OGH 1Ob581/94

OGH1Ob581/9414.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst, Dr. Graf, Dr. Schiemer und Dr. Gerstenecker als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Ingo U*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Thomas U*****, vertreten durch Dr. Janko Tischler jun., Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 9. Mai 1994, GZ 2 R 119/94-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 31. Jänner 1994, GZ 3 P 241/88-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Thomas U***** ist der Vater des Ingo U*****, geboren am *****, und der Tamara U*****, geboren am *****. Aufgrund eines Vergleiches vom 1.8.1990 war der Vater verpflichtet, ab 1.8.1990 für seinen Sohn Ingo einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.000,-- und für seine Tochter Tamara einen solchen von S 1.800,-- zu bezahlen.

Am 17.8.1993 beantragte die Mutter der beiden Kinder als deren gesetzliche Vertreterin, die vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1.9.1993 für Ingo auf monatlich S 3.500,-- und Tamara auf monatlich S 2.000,-- zu erhöhen. Während der Vater die für Tamara begehrte Unterhaltserhöhung billigte und sich bereit erklärte, den geforderten Unterhaltsbeitrag ab 1.9.1993 zu bezahlen, sprach er sich gegen die für Ingo U***** beantragte Unterhaltserhöhung aus. Ein Sonderbedarf, den die Mutter mit der Unterbringung des Kindes Ingo in einem der HTL W***** angeschlossenen Internat begründete, sei nicht berechtigt. Der Vater sei aufgrund des Umstands, daß er verschiedene Kreditrückzahlungen zu leisten habe, nicht in der Lage, den geforderten erhöhten Unterhaltsbeitrag zu leisten.

Unbestritten steht fest, daß der Vater ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von etwa S 19.100,-- bezieht und daß er nur für die beiden Kinder sorgepflichtig ist. Er hat sich im Zuge der einvernehmlichen Scheidung seiner Ehe mit der Mutter der beiden Kinder am 1.8.1990 verpflichtet, einen von den Ehegatten aufgenommenen Kredit bei der Z*****bank *****, Zweigstelle V*****, im damals aushaftenden Betrag von etwa S 170.000,-- zur alleinigen Rückzahlung zu übernehmen; weiters verpflichtete er sich mit dieser Vereinbarung, ein aushaftendes Wohnbauförderungsdarlehen bei der K*****bank allein zurückzuzahlen. Der Kredit bei der Z*****bank ***** - nunmehr ***** - wird von ihm mit monatlich S 2.291,-- bedient. Das Wohnbauförderungsdarlehen wird in Halbjahresraten von S 620,-- zurückbezahlt. Sowohl der Kredit wie auch das Wohnbauförderungsdarlehen wurden für die seinerzeitige Ehewohnung, die derzeit von den beiden Minderjährigen und deren Mutter bewohnt wird, aufgenommen.

Aus der Überziehung eines Kontos des Vaters bei der B***** AG, für das die Mutter keine Zeichnungs- oder Verfügungsberechtigung hatte, haftete per 30.6.1990 ein Betrag von S 65.000,-- aus.

Ingo U***** besucht seit dem Schuljahr 1993/94 die HTL in W*****, Abteilung Maschinenbau. An der HTL V***** für Hoch- und Tiefbau fand er trotz bestandener Aufnahmsprüfung keinen Platz. Deshalb wurde ihm seitens der HTL V***** mitgeteilt, er werde an der HTL in W***** aufgenommen werden. Ingo U***** ist in W***** in einem Internat untergebracht, die monatlichen Kosten für diese Unterbringung betragen S 3.750,- -. Die Wochenenden, Feiertage und Ferien verbringt Ingo U***** bei seiner Mutter; er wird in dieser Zeit zur Gänze von ihr versorgt.

Das Erstgericht erhöhte den für Ingo U***** zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.000,-- auf S 3.500,-- monatlich. Der Vater sei auch unter Berücksichtigung der monatlichen Kreditrückzahlungsrate von S 2.291,-- sowie der monatlichen Rate für das Wohnbaudarlehen in der Höhe von S 130,-- (gemeint: S 103,- -) in der Lage, den geforderten erhöhten Unterhaltsbeitrag zu bezahlen. Der Vater wäre in der Lage gewesen, innerhalb der letzten drei Jahre die Überziehung seines Gehaltskontos abzudecken. Es sei unerheblich, aus welchem Grunde der Vater die Gehaltskontoüberziehung getätigt habe. Auf die Notwendigkeit einer Internatsunterbringung brauche nicht näher eingegangen werden, weil der festgesetzte monatliche Unterhaltsbeitrag bereits dem „normalen Bedarf“ des Minderjährigen entspreche.

