OGH 4Ob209/09b

OGH4Ob209/09b23.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. G***** B*****, 2. K***** B*****, beide vertreten durch Mag. Guido Leitgeb, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wegen 60.000 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. September 2009, GZ 6 R 112/09x-66, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. April 2009, GZ 1 Cg 103/06y-55, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Eltern der Klägerin und des mit der Zweitbeklagten verheirateten Erstbeklagten waren Eigentümer einer Liegenschaft mit Wohnhaus, die sie der Klägerin und einem weiteren Sohn verkauften.

Die Beklagten wurden mit rechtskräftigem Urteil schuldig erkannt, der Klägerin eine Wohnung im Haus, deren Wohnungseigentümerin die Klägerin nach Parifizierung des Hauses geworden war, geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben.

Die Klägerin begehrte 60.000 EUR sA an Benützungsentgelt für einen Zeitraum von 1996 bis 2005. Sie berücksichtigte hiebei bereits bestimmte von den Beklagten für die Voreigentümer erbrachte Sachleistungen.

Die Beklagten bestritten - soweit im weiteren Verfahren noch relevant - die Höhe des geltend gemachten Benützungsentgelts und wendeten (weitere) Gegenforderungen für getätigte Aufwendungen auf die Liegenschaft ein. Für diese Aufwandsersatzansprüche hafte die Klägerin nach § 1409 ABGB, weil sie das wesentliche Vermögen der Eltern übernommen habe, die ursprünglich zum Aufwandsersatz verpflichtet gewesen seien.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als in voller Höhe zu Recht bestehend, die bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend und gab dem Zahlungsbegehren (abgesehen von einem rechtskräftig abgewiesenen Zinsenteilbegehren) zur Gänze statt. Der Klägerin gebühre für den Zeitraum der titellosen Benützung ausgehend von den bundesgesetzlichen Richtwerten für Mietwohnungen der gegenständlichen Größe, Klasse und Lage ein angemessenes Benützungsentgelt in Höhe der Klageforderung. Die Klägerin habe lediglich das Liegenschaftshälfteeigentum erworben und sei mittlerweile Wohnungseigentümerin. Da eine Eigentumswohnung kein Vermögen iSd § 1409 ABGB sei, fehle die Anspruchsgrundlage gegen sie. Weder Bereicherungsansprüche noch die behauptete Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte oder eine kaufvertragliche Haftungsübernahme könnten den Aufwandsersatzanspruch der Beklagten begründen.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, es sei zur Bemessung des angemessenen Benützungsentgelts einer Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht gefolgt; überdies fehle Rechtsprechung zur Auswirkung eines zurückbehaltenen Fruchtgenussrechts auf die Haftung des Übernehmers nach § 1409 ABGB. Das nach § 1041 ABGB zu entrichtende Entgelt für die Benützung einer fremden Sache sei regelmäßig der ortsübliche Bestandzins, den unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu ermitteln das Erstgericht aber unterlassen habe. Das bislang unzureichende Beweisanbot der Klägerin erfordere eine erstinstanzliche Erörterung der Höhe des ortsüblichen Bestandzinses mit den Parteien und dessen nachfolgende Ermittlung unter Benutzung der angebotenen Beweise. Zwar scheide sowohl die im Kaufvertrag enthaltene Schad- und Klagloshaltungserklärung als auch der behauptete Rechtsmissbrauch/Schadenersatz wegen Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte als Anspruchsgrundlage für die von den Beklagten eingewendete Gegenforderung aus, die ebenfalls geltend gemachte Haftung infolge Vermögensübernahme nach § 1409 ABGB könne aber noch nicht abschließend beurteilt werden. Da die vom Erstgericht herangezogenen Umstände (Erwerb einer Liegenschaftshälfte, Eigentum der Klägerin an einer Eigentumswohnung aufgrund der mittlerweile erfolgten Wohnungseigentumsbegründung) der Haftung der Klägerin nach § 1409 ABGB nicht von vornherein entgegenstünden, seien die Voraussetzungen des gesetzlichen Schuldbeitritts nach dieser Bestimmung noch weiter zu prüfen. Die durch den gesetzlichen Schuldbeitritt zu vermeidende Verringerung des Haftungsfonds der Gläubiger des Übergebers sei schon dann anzunehmen, wenn die Gegenleistung für das übertragene Vermögen in Geld bestehe, es sei denn, dass das den Wert des übernommenen Vermögens entsprechende Entgelt zur Gänze zur Befriedigung von Gläubigern des Überträgers verwendet worden sei. Die Haftung nach § 1409 ABGB trete auch dann ein, wenn sich der Übergeber einen allerdings nicht erheblichen Teil des Vermögens zurückbehalten habe. Die Einräumung eines Wohnrechts und von Ausgedingsleistungen beeinflusse die Haftung des Übernehmers nach § 1409 ABGB nicht. Zwar werde die Haftungsobergrenze durch den Wert der Aktiven gebildet, der Übernehmer könne aber durch die Zahlung von auf dem übernommenen Vermögen oder Unternehmen pfandrechtlich sichergestellten Forderungen diese Haftungsgrenze reduzieren. Dies gelte auch, wenn im Einverständnis mit den betreffenden Gläubigern eine dem Veräußerer von der Haftung befreiende Übernahme der pfandrechtlich sichergestellten Forderungen durch den Erwerber erfolge.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin, mit dem sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel ausschließlich gegen die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht, dass eine Haftung der Klägerin für Aufwandsersatzansprüche der Beklagten nach § 1409 ABGB nicht ausgeschlossen, sondern im Hinblick auf bislang nicht geklärte Anspruchsvoraussetzungen noch zu prüfen sei. Dass für die Beurteilung der Klageforderung (Benützungsentgelt) weitere Tatsachenvoraussetzungen zu erörtern und zu prüfen sind, lässt die Klägerin unbekämpft. Die von ihr angestrebte Wiederherstellung des Ersturteils kommt daher von vornherein nicht in Frage.

