Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 2.338,20 EUR (darin enthalten 389,70 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin brachte am 8. 6. 2012 einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG beim Erstgericht ein. Dieses beraumte für den 28. 6. 2012 eine Tagsatzung an und trug dem Antragsgegner mit Beschluss vom 11. 6. 2012 auf, sich bei dieser Tagsatzung durch einen die deutsche Sprache beherrschenden Vertreter, einen Rechtsanwalt, vertreten zu lassen, soferne er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Welche Erwägungen es dazu veranlassten, an den Sprachkenntnissen des Antragsgegners zu zweifeln, ist dem Beschluss nicht zu entnehmen. Der Antragsgegner kam ohne Vertreter zum ersten Verhandlungstermin. Festgehalten wurde, dass er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Er wurde mündlich auf den schriftlichen Beschluss vom 11. 6. 2012 hingewiesen.
Das Erstgericht bestellte eine Rechtsanwältin zur Kuratorin. In der Begründung verwies es auf § 4 Abs 2 und § 93 Abs 1 AußStrG.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluss ersatzlos auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. § 4 Abs 2 AußStrG sehe für postulationsunfähige Parteien einen Vertretungsauftrag vor, soweit ihren schriftlichen oder mündlichen Äußerungen nicht zu entnehmen sei, was sie anstrebten, und ein Verbesserungsauftrag aussichtslos sei. Seien nur die mangelnden Deutschkenntnisse der Grund für die Unfähigkeit einer Partei, sich verständlich auszudrücken, sei die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht notwendig. Von den Fällen der Amtssprachenverordnung abgesehen sei bei mangelnden Deutschkenntnissen lediglich ein Dolmetscher auf Kosten der Partei zu bestellen, nicht aber ein Vertreter. Dafür spreche, dass nach § 4 Abs 3 AußStrG bei einer gehörlosen oder stummen Partei, die im Übrigen zu einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Verfahrens fähig sei, ein Dolmetscher für die Gebärdensprache zu bestellen sei, sofern die Partei ohne einen geeigneten Bevollmächtigten oder Dolmetscher für die Gebärdensprache bei Gericht erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig. Der Oberste Gerichtshof hat zu der Frage, ob Verständigungsschwierigkeiten mit einer Partei, die über keine oder nicht ausreichende Kenntnisse der Gerichtssprache verfügt, die Bestellung eines Kurators nach § 4 Abs 2 AußStrG rechtfertigen, noch nicht Stellung genommen.
1. Voranzustellen ist, dass in diesem Fall Sonderbestimmungen zum Schutz von Volksgruppenrechten nicht relevant sind und als Gerichtssprache nur Deutsch in Frage kommt (s dazu Schragel in Fasching/Konecny 2 II/2 § 185 ZPO Rz 1).
2. In einem Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse können sich die Parteien nach § 93 Abs 1 AußStrG (auch im Verfahren erster Instanz) nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (relative Anwaltspflicht). Es bleibt ihnen nach § 4 Abs 1 AußStrG aber unbenommen, im Verfahren erster und zweiter Instanz selbst vor Gericht zu handeln. Absoluter Anwaltszwang besteht nach § 6 Abs 1 AußStrG nur im Revisionsrekursverfahren.
3. Vermag sich eine Partei schriftlich oder mündlich nicht verständlich auszudrücken, so hat das Gericht nach § 4 Abs 2 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist den Auftrag zu erteilen, einen geeigneten Bevollmächtigten zu bestellen, wenn dies notwendig ist, um das Verfahren zweckentsprechend durchzuführen. Kommt die Partei einem solchen Auftrag nicht fristgerecht nach, ist auf ihre Gefahr und Kosten ein geeigneter Vertreter zu bestellen.
4. War eine gehörlose oder stumme Partei, die im Übrigen zu einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Verfahrens fähig war, weder mit einem geeigneten Bevollmächtigten noch mit einem Dolmetsch für die Gebärdensprache erschienen, war nach § 4 Abs 3 AußstrG idF vor Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle (ZVN) 2009, BGBl I 2009/30, die Tagsatzung vom Gericht auf tunlichst kurze Zeit zu erstrecken und zur neuerlichen Tagsatzung ein solcher Dolmetsch beizuziehen. Die Kosten des Dolmetschers für die Gebärdensprache trug der Bund.
