OGH 4Ob233/08f

OGH4Ob233/08f24.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fiona ***** G*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 4. März 2008, GZ 30 R 46/07s-17, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Die Vorinstanzen haben der Beklagten nach § 78 UrhG untersagt, Lichtbilder der in der Öffentlichkeit bekannten Klägerin ohne deren Einwilligung zu veröffentlichen, wenn im Begleittext wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufgestellt oder verbreitet werde, die Klägerin sei schwanger gewesen und habe eine Fehlgeburt erlitten. Ein Begehren auf Veröffentlichung dieses Urteils und auf Schadenersatz iSv § 87 Abs 2 UrhG haben sie abgewiesen. Den Revisionen beider Streitteile gelingt es nicht, eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSv § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

2. Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein medienrechtlich unzulässiger Begleittext in jedem Fall dazu führe, dass eine damit in Zusammenhang stehende Bildveröffentlichung berechtigte Interessen des Abgebildeten iSv § 78 UrhG verletze. Weiters habe das Berufungsgericht die Frage der Wiederholungsgefahr krass falsch beurteilt. Die Beklagte habe anlässlich der Veröffentlichung eines wegen derselben Berichterstattung ergangenen Urteils nach § 7 MedienG eine Unterlassungserklärung im Sinn des hier zu beurteilenden Klagebegehrens ausgestrahlt und auch sonst einen ernstlichen Sinneswandel kundgetan.

Rechtliche Beurteilung

2.1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Ausstrahlung des Lichtbilds greife in berechtigte Interessen der Klägerin ein, ist nicht zu beanstanden.

2.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verbreitung des Bildes eines Politikers oder einer - wie hier - sonst allgemein bekannten Person nicht schrankenlos zulässig. Auch solche Personen haben einen Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nimmt. Daher ist auch die Intimsphäre dieser Personen geschützt und die Verbreitung von Bildern unzulässig, die entstellend wirken oder den Abgebildeten im Zusammenhang mit dem Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben oder mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen er nichts zu tun hat (4 Ob 100/94 = ÖBl 1995, 233 - Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus; 4 Ob 121/08k; RIS-Justiz RS0077903 [T1]). Auch eine Person, für deren Leben sich breite Bevölkerungskreise interessieren und die immer wieder Gegenstand von Medienberichten ist, hat Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert wird (4 Ob 165/03y = ÖBl 2004, 89 - Pinkelprinz; zuletzt etwa 4 Ob 121/08k = MR 2008, 289 - Eheprobleme [Korn]; 4 Ob 150/08z und 4 Ob 165/08f).

2.1.2. Nach dieser Rechtsprechung kann die Veröffentlichung von Lichtbildern auch dann gegen § 78 UrhG verstoßen, wenn sie als solche unbedenklich sind, dh wenn sie den Abgebildeten weder entstellen noch Vorgänge wiedergeben, die seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sind. Es genügt, dass der Abgebildete durch den Begleittext mit Vorgängen in Verbindung gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat, oder der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Letzteres wird regelmäßig zutreffen, wenn Lichtbilder zur Illustration eines Berichts über den höchstpersönlichen Lebensbereich des Abgebildeten verwendet werden (4 Ob 220/99b = MR 2000, 90 - Verhältnis des Peter R; 4 Ob 150/08z).

2.1.3. Ein solcher Bericht verstößt im Regelfall auch gegen § 7 MedienG. Die Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten iSv § 78 UrhG folgt jedoch nicht, wie die Revision unterstellt, aus einer schematischen Anwendung dieser Bestimmung. Sie ergibt sich vielmehr aus der (auch) darin ausgedrückten Wertung des Gesetzgebers, dass die Intimsphäre einer Person grundsätzlich jeder Erörterung in der Öffentlichkeit entzogen ist (6 Ob 266/06w = MR 2007, 73 - Mordzeuge). Damit besteht im Regelfall auch ein berechtigtes Interesse des Betroffenen, nicht im Zusammenhang mit einer solchen Erörterung abgebildet zu werden. Das gilt auch dann, wenn er in anderem Zusammenhang Tatsachen aus seinem höchstpersönlichen Lebensbereich preisgegeben hat (4 Ob 150/08z).

2.2. Ob dem Störer der Beweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr gelungen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher im Regelfall keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf (RIS-Justiz RS0042818).