Das Berufungsgericht ist darüber hinaus aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen eine allfällige Haftung der Klägerin für gegebenenfalls den Beklagten gegen die Voreigentümer der Liegenschaft zustehende Aufwandsersatzansprüche aufgrund des gesetzlichen Schuldbeitritts nach § 1409 ABGB noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

Gemäß § 1409 Abs 1 ABGB ist jemand, der ein Vermögen oder ein Unternehmen übernimmt, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.

Unter Vermögen oder Unternehmen iSd § 1409 ABGB versteht die herrschende Rechtsprechung die Aktiven (RIS-Justiz RS0010004). Den Beweis für die Höhe der Aktiven, ihren Wert und den Umfang der bereits bezahlten Schulden muss der Übernehmer erbringen, der sich zur Ablehnung weiterer Haftung darauf beruft (8 Ob 51/01k = JBl 2002, 256 mwN). Der für die Wertermittlung maßgebliche Zeitpunkt ist jener des Abschlusses des dem Erwerb des Rechtstitels dienenden Verpflichtungsgeschäfts, weil bereits zu diesem Zeitpunkt eine ohne enormes Prozess- und Bonitätsrisiko nicht mehr rückgängig zu machende obligatorische Bindung des Schuldners und Übernehmers bestand (1 Ob 521/95 = SZ 68/221).

Mit der Frage, ob Pfandbelastungen des übernommenen Vermögens oder Unternehmens bei der Wertberechnung in Abzug zu bringen sind, hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 Ob 254/99i (= JBl 2000, 593) ausführlich auseinandergesetzt und die dazu bestehende Rechtsprechung und Lehre dargestellt. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass zwar die Haftungsobergrenze durch den Wert der Aktiven gebildet werde, aber der Übernehmer durch die Zahlung von auf dem übernommenen Vermögen oder Unternehmen pfandrechtlich sichergestellten Forderungen diese Haftungsgrenze reduziere. Gleiches gelte, wenn im Einverständnis mit den betreffenden Gläubigern eine den Veräußerer von der Haftung befreiende Übernahme der pfandrechtlich sichergestellten Forderungen durch den Erwerber erfolgt sei. An dieser Rechtsansicht hielt der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 51/01k ausdrücklich fest, Pfandbelastungen einer Liegenschaft verminderten doch im Wirtschaftsleben nicht deren objektiven Wert, sondern im Fall der Übernahme durch den Käufer lediglich den bar zu bezahlenden Kaufpreis. Ob darüber hinaus generell und unabhängig von einer Zahlung des Übernehmers pfandrechtlich sichergestellte Forderungen vom Wert der Aktiven abzuziehen sind, wurde in 9 Ob 254/99i offen gelassen.