5. Nach den ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 24 sprachen diese Regelungen das Problem der postulationsunfähigen Parteien an, das im Sinn des Verfahrens außer Streitsachen möglichst formfrei und flexibel in den Griff bekommen werden sollte. Im Fall des Einschreitens gehörloser oder stummer Parteien sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber kein Auftrag nach § 4 Abs 2 AußStrG ergehen, weil dies nicht notwendig sei, um das Verfahren zweckentsprechend durchzuführen.
6. § 4 Abs 3 AußStrG aF war § 185 Abs 1a ZPO aF nachgebildet. Die letztgenannte Regelung wurde mit der ZVN 2009 aufgehoben und durch § 73a ZPO ersetzt. Ist eine Partei gehörlos, hochgradig hörbehindert oder sprachbehindert, so ist nach § 73a Abs 1 ZPO idgF dem Verfahren auf Kosten des Bundes ein Dolmetscher für die Gebärdensprache beizuziehen, soferne sich die Partei in dieser verständigen kann. § 73a ZPO ist nach § 4 Abs 3 AußStrG idF der ZVN 2009 sinngemäß anzuwenden. Beide Bestimmungen sind am 1. 4. 2009 in Kraft getreten (Art V Z 5 und XIV Abs 1 ZVN 2009).
7. Nach dem AußStrG und der ZPO ist dem Problem der Verständigung mit dem in § 73a Abs 1 ZPO idF der ZVN 2009 umschriebenen Personenkreis demnach ausschließlich durch die Beiziehung eines Dolmetschers für die Gebärdensprache zu begegnen, dessen Kosten der Bund zu tragen hat. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, dass in Fällen fehlender oder unzureichender Kenntnis der Gerichtssprache zwingend das in § 4 Abs 2 AußStrG geregelte Verfahren eingeleitet werden muss. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte das Problem der postulationsunfähigen Parteien im Verfahren außer Streitsachen möglichst formfrei und flexibel gelöst werden. Das kommt auch in der Formulierung des § 4 Abs 2 erster Satz AußStrG zum Ausdruck, die einen Auftrag zur Bestellung eines geeigneten Bevollmächtigten vorsieht, wenn dies notwendig ist, um das Verfahren zweckentsprechend durchzuführen.
8. Die Bestellung eines vom Gericht gewählten geeigneten Vertreters auf Gefahr und Kosten einer Partei, die zwar grundsätzlich in der Lage wäre, sich verständlich auszudrücken, aber an der deutschen Sprache scheitert, greift stärker in ihre Entscheidungsfreiheit ein als die Bestellung eines Dolmetschers, mit dessen Hilfe der Richter mit ihr kommunizieren kann. Nicht außer Acht zu lassen ist zudem, dass der Auftrag nach § 4 Abs 2 erster Satz AußStrG 2005 als verfahrensleitender Beschluss selbständig nicht anfechtbar ist (RIS-Justiz RS0123745). Ist ein solcher Auftrag ergangen, hat eine Partei zunächst nur die Möglichkeit, einen geeigneten Bevollmächtigten zu bestellen, um die Bestellung eines vom Gericht gewählten Vertreters zu vermeiden, verpflichtet § 4 Abs 2 zweiter Satz AußStrG doch das Gericht, den Vertreter zu bestellen, wenn die Partei den Auftrag nicht befolgt hat. Die Bestellung eines Kurators, die ohne das Vorliegen der in § 4 Abs 1 erster Satz AußStrG geregelten Voraussetzungen erfolgte, könnte erst durch einen dagegen erhobenen erfolgreichen Rekurs beseitigt werden.
9. § 13 Abs 1 AußStrG erster Satz verpflichtet das Gericht, von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen und dieses so zu gestalten, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet sind. Dabei haben die Parteien das Gericht zu unterstützen (zweiter Satz leg cit). Diese in den Materialien (RV aaO 31) mit der Prozessförderungspflicht des § 178 Abs 2 ZPO verglichene Verfahrensförderungspflicht der Parteien besteht insbesondere darin, zu Verhandlungsterminen zu erscheinen oder aufgetragene Schriftsätze fristgerecht einzubringen sowie überhaupt maßgebliches Vorbringen zu erstatten, und dies so früh wie möglich (Rechberger, AußStrG² § 13 Rz 2).
