OGH 5Ob251/12s

OGH5Ob251/12s21.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. M***** G*****, 2.) Mag. E***** G*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Dr. Friedrich Petri, Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Graf & Pitkovits Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 46.915,20 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2012, GZ 4 R 190/12h‑12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. April 2012, GZ 14 Cg 37/11t‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass sämtliche der Erstklägerin von der Beklagten eingeräumten Rechte hinsichtlich der Baurechtseinlage EZ 1284 GB ***** und der Doppelhaushälfte *****, auf die Zweitklägerin rechtswirksam übertragen worden ist,

abgewiesen wird.

Weiters wird das Eventualbegehren, es werde mit Wirkung zwischen den klagenden Parteien und der beklagten Partei festgestellt, dass das von der beklagten Partei der erstklagenden Partei eingeräumte Nutzungsrecht an der Doppelhaushälfte *****, EZ 1277 Baurechtseinlage EZ 1284 KG L*****, auf die zweitklagende Partei rechtswirksam übertragen worden ist,

abgewiesen .

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 7.790,30 EUR bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin 1.298,38 EUR USt und 7,60 EUR Barauslagen) sowie die mit 5.179,32 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 2.139,50 EUR Barauslagen und 506,64 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagenden Parteien sind weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 5.041,38 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.852,30 EUR Barauslagen und 364,85 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Mit Baurechtsverträgen vom 9. 8. 1961 zwischen der Stadt W***** als Liegenschaftseigentümerin der EZ 1277, 1278, 1279, 1280 und 1282, alle GB *****, mit den Grundstücksadressen *****, ***** und ***** und der Beklagten als Bauberechtigter wurde Letzterer ein Baurecht auf diesen Liegenschaften für die Zeit bis 31. 12. 2040 eingeräumt. Weiters wurden ihr das Recht und die Pflicht überbunden, auf diesen Liegenschaften jeweils ein Siedlungshaus bzw Einfamilien‑ oder Kleinwohnhaus zu errichten, diese Bauwerke zu erhalten, zu versichern und im Fall ihrer Zerstörung wiederherzustellen. Die Baurechtsverträge wurden auf den Baurechtseinlagen EZ 1283 bis 1287 im Jahr 1961 verbüchert. Eine Abtretung von Baurechten wurde an die Zustimmung der Baurechtsgeberin geknüpft. Zugunsten der Liegenschaftseigentümerin ist auf diesen Liegenschaften ein Vorkaufsrecht verbüchert.

Die Beklagte, eine gemeinnützige Genossenschaft, errichtete auf jeder der einen Bauplatz darstellenden Baurechtseinlagen ein Doppelhaus, insgesamt eine Wohnhausanlage aus fünf Doppelhäusern, deren Errichtung über Wohnbaudarlehen finanziert wurde.

Im Jahr 1962 wurde zwischen der Erstklägerin und der Beklagten eine als „BENÜTZUNGS‑ GEBRAUCHS‑ UND VERWALTUNGS-REGELUNG“ bezeichnete Verein-barung abgeschlossen, die auszugsweise wie folgt lautet:

Auf den derzeit im Eigentum der Gemeinnützigen Wohn‑ und Siedlungsgenossenschaft „V *****“ registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung stehenden Baurechtseinlagen 1283, 1284, 1285 und 1286, alle des Grundbuches der Katastralgemeinde L*****, wurden in gekoppelter Bauweise zehn Einfamilienhäuser errichtet, und zwar derart, dass sich auf jeder einen Bauplatz darstellenden Baurechtseinlage ein Doppelhaus befindet. Es ist vorgesehen, das Eigentum jeder einzelnen Baurechtseinlage je zu einer ideellen Hälfte auf die Inhaber der beiden darauf errichteten Einfamilienhäuser zu übertragen.