Zwar sprechen sich Riedler (Der Vermögens- und Unternehmensbegriff des § 1409 ABGB, JBl 1992, 573 ff) und Wagnest (Die Haftung bei Übergang eines Unternehmens oder Betriebs [1997] 137 f) dafür aus, Passiva schon für die Frage der Anwendbarkeit des § 1409 ABGB zu berücksichtigen, dem vermag sich der erkennende Senat aber nicht anzuschließen. Aus der bloßen dinglichen Belastung kann noch nicht darauf geschlossen werden, dass der Übernehmer tatsächlich persönlich in Anspruch genommen wird, das von ihm übernommene Vermögen daher infolge Schuldtilgung vermindert wird. § 1409 ABGB ordnet lediglich einen Schuldbeitritt an, der Veräußerer bleibt dem Gläubiger verpflichtet. Denkbar ist demnach, dass der Übergeber den Gläubiger auch befriedigt (etwa aus dem Kaufpreis). In einem solchen Fall würde die Berücksichtigung von Pfandbelastungen dazu führen, dass bei entsprechend hoher Belastung die Anwendung des § 1409 ABGB mangels Vermögensübernahme zu verneinen wäre. Müsste der Übernehmer für die dinglich sichergestellten Forderungen in der Folge aber nicht selbst aufkommen, wäre der Zweck des gesetzlichen Schuldbeitritts nach § 1409 ABGB, den (pfandrechtlich nicht sichergestellten) Gläubigern des Übergebers den Haftungsfonds zu erhalten, vereitelt. Auf der veräußerten Liegenschaft lastende Pfandrechte bewirken auch nicht, dass den sonstigen Gläubigern des Veräußerers verwertbares Vermögen (Haftungsfonds) verbliebe, was der Anwendbarkeit des § 1409 ABGB entgegenstehen könnte (siehe gleich unten). Bei Feststellung des Werts des übernommenen Vermögens sind daher Hypothekarforderungen von den Aktiva nicht abzuziehen, sofern keine Befriedigung oder befreiende Schuldübernahme erfolgt (9 Ob 254/99i).

Der Begriff des „ganzen Vermögens“ ist nicht so wörtlich zu nehmen, dass der Übergeber überhaupt nichts zurückbehalten dürfe, sondern dahin zu verstehen, dass nicht „Erhebliches“ zurückbleiben darf (stRsp, RIS-Justiz RS0033144). Die Gegenleistung des Erwerbers ist dann zu berücksichtigen, wenn sie den Gläubigern des Erwerbers die gleiche Sicherheit und die gleiche Befriedigungsmöglichkeit wie dessen bisheriges Vermögen gewährt, etwa bei Eintausch einer Liegenschaft, die den wesentlichen Teil des Vermögens des Veräußerers bildet, gegen eine gleichwertige. Eine nicht äquivalente Gegenleistung liegt nicht nur dann vor, wenn sie dem Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens nicht entspricht, sondern auch dann, wenn sie nicht die gleiche Sicherheit und Befriedigungsmöglichkeit bietet (7 Ob 534/88 = SZ 61/49 ua; RIS-Justiz RS0033123). Das von der Klägerin ins Treffen geführte, von ihr den Veräußerern zugestandene Fruchtgenussrecht an einer Wohnung im Haus kann daher nur dann als beim Veräußerer verbliebenes Vermögen berücksichtigt werden, wenn es einen im Vergleich zur übergebenen Liegenschaft nicht unerheblichen Wert bildet, welcher überdies auch einer exekutiven Verwertung zugänglich ist. Das kann mangels konkreter Feststellungen zur Natur des zurückbehaltenen Rechts, seinem Wert und der Verwertungsmöglichkeit nicht beurteilt werden und ist daher im weiteren Verfahren zu prüfen.

Zu 7 Ob 211/75 wurde zwar ein von den Übergebern zurückbehaltenes Fruchtgenussrecht als bloß geringfügiger Teil der den Übernehmern übertragenen Vermögenswerte beurteilt, der Wert des Übergabsobjekts und der Wert des Fruchtgenussrechts kann aus den Entscheidungsgründen aber nicht nachvollzogen werden. Dies gilt auch für die Bejahung der Haftung nach § 1409 ABGB zu 2 Ob 1/95.

Dem Rekurs der Klägerin ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).

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