Das Rekursgericht gab dem vom Vater erhobenen Rekurs nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der vom Vater gerügten Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Der Unterhaltsanspruch des Kindes dürfe durch aus dem Eheverhältnis entspringende Schulden nicht beeinträchtigt werden. Die vom Rekurswerber ins Treffen geführte Kontoüberziehung sei schon deshalb nicht abzugsfähig. Die Rückzahlungen für den Kredit bei der B***** AG und für das Wohnbauförderungsdarlehen seien als Wohnraumbeschaffungskosten keine Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Ob das Kind außerhalb eines Internats hätte untergebracht werden können, sei nicht zu prüfen, weil der zuerkannte Unterhaltsbeitrag schon zur Deckung der „normalen“ Bedürfnisse des Kindes erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist darin begründet, daß das Rekursgericht generell Kreditverbindlichkeiten, die während aufrechter Ehe im Einverständnis der Eltern eingegangen wurden, als bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht berücksichtigungsfähig ansieht. Das Rekursgericht begründete diese Ansicht damit, daß den Kindern immer ein zur Deckung ihrer Lebensbedürfnisse notwendiger Unterhalt verbleiben müsse, was durchaus richtig ist. Beim Zuspruch eines Unterhaltsbeitrages etwa in der Höhe des Regelbedarfes eines Kindes handelt es sich aber nicht um den notwendigen Unterhalt, sondern um den den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen. Kredite zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen sind grundsätzlich abzugsfähige Aufwendungen (Jus extra 1994/1488; RZ 1991/70; 8 Ob 646/93; 7 Ob 550/93; 2 Ob 587/93; Gitschthaler in ÖJZ 1992, 533; Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 244). Bei Beurteilung der Frage, inwieweit Schulden eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, für die der Zeitpunkt und die Art der Entstehung der Schulden, der Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, das Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten, das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten noch weiter herabzudrücken, maßgeblich sind, und sind Schulden unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen zu berücksichtigen (EF 62.332, ÖAV 1994, 62; JBl. 1991, 720; 1 Ob 511/94; 2 Ob 587/93; Purtscheller-Salzmann, aaO). Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht abgewichen, weil es eben generell die Abzugsfähigkeit der Kreditverbindlichkeit, die die Kontoüberziehung betrifft, verneinte.

In der Sache selbst ist für den Vater damit aber nichts gewonnen:

Der Vater brachte zwar zunächst vor, die Überziehung seines Gehaltskontos im Ausmaß von etwa S 130.000,-- sei dadurch entstanden, daß die Mutter über dieses Konto zeichnungs- und verfügungsberechtigt gewesen sei und „entsprechende Behebungen“ für sich und die beiden Kinder vorgenommen habe (AS 83), doch wurde vom Vater schließlich zugestanden und vom Erstgericht auch festgestellt, daß der Mutter für sein Gehaltskonto keine Zeichnungs- oder Verfügungsberechtigung zugestanden sei (AS 130, 137). Weiters hat sich herausgestellt, daß der Sollstand auf diesem Gehaltskonto per 30.6.1990 nur etwa S 65.000,-- betrug (AS 137). Allein deshalb können die den Vater belastenden Sollzinsen keinesfalls den von ihm behaupteten Betrag von monatlich etwa S 1.000,- -, sondern allenfalls bloß die Hälfte davon betragen. Das Erstgericht hat aber auch festgestellt, daß der Vater innerhalb von drei Jahren bei sparsamer Lebensführung in der Lage gewesen wäre, die Gehaltskontoüberziehung abzudecken (AS 139). Für die Berücksichtigung von Schulden, die während aufrechter Ehe im beiderseitigen Einvernehmen der Ehegatten aufgenommen worden sind - dies sei unterstellt - , ist maßgebend, wie sich ein Unterhaltsverpflichteter verständigerweise bei Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft verhalten hätte; es ist aber auch ein objektiver Maßstab anzulegen. Solche Schulden sind nach billigem Ermessen zu berücksichtigen (EF 68.313). Geht man nun davon aus, daß der Vater die Kontoüberziehung bei sparsamer Lebensführung hätte abdecken können, was ihm als pflichtbewußtem Familienvater auch durchaus zuzumuten ist, dann kommt eine Berücksichtigung der Kreditraten, die der Vater für die Überziehung seines Gehaltskontos aufzubringen hat, nicht in Betracht. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß es ihm oblegen wäre, die Abzugsfähigkeit dieser Kreditrückzahlungsraten darzutun (vgl. JBl. 1991, 720; Purtscheller-Salzmann, aaO); dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen.

Die Rückzahlungsraten im Betrage von S 2.291,-- bzw. S 103,-- monatlich hat das Rekursgericht zu Recht nicht als Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt.

Der Vater hat sich mit der Vereinbarung nach § 55a EheG zur Rückzahlung der aushaftenden Darlehensbeträge verpflichtet (AS 61). Solche Kreditrückzahlungen bleiben als Ergebnis der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung selbst dann ohne Einfluß auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seinen Kindern, wenn die Rückzahlungen auch den Minderjährigen, die in der früheren Ehewohnung leben, zugutekommen (EF 65.450, 68.329; 1 Ob 568/93; Purtscheller-Salzmann, aaO). Diese Kreditverbindlichkeiten sind sohin schon aufgrund der Vereinbarung vom 1.8.1990 nicht abzugsfähig. Darüber hinaus stellen Ratenzahlungen aus Wohnbauförderungsdarlehen (S 103,-- monatlich) jedenfalls keine Abzugspost dar (EF 68.291, 62.308).

Es ist daher tatsächlich von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 19.100,-- auszugehen. Dieses Einkommen versetzt den Unterhaltspflichtigen aber in die Lage, den für Ingo U***** geforderten monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 3.500,-- zu bezahlen, denn dieser Betrag entspricht etwa 18 % des genannten Nettoeinkommens (vgl. Purtscheller-Salzmann, aaO, Rz 14).

Der Bedarf des Kindes am erhöhten Unterhaltsbeitrag wird vom Rechtsmittelwerber im Revisionsrekurs nicht mehr in Zweifel gezogen. Unter Bedachtnahme auf die sogenannten Regelbedarfssätze von Minderjährigen (siehe ÖAV 1993, Heft 3) ist auch der Bedarf des mj. Ingo in einer Höhe von S 3.500,-- gegeben, sodaß eine Überprüfung der Frage, ob die Unterbringung im Internat notwendig ist, tatsächlich unterbleiben konnte.

Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

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