Bis zur grundbücherlichen Übertragung der Baurechte und der im Zusammenhang damit zu begründenden Rechte und Pflichten der einzelnen Baurechtseigentümer gelten für die Benützungs‑ und Gebrauchsregelung, sowie die Verwaltung nachstehende

Bedingungen :

1. Die Gemeinnützige Wohn‑ und Siedlungsgenossenschaft „V *****“ registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung übernimmt bis zur grundbücherlichen Baurechtsübertragung und Einverleibung der von der Stadt W***** gewährten Darlehen ob den einzelnen Baurechtseinlagen die finanzielle Betreuung der Hausinhaber, bzw der Verwaltung der fünf Baurechtsliegenschaften.

Mit der genannten Betreuung bzw Verwaltung wird einvernehmlich die Firma „S *****“ gemeinnützige Wohnbau‑ und Siedlungsgesellschaft mit beschränkter Haftung W*****, beauftragt, welche nachstehende Agenden zu besorgen hat:

a) Die Einhebung der derzeit für die gesamte Wohnungsanlage zu leistenden Darlehensrückzahlungsbeträge (Annuitäten) und deren anteilmäßige Aufteilung auf die einzelnen Hausinhaber.

b) Die Einhebung der Bauzinse, deren anteilsmäßige Aufteilung auf die einzelnen Hausinhaber und Einzahlung an die Stadt W *****.

c) Die Einhebung der anteiligen Aufteilung der gesetzlichen Betriebskosten, Steuern und Abgaben sowie Versicherungsprämien für die Baurechtsliegenschaften.

Im Weiteren verpflichtete sich die Erstklägerin, monatlich einen Verwaltungskostenbeitrag von 17 ATS an die „S*****“ zu bezahlen und das ihr zur Nutzung übergebene Wohnhaus Nr II/1 auf der Baurechtseinlage 1284 der KG L***** auf eigene Kosten in gutem Zustand zu erhalten, sämtliche bauliche Veränderungen nicht ohne vorher erwirkte Zustimmung der Stadt W***** durchzuführen, das Bauwerk dauernd gegen Brandschaden zu versichern und die Versicherungssumme zugunsten der Stadt W***** zu vinkulieren, im Fall der gänzlichen oder teilweisen Zerstörung des Bauwerks dieses wiederherzustellen bzw in benützungsfähigen Zustand zu bringen sowie bestimmte Verkehrsflächen herzustellen und diese ganzjährig verkehrssicher zu betreuen. Hinsichtlich bestimmter Allgemeinflächen (Autoabstellplätze, Zufahrt) wurde ebenfalls die Verpflichtung zur Durchführung eines Winterdienstes übernommen, wobei auf eine einvernehmlich herzustellende Regelung mit den übrigen Hausinhabern hingewiesen wurde.

Ob die Erstklägerin Mitglied der Genossenschaft wurde, steht nicht fest.

Die Erstklägerin bezog mit ihrer Tochter, der Zweitklägerin, im Jahr 1964 das Wohnhaus Nr II/1 auf der Baurechtseinlage 1284 der KG L*****. Im Jahr 1975 leistete sie vorzeitig eine vollständige Rückzahlung des Förderungsdarlehens in Höhe von 56.204,88 ATS. In der Entgeltvorschreibung waren seither nur der Bauzins, ein Rücklagenbetrag, Verwaltungskosten, Betriebskosten und Mehrwertsteuer enthalten, sodass etwa im Juni 2010 die Gesamtbelastung für das Haus 175,71 EUR betrug.

Bisher - somit durch 50 Jahre - kam es aus nicht festgestellten Gründen nicht zur Übertragung des Baurechts an die Erstklägerin.

Einem Ersuchen der Erstklägerin im März 2010, die Rechte am bezeichneten Haus auf ihre Tochter übertragen zu können, entgegnete die Beklagte, dass neben anderen Voraussetzungen im Fall der Übertragung der Rechte ein monatliches Entgelt von 550,76 EUR für Neuvermietung zu leisten sei. Ein Recht auf Weitergabe der Nutzungsrechte wurde seitens der Verwalterin der Beklagten bestritten und argumentiert, dass der Erstklägerin nur ein „Präsentationsrecht“ zustehe.