Eine gravierende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Denn es ist als Indiz für das Weiterbestehen der Wiederholungsgefahr zu werten, wenn der Beklagte seine Unterlassungspflicht im Prozess bestreitet (RIS-Justiz RS0012055); ein solches Verhalten schadet nur dann nicht, wenn der Beklagte dem Kläger einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Handlungen künftig Abstand zu nehmen (4 Ob 13/94 = ÖBl 1994, 227 - Ritter/knight; RIS-Justiz RS0012055 [T9]).

Auf dieser Grundlage ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die von der Beklagten behaupteten Umstände - insbesondere die Abgabe einer Unterlassungserklärung, die weder strafbewehrt war noch eine Zwangsvollstreckung ermöglichte - nicht ausreichten, um die Vermutung der Wiederholungsgefahr wegfallen zu lassen.

3. Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Wertungen des Medienrechts auch für die Ermittlung der berechtigten Interessen an der Urteilsveröffentlichung iSv § 85 Abs 1 UrhG heranzuziehen seien.

3.1. Der Senat hat auch nach dem Inkrafttreten des Mediengesetzes

daran festgehalten, dass Zweck der Urteilsveröffentlichung nach § 85

Abs 1 UrhG allein die Aufklärung der Öffentlichkeit über einen

bestimmten Gesetzesverstoß sei, dessen Publizität auch in Zukunft

noch nachteilige Folgen befürchten lasse; an der bloßen Information

der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit einer Veröffentlichung

bestehe kein berechtigtes Interesse (4 Ob 360/86 = MR 1988, 125 [krit

Walter] - Heeresnachrichtenamt; 4 Ob 112/92 = MR 1993, 61 [insofern

zust Walter] - Austria-Boss; vgl Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung3 [2006] Rz 214 mwN). Die Urteilsveröffentlichung muss daher geeignet sein, falsche Eindrücke zu beseitigen, die durch die Veröffentlichung entstanden sind (4 Ob 112/92). Damit hat es der Senat jedenfalls für Fälle des Persönlichkeitsschutzes abgelehnt, dem § 85 Abs 1 UrhG auch einen dem § 34 MedienG (angeblich) zugrunde liegenden generalpräventiven Regelungszweck zu unterstellen. Diese Entscheidungen sind zwar vor Inkrafttreten der MedienG-Novelle 1992 (BGBl 1993/20) ergangen. Der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§ 7 MedienG) hatte aber auch schon vor dieser Novelle gegolten, sodass sie für den hier strittigen Bereich zu keiner relevanten Änderung führte. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Da die Wahrheit des strittigen Begleittexts im vorliegenden Fall unerheblich ist, gibt es keinen unrichtigen Eindruck, der nach den Wertungen des Gesetzes beseitigt werden müsste; die Urteilsveröffentlichung führte vielmehr dazu, dass die Privatsphäre der Klägerin neuerlich öffentlich gemacht würde. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Information der Öffentlichkeit über den Ausgang des Verfahrens ist daher nicht zu erkennen.

4.2. Auf dieser Grundlage kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin wegen derselben Berichterstattung bereits eine Urteilsveröffentlichung nach § 8a Abs 6 iVm § 7 Abs 1 MedienG erwirkt hat. Das lässt zwar das rechtliche Interesse an der Veröffentlichung eines zivilrechtlichen Unterlassungsurteils im Regelfall wegfallen (6 Ob 258/03i = SZ 2003/162 = MR 2004, 108 [Wessely] - Büro des Bürgermeisters; 6 Ob 41/04d = MR 2004, 322 - Geldablöse), was ebenfalls für die Entscheidung des Berufungsgerichts spricht. Der Kläger könnte jedoch ein besonderes Vorbringen erstatten, aus welchem Grund ungeachtet dessen (auch) ein berechtigtes Interesse an einer Urteilsveröffentlichung nach § 85 UrhG bestehe (4 Ob 120/03f = MR 2004, 101 [Korn] - politische Petitionen).

Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Urteilsveröffentlichung nach § 8a Abs 6 MedienG nicht dem Äquivalenzgrundsatz entsprochen habe, da sie anders als der Bericht nur einmal ausgestrahlt worden sei. Das ist jedoch jedenfalls unerheblich, wenn das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung nach § 85 UrhG - wie hier - schon aus anderen Gründen fehlt. Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen ist daher nicht erforderlich.

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