OGH 9ObA35/13g

OGH9ObA35/13g24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekurs- und Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** I*****, vertreten durch Mag. Roland Seeger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. N***** GmbH & Co OHG, 2. N***** GmbH, beide *****, 3. N***** GmbH, *****, alle vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 232.831,89 EUR sA, über I. den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Mai 2012, GZ 15 Ra 40/12p-16, mit dem der Rekurs („Berufung“) der klagenden Partei gegen den Beschluss des („Urteil“) des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Dezember 2011, GZ 44 Cga 35/11z-12, zurückgewiesen wurde, und II. den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2013, GZ 15 Ra 79/12y-22, mit dem dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Juni 2012, GZ 44 Cga 35/11z-18, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 23. Mai 2012 (ON 16) gerichteten Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.865,59 EUR (darin 477,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

II. Der gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 27. Februar 2013 (ON 22) gerichtete Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von den Beklagten einen Ausgleichsanspruch von 232.831,89 EUR sA.

Mit dem in Urteilsform ergangenen Beschluss vom 14. 12. 2011 (ON 12) wies das Erstgericht das Klagebegehren wegen sachlicher und örtlicher Unzuständigkeit zurück. Die Entscheidung wurde dem Kläger am 14. 3. 2012 zugestellt. Dagegen erhob er am 11. 4. 2012 „Berufung“ (ON 13). Die Beklagten wiesen in ihrer Rechtsmittelgegenschrift (ON 14) auf die Verfristung des Rechtsmittels hin. Mit Beschluss vom 23. 5. 2012 (ON 16) wurde es vom Rekursgericht zurückgewiesen, weil es als Rekurs anzusehen sei und der Kläger die 14-tägige Rekursfrist versäumt habe.

Mit Schriftsatz vom 15. 6. 2012 (ON 17) begehrte der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erstattung des Rekurses gegen den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts. Zugleich erhob er gegen den Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts Rekurs und beantragte dessen ersatzlose Behebung, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung „an das Gericht“.

Die Beklagten beantragten in ihrer Rekursbeantwortung (ON 25), dem Rekurs keine Folge zu geben.

Mit Beschluss vom 20. Juni 2012 (ON 18) wies das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag ab, weil das Verkennen des Klagevertreters, dass es sich beim erstgerichtlichen „Urteil“ (ON 12) inhaltlich um einen der 14-tägigen Rekursfrist unterliegenden Beschluss gehandelt habe, eine auffallende Sorglosigkeit darstelle.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2013 (ON 22) gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Wiedereinsetzungsantrag wegen Verspätung zurückgewiesen werde. Der Klagevertreter hätte bereits aufgrund der Ausführungen der Rekursbeantwortung erkennen können, dass es sich nicht um ein Urteil, sondern einen Beschluss des Erstgerichts gehandelt habe. Der Wiedereinsetzungsantrag sei aus den vom Erstgericht dargelegten Gründen aber auch inhaltlich nicht berechtigt.

In seinem dagegen gerichteten (richtig) Revisionsrekurs (ON 24) beantragt der Kläger, den Beschluss ersatzlos zu beheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund aufzutragen; in eventu den Beschluss aufzuheben und „dem Gericht“ die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Zu I. (Zurückweisung der „Berufung“):

Ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen wurde, ist nur unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar (RIS-Justiz RS0044501; 9 Ob 23/10p ua). Richtet sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss, der im anhängigen Verfahren - wie hier - auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden (Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 519 Rz 21 mwN; 9 Ob 243/01b ua). Dementsprechend konnte in der Entscheidung 8 ObS 8/10z in einem mit der vorliegenden Konstellation vergleichbaren Fall (erstgerichtliche Klagszurückweisung mit „Urteil“; dagegen erhobene „Berufung“) der Beschluss des Rekursgerichts, mit dem es die „Berufung“ als verspätet zurückwies, mit „Vollrekurs“ angefochten werden. Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten. Auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage kommt es daher nicht an.

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Der Rekurswerber meint zusammengefasst, dass das Erstgericht eine Erledigung in der Hauptsache gewollt habe, weshalb das von ihm gewählte Rechtsmittel der Berufung richtig und rechtzeitig gewesen sei. Das Verfehlen der Entscheidungsform dürfe nicht zu seinen Lasten gehen.

Für den Rekurswerber konnte nicht zweifelhaft sein, dass das Erstgericht gerade keine Entscheidung in der Hauptsache selbst treffen wollte, weil es das Klagebegehren explizit „wegen sachlicher und örtlicher Unzuständigkeit“ zurückwies. Das geht sowohl aus dem Spruch als auch aus der rechtlichen Beurteilung der erstinstanzlichen Entscheidung hervor. Eine Entscheidung über die inhaltliche Berechtigung des Klagebegehrens wurde nicht getroffen, sodass das Rekursgericht zutreffend von einem (Zurückweisungs-)Beschluss des Erstgerichts ausging.

