OGH 2Ob119/12g

OGH2Ob119/12g11.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Dr. Markus Komarek, Rechtsanwalt in Bad Hall, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Traun, wegen 21.023,88 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. März 2012, GZ 3 R 18/12f-61, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 15. November 2011, GZ 6 Cg 92/09x-56, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.259,64 EUR (darin 209,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin wurde am 9. März 2008 nach Pistenbetriebsschluss um 17:00 Uhr als Schifahrerin bei einer Kollision mit dem Seilwindenstahlseil eines Pistenpräparierungsgeräts verletzt. Sie war im Besitz einer Saisonkarte, die sie zur Benützung der Liftanlagen und Schipisten im Schigebiet der Beklagten berechtigte.

Die Klägerin begehrte - gestützt auf vertragliche Nebenpflichten, § 1319a ABGB, EKHG und das Salzburger Landesgesetz über den Betrieb von Motorschlitten - Schadenersatz von der Beklagten wegen deren Alleinverschuldens am Unfall.

Die Beklagte wendete ein, die Piste sei - durch zahlreiche Tafeln und Transparente sichtbar - vorschriftsmäßig gesperrt gewesen. Der Unfall gehe ausschließlich auf das Eigenverschulden der Klägerin zurück.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Piste gesperrt und vor der atypischen Gefahr der Seilwindenpräparierung ausdrücklich gewarnt. Wer eine im Bereich der Gefahrenstelle klar erkennbar „gesperrte“ Piste benütze, fahre auf eigene Gefahr und könne nicht andere dafür verantwortlich machen, wenn er infolge mangelnder Verkehrssicherheit auf diesem Gelände einen Unfall erleide. Eine analoge Anwendung des EKHG komme nicht in Betracht, weil das Pistengerät außerhalb der Betriebszeiten der Lifte betrieben worden sei. Die Reglementierung des Motorschlittengesetzes stehe im Zusammenhang mit Umweltschutzgedanken. Die Übertretung eines allfälligen Verbots des Betriebs von Pistenraupen aus diesen Sachzusammenhängen stehe in keinerlei Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Unfall der Klägerin. Die Revision sei zulässig, weil Fragen der Ordnungsgemäßheit der Pistensicherung über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hätten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin rügt die mangelhafte Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht. In rechtlicher Hinsicht erachtet die Revisionswerberin die Aufstellung der Warnschilder als nicht ausreichend. Die Schilder seien der Klägerin nicht „im Weg“ gewesen, sodass man mangels vollständiger Pistensperre nicht von einer ordnungsgemäßen Absicherung des Gefahrenbereichs sprechen könne. Als sekundären Feststellungsmangel macht die Klägerin das Fehlen der Feststellung geltend, wann die Beklagte mit den Pistenpräparierungsarbeiten begonnen habe. Im Übrigen wäre das EKHG und das Salzburger Motorschlittengesetz anzuwenden gewesen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS-Justiz RS0043371). Hier hat das Berufungsgericht die Beweisrüge ausreichend behandelt. Die zweite Instanz muss sich nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Rechtsmittelwerbers auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0043162).

2. Nach einhelliger Auffassung sind nur atypische Gefahren zu sichern, also solche Hindernisse, die der Schifahrer nicht ohne weiteres erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann; atypisch ist eine Gefahr, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet oder schwer abwendbar ist (RIS-Justiz RS0023417). Ein über die Piste gespanntes Stahlseil („Seilwindenpräparierung“) stellt auch nach Pistenschluss eine atypische Gefahr dar. Jedoch muss der „Spätheimkehrer“, der erst nach Pistenschluss abfährt, mit Arbeiten auf der Piste rechnen, die nur um diese Zeit überhaupt oder ausreichend intensiv ausgeführt werden können (9 Ob 28/08w = RIS-Justiz RS0124299).

3. Für die Frage, ob die Beklagte als Lift- und Pistenbetreiberin ein Verschulden am Unfall der Klägerin trifft, ist entscheidend, ob ihre Absicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Seilwindenpräparierung ausreichend waren. Der konkrete Inhalt einer vertraglichen Schutzpflicht sowie einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hängt allerdings immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (vgl RIS-Justiz RS0110202). Ob in dem, im Wesentlichen von der konkreten örtlichen Situation abhängigen Rahmen die Pistenhalterin das ihr Zumutbare unterlassen hat, entzieht sich wegen der Einzelfallbezogenheit genereller Aussagen (RIS-Justiz RS0023237 [T3]).

4. Im vorliegenden Fall wies in der Talstation eine gelbe Tafel in der Größe von 45 x 45 cm allgemein auf Gefahren nach Ende des Pistenbetriebs hin. Weiters befand sich im Talbereich ein Hinweis auf die Betriebszeiten. Vor allem aber wurden an der Unfallstelle vor Beginn der Arbeiten zwei Transparente am Pistenrand aufgestellt, ein weiteres Schild befand sich in der Mitte der Piste. Aufgrund dieser Absicherungsmaßnahmen der Beklagten ist die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Beklagten kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls der Klägerin anzulasten ist, vertretbar und stellt keine (grobe) Fehlbeurteilung dar.

Der Zeitpunkt des Beginns der Pistenpräparierungsarbeiten ist unerheblich, zumal sich der Unfall jedenfalls nach Betriebsschluss ereignet hat.

5. Eine analoge Anwendung des EKHG kommt beim Betrieb des Pistengeräts jedenfalls außerhalb der Betriebszeiten der Lifte bzw außerhalb des Pistenbetriebs nicht in Betracht (vgl 9 ObA 49/04b = RIS-Justiz RS0119539; 2 Ob 30/10s). Die Bestimmungen des Salzburger Motorschlittengesetzes sind für die Lösung der hier relevanten Rechtsfragen nicht einschlägig.

6. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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