Am 13. 5. 2011 schloss die Erstklägerin mit der Zweitklägerin in Form eines Notariatsakts eine Vereinbarung, womit die Erstklägerin der Zweitklägerin sämtliche der Erstklägerin aus der Benützungs‑, Gebrauchs‑ und Verwaltungsregelung aus dem Jahr 1962 betreffend das Objekt ***** in ***** zustehenden Rechte, „wie sie diese bisher benützt und besessen hat oder doch zu besitzen und benützen berechtigt gewesen wäre“, unentgeltlich übertrug. Diese nahm die Übertragung an. Festgehalten wurde, dass die Rechtsübertragung alle Rechte und Pflichten, insbesondere die sich aus der Vereinbarung ergebenden Anwartschaftsrechte sowie die Nutzungsrechte am Gebäude umfasse.

Die Beklagte bestritt die Wirksamkeit dieser Rechtsabtretung und bot der Zweitklägerin eine Neuvermietung zu einem monatlichen Entgelt von 550,76 EUR an.

Mit der vorliegenden Klage begehren die beiden Klägerinnen, mit Wirkung zwischen ihnen und der Beklagten festzustellen, dass sämtliche der Erstklägerin von der Beklagten eingeräumten Rechte hinsichtlich der Baurechtseinlage und der Doppelhaushälfte *****, insbesondere das Anwartschaftsrecht auf Übertragung des Eigentums an einem ideellen Hälfteeigentum an der Baurechtseinlage, verbunden mit dem Nutzungsrecht an der Doppelhaushälfte, rechtswirksam auf die Zweitklägerin übertragen wurden. In eventu wird begehrt, festzustellen, dass das von der Beklagten der Erstklägerin eingeräumte Nutzungsrecht an der Doppelhaushälfte rechtswirksam auf die Zweitklägerin übertragen wurde.

In rechtlicher Hinsicht gründen sich die Begehren der Klägerinnen darauf, dass zwischen der Erstklägerin und der Beklagten eine vertragliche Vereinbarung bestehe, wonach das Eigentum an der ideellen Hälfte der Baurechtseinlage auf sie zu übertragen sei. Das auf der Liegenschaft befindliche Doppelhaus sei Zubehör des Baurechts. Der Erstklägerin komme somit aus der vertraglichen Vereinbarung mit der Beklagten ein Vermögenswert des Anwartschaftsrechts auf Übertragung eines Hälfteanteils des Baurechts ohne weitere Voraussetzungen zu. Sie habe die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung sämtlicher Darlehensraten erfüllt und damit bereits im Jahr 1975 den auf sie entfallenden Anteil der Kosten der Errichtung der Baulichkeit in voller Höhe geleistet. Die Zahlung eines Bestandzinses sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Bis zur grundbücherlichen Durchführung seien der Erstklägerin umfassende Nutzungsrechte und Erhaltungspflichten eingeräumt bzw überbunden worden. Damit sei schon vor Übertragung des Baurechts eine umfassende Risikoverschiebung hinsichtlich des aufgrund des Baurechts hergestellten Hauses zu Lasten der Erstklägerin erfolgt. Ihr seien auch bereits die Rechte und Pflichten des Nutznießers iSd § 6 Abs 1 und 2 BauRG übertragen worden. Aufgrund der bedingungslosen Zusage der Eigentumsübertragung sei ihre Rechtsstellung mit jener eines außerbücherlichen Eigentümers einer Liegenschaft vergleichbar. Das Anwartschaftsrecht sei ‑ wie das Baurecht selbst ‑ veräußerbar, übertragbar und vererblich. Die grundbücherliche Durchführung der Baurechtsübertragung auf die Nutzungsberechtigten sei bislang aus nicht im Bereich der Klägerinnen gelegenen Gründen unterblieben. Damit sei die Übertragung der Rechte von der Erstklägerin auf die Zweitklägerin wirksam erfolgt. Eine Berechtigung der Beklagten, einer Übertragung der Rechte nur in Form einer Neuvermietung zu geänderten Konditionen, insbesondere zu einem monatlichen Entgelt von 550,76 EUR, zuzustimmen, bestehe infolge dessen nicht.