10. Die Revisionsrekurswerberin verweist auf diese Mitwirkungspflicht der Parteien und stellt in Frage, inwieweit das in Art 6 EMRK gewährte Recht einer Partei auf zügige Verfahrensführung gewahrt werden könne, wenn die Gegenpartei der Gerichtssprache nicht mächtig sei und deshalb jeder Schriftsatz, jedes Vorbringen und jeder Gerichtsbeschluss übersetzt werden müssten. Was die Übersetzung von Gerichtsbeschlüssen betrifft, ist die Gefahr einer unzumutbaren Verzögerung des Verfahrens schon deshalb nicht zu sehen, weil es Sache der sprachunkundigen Partei wäre, für eine Übersetzung zu sorgen, um beispielsweise fristgerecht ein Rechtsmittel erheben zu können. Außerstreitverfahren sind zwar so schnell wie möglich, aber auch so sorgfältig und gründlich wie nötig zu führen (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 31). Das Gebot der Schnelligkeit ist daher keineswegs das einzige Prinzip, das dieses Verfahren prägt, wie auch der schon zitierte § 13 Abs 1 AußStrG klarstellt. So verpflichtet § 14 zweiter Satz AußStrG den Außerstreitrichter, nicht durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertretene Parteien umfassend zu belehren und anzuleiten (vgl Rechberger, AußStrG² § 14 Rz 4; vgl Fucik/Kloiber, AußStrG² § 14 Rz 4). Dafür bietet sich insbesondere in zweiseitigen Verfahren (wie dem hier eingeleiteten Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG) eine mündliche Verhandlung an, in der der Außerstreitrichter auch die Formulierung von Vorbringen und Anträgen für eine unvertretene Partei übernehmen könnte (vgl Rechberger aaO § 14 Rz 5 mwN). Eine umfassende Belehrung und Anleitung einer unvertretenen Partei kann sich auch dann zeitaufwändig gestalten, wenn sie die Gerichtssprache beherrscht. Ist eine Partei, die nicht über ausreichende Kenntnisse der Gerichtssprache verfügt, durch Beiziehung eines Dolmetschers in der Lage, die Anleitung und Belehrung des Richters zu verstehen und ihnen in ihrem Interesse zu folgen, ist die Bestellung eines Vertreters nach § 4 Abs 2 AußStrG nicht notwendig (ähnlich Rechberger aaO § 4 Rz 7). Versteht eine Partei die Gerichtssprache nicht und kann sich der Richter auch nicht in einer anderen Sprache mit ihr verständigen, müsste sie ohnehin jedenfalls mit Hilfe eines Dolmetschers vernommen werden (vgl § 82 Abs 1 Geo; vgl 8 Ob 648/85). Ein größerer Zeitaufwand für die Verhandlung, in der ihre Parteienvernehmung stattfindet, ließe sich daher ohnehin nicht vermeiden.
11. Verfügt eine Partei nicht über ausreichende Kenntnisse der Gerichtssprache, ist im Verfahren außer Streitsachen bei mündlichem Vorbringen ein Dolmetscher beizuziehen (Rechberger aaO § 4 Rz 7 mwN). Bringt eine Partei einen Schriftsatz nicht in der Gerichtssprache ein, ist ihr dessen Verbesserung durch Übersetzung in diese aufzutragen (vgl Rechberger aaO § 4 Rz 8; vgl G. Kodek in Fasching/Konecny² III § 432 ZPO Rz 42). Nur wenn sich herausstellt, dass die Partei trotz Beiziehung eines Dolmetschers nicht in der Lage ist, zweckmäßiges Vorbringen zu erstatten und Anträge zu stellen, oder eine objektiv unzumutbare Verzögerung des Verfahrens droht, ist nach § 4 Abs 2 AußStrG vorzugehen.
12. Im vorliegenden Fall sind nach der derzeitigen Aktenlage keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Postulationsunfähigkeit des Antragsgegners gegeben, die durch Beiziehung eines Dolmetschers nicht beseitigt werden könnte. Dem Antragsgegner wurde die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen, bevor noch sprachbedingte Verständigungsprobleme auftraten. Wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannte, lagen die Voraussetzungen für die vom Erstgericht beschlossene Bestellung einer Kuratorin nicht vor.
13. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG.
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