Wie bereits vom Rekursgericht zutreffend dargelegt, entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass das Vergreifen in der Entscheidungsform weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels beeinflusst (RIS-Justiz RS0036324). Nichts anderes gilt für die gegen die Entscheidung offen stehende Rechtsmittelfrist. Rechtsmittelfristen sind Notfristen, die gemäß § 128 Abs 1 ZPO auch durch das Gericht nicht verlängert werden können (RIS-Justiz RS0036235 [T7]). Auch Gerichtsfehler können nicht zu ihrer Verlängerung führen (vgl zur unrichtigen Rechtsmittelbelehrung RIS-Justiz RS0036701; zum Unterbleiben der Übersendung einer Rechtsmittelbelehrung RIS-Justiz RS0006992). Das Erstgericht konnte daher durch das Vergreifen in der Entscheidungsform die unerstreckbare gesetzliche Rechtsmittelfrist gegen seine als Beschluss zu wertende Entscheidung nicht verlängern (s nur 8 ObS 8/10z mwN).

Da der Rekurs des Klägers daher nicht berechtigt ist, war ihm keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der ERV-Zuschlag beträgt hier 1,80 EUR (§ 23a RATG).

Zu II. (Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand):

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.

Die Bestätigung der Zurück- oder Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags ist einer Zurückweisung der Klage aus formellen Gründen nicht gleichzuhalten (s RIS-Justiz RS0105605). Maßgeblich für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist daher, ob mit dem bekämpften Beschluss des Rekursgerichts ON 22 der erstrichterliche Beschluss ON 18 im Sinn der genannten Bestimmung bestätigt wurde.

Wie etwa in der Entscheidung 1 Ob 277/02w (mwN) dargelegt, richtet sich die Einordnung einer - hier vorliegenden - Maßgabebestätigung als bestätigende oder abändernde Entscheidung nicht allein nach dem Spruch. Wesentlich ist vielmehr, ob beide Instanzen meritorisch oder formal entschieden. Belanglos ist dagegen, ob die Gründe beider Instanzen übereinstimmen. Deshalb liegt eine bestätigende Entscheidung vor, wenn die angefochtene Entscheidung durch die Neufassung des Spruchs lediglich verdeutlicht wurde, ohne deren Rechtskraftwirkung zu berühren (s auch 4 Ob 174/01v ua). Von einer Bestätigung ist somit stets dann auszugehen, wenn der Rekurswerber durch den Spruch der zweiten Instanz nicht mehr belastet wird als durch den des Erstgerichts.

Die bei der Einordnung einer Maßgabebestätigung aufgeworfene Frage stellt sich in ähnlicher Weise, wenn zu klären ist, unter welchen Voraussetzungen die Zurückweisung eines Rekurses durch die zweite Instanz als Bestätigung des angefochtenen Beschlusses zu qualifizieren ist. Die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ohne Überprüfung der Sachentscheidung wird nicht als Bestätigung angesehen (1 Ob 277/02w). Demgemäß liegt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich eine abändernde Entscheidung vor, wenn das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag mangels der Voraussetzungen des § 146 ZPO abwies und das Rekursgericht den Beschluss „mit der Maßgabe bestätigte, dass der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurückgewiesen wird“ (RIS-Justiz RS0044202).

Diese Leitlinie ist aber dann nicht anwendbar, wenn die zweite Instanz den angefochtenen Beschluss in der Sache nachprüfte, sodass der unterschiedliche Wortlaut des Spruchs allein am bestätigenden Charakter einer Entscheidung zweiter Instanz nichts ändert. Das betrifft auch Fälle, bei denen die meritorische Nachprüfung nur im Rahmen einer Hilfsbegründung erfolgte (1 Ob 277/02w mwN). Wird ein Wiedereinsetzungsantrag vom Erstgericht aus sachlichen Gründen abgewiesen, vom Rekursgericht aber primär wegen Verspätung zurückgewiesen, liegt daher dennoch eine unanfechtbare Konformatsentscheidung vor, wenn das Rekursgericht ungeachtet der von ihm ausgesprochenen Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die angefochtene Entscheidung auf ihre sachliche Richtigkeit geprüft und die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts ausdrücklich gebilligt hat (1 Ob 621/94).

Eben das trifft im vorliegenden Fall zu, weil sich das Rekursgericht - unabhängig von der Frage der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrags - inhaltlich mit der Rechtsansicht des Erstgerichts zum Verschuldensgrad bei Säumnis auseinandergesetzt hat und dessen Ansicht bestätigte. Da daher ein Konformatsbeschluss vorliegt, ist der Revisionsrekurs des Klägers iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

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