OGH 2Ob99/13t

OGH2Ob99/13t30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch Dr. Herbert Gschöpf und Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 14.624,80 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 8.812,40 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Februar 2013, GZ 6 R 30/13v‑38, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. November 2012, GZ 14 Cg 181/10w‑34, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00099.13T.0730.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klage der Snowboarderin gegen die Seilbahngesellschaft wegen ihres Sturzes über ein nach Pistensperre längs der Piste gespanntes Seil eines Pistengeräts. Die Beklagte sei ihrer besonderen Hinweispflicht auf die Pistensperre und die Gefahr durch Seilwindenpräparierung ausreichend nachgekommen. Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich wegen der Häufung von Unfällen an über die Piste gespannten Stahlseilen zu.

Die Klägerin macht in ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Revision ‑ in der sie nunmehr (wegen des Fahrens nach Pistensperre und Übersehens der Warntafel mit Drehlicht) ein 50%‑iges Mitverschulden anerkennt ‑ unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, der Klage dem Grunde nach zur Hälfte stattzugeben. Die Beklagte habe ihrer Hinweispflicht nicht ausreichend Genüge getan. Dies sei schon dadurch indiziert, dass zwei weitere Mitglieder der Schigruppe der Klägerin verunfallt seien. Die Warntafel habe sich am Rand einer 30 m breiten Piste befunden und sei nicht zwangsläufig in geringer Entfernung passiert worden. Der Unfallstag sei sonnig gewesen und es habe noch Tageslicht geherrscht, sodass die gelbe Drehleuchte nicht auffällig gewesen sei. Aufgrund der heutigen Carvingtechnik würden Kurven sehr schnell ausgeführt, sodass die Wahrscheinlichkeit, schräg oder horizontal gegen ein in der Falllinie verlaufendes Stahlseil eines Pistengeräts zu prallen, ebenso groß sei wie bei einem quer über die Piste gespannten Seil (wie im Sachverhalt zu 9 Ob 28/08w). Im Übrigen sei das Pistengerät weit vom Ankerpunkt entfernt gewesen, sodass es nicht mehr sichtbar gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin jedoch keine Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Auch nach Betriebsschluss der Schilifte stellt ein über die Piste gespanntes Stahlseil („Seilwindenpräparierung“) eine atypische Gefahr für Schifahrer dar, die im Gefahrenbereich entsprechend abzusichern ist (RIS‑Justiz RS0124298; 9 Ob 28/08w).

2. Der „Spätheimkehrer“, der erst nach Pistenschluss abfährt, ist aber zu besonderer Vorsicht verpflichtet. Er muss nicht nur damit rechnen, dass nichts mehr gegen natürliche Hindernisse, die den Pistenzustand betreffen, unternommen wird; er muss vielmehr mit Arbeiten auf der Piste rechnen, die nur um diese Zeit überhaupt oder ausreichend intensiv ausgeführt werden können. Bei der Abgrenzung, welche Gefahren auch außerhalb der Betriebszeit atypisch sind, ist vor allem nach dem Ingerenzprinzip zwischen natürlichen und künstlichen Gefahrenquellen zu unterscheiden. Natürliche Gefahrenstellen sind nach Pistenschluss im Allgemeinen nicht beziehungsweise nur in Ausnahmefällen zu sichern; künstliche nur, wenn ihre Gefährlichkeit über das bei derartigen Erhaltungsarbeiten Übliche hinausgeht (RIS‑Justiz RS0124299; 9 Ob 28/08w, 2 Ob 119/12g).

3. Für die Frage, ob die Beklagte als Lift‑ und Pistenbetreiberin ein Verschulden am Unfall der Klägerin trifft, ist entscheidend, ob ihre Absicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Seilwindenpräparierung ausreichend waren. Der konkrete Inhalt einer vertraglichen Schutzpflicht sowie einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hängt allerdings immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind. Ob in diesem, im Wesentlichen von der konkreten örtlichen Situation abhängigen Rahmen die Pistenhalterin das ihr Zumutbare unterlassen hat, entzieht sich wegen der Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen (RIS‑Justiz RS0023237 [T3]; 2 Ob 119/12g).

4. Im vorliegenden Fall haben die Tatsacheninstanzen unter anderem festgestellt, dass sich auf einer großen Tafel an der Talstation des Lifts Hinweise auf die Verletzungsgefahr durch Pistenarbeiten nach Betriebsschluss fanden, dass direkt unterhalb der von der Klägerin frequentierten Hütte eine gelbe Tafel samt Fahrverbotszeichen mit dem Wort „gesperrt“ und einem bildlichen und textlichen Hinweis auf die Seilwindenpräparierung aufgestellt war, und dass im Einmündungsbereich der ca 30 m breiten Piste eine 120 x 120 cm große Warntafel mit dem Hinweis „Achtung Pistensperre! Lebensgefahr! Pistengerät mit Seilwinde im Einsatz!“ samt eingeschalteter Warnleuchte angebracht war, die von der Hütte aus einer Entfernung von 100 Meter gut erkennbar war.

5. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Absicherungsmaßnahmen der Beklagten ausreichend waren, im Einzelfall vertretbar. Ein durchschnittlicher Pistenbenützer muss in der Lage sein, auf mehrfache Hinweise durch Warntafeln (teils in übergroßer Dimensionierung samt Drehleuchte) entsprechend zu reagieren.

6. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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