im Interesse der Allgemeinheit lag. Die Bezugnahme auf die Klägerin war dabei erforderlich, weil nicht der Politiker, sondern sie die Wohnung gemietet hatte; ihr Aussehen war ohnehin bekannt, sodass die (neuerliche) Veröffentlichung ihres Bildes als solche keine Interessen verletzte. Unter diesen Umständen ist die Auffassung des Rekursgerichts, dass das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin überwiege, jedenfalls vertretbar.

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