Die Beklagte bestritt die Klagebegehren und beantragte deren Abweisung. Im bezeichneten Vertrag aus dem Jahr 1962 habe die Beklagte der Erstklägerin weder eine Option auf Übertragung des Baurechts eingeräumt, noch sei sie eine Verpflichtung eingegangen, das Baurecht zu übertragen. Das ergebe sich schon aus dem völlig eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung, die nur eine allgemeine Absichtserklärung enthalte. Weder seien die Modalitäten der Übertragung des Baurechts festgelegt noch Regelungen des Verhältnisses der künftigen Baurechtsnehmer untereinander getroffen worden. Die Einräumung einer Option auf die Übertragung des Baurechts wäre rechtlich ohne Zustimmung der Liegenschaftseigentümerin und der übrigen Nutzungsberechtigten nicht möglich gewesen. Eine wie von den Klägerinnen behauptete Zusage hätte die Beklagte nicht erteilen können. Im Übrigen wäre, selbst wenn ein solches Recht eingeräumt worden wäre, dieses nach Ablauf von 30 Jahren verjährt.

Der zwischen der Erstklägerin und der Beklagten vereinbarte Nutzungsvertrag sei ein genossenschaftlicher Nutzungsvertrag und unterliege den Bestimmungen des WGG. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Erstklägerin die Errichtungskosten und den Bauzins getragen habe. Eine Überwälzung dieser Positionen auf den Nutzungsberechtigten sei nach den Bestimmungen des WGG in einem genossenschaftlichen Nutzungsvertrag als Entgeltbestandteil zulässig. Die Erstklägerin habe daher keinesfalls einen Kaufpreis bezahlt. Ein solcher wäre nach den Regelungen des WGG zu ermitteln und enthalte zwingend weitere Entgeltbestandteile. Dass die Erstklägerin im Vertrag die Kosten der Versicherung und Erhaltung des Hauses übernommen habe, spreche ebenfalls nicht gegen einen genossenschaftlichen Nutzungsvertrag. Die Kosten der Versicherung eines Gebäudes würden in der Regel im Wege der Betriebskosten verrechnet und daher ohnedies vom Nutzungsberechtigten bezahlt. Die Erhaltungskosten seien ebenfalls von den Nutzungsberechtigten zu tragen. Auch die Überwälzung des Bauzinses auf Nutzungsberechtigte sei zulässig.

Der Erstklägerin komme kein Recht zu, die Rechte und Pflichten aus dem Nutzungsvertrag ohne Zustimmung der Beklagten an Dritte zu übertragen. Ihr sei weder im ursprünglichen Vertrag noch danach ein Weitergaberecht eingeräumt worden. Den Nutzungsberechtigten komme ein bloßes Vorschlagsrecht zu.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen gab das Erstgericht dem Hauptfeststellungsbegehren statt. Es beurteilte die Benützungs‑, Gebrauchs‑ und Verwaltungsregelung als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft auf Übertragung des Baurechts an die Erstklägerin. Es sei nicht vereinbart worden, wann die Übertragung des Objekts durch bücherliche Einverleibung erfolgen solle, eine Übertragung sei auch bis heute nicht erfolgt. Die Erstklägerin habe daher am Objekt nur ein Anwartschaftsrecht auf Übertragung des Baurechts erworben. Sie habe sämtliche Verpflichtungen aus dem zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft erfüllt und hätte die Übertragung daher zu jeder Zeit einfordern können. Aus der gesetzlich angeordneten Übertragbarkeit des Baurechts nach § 1 Abs 1 BauRG lasse sich auch die Übertragbarkeit eines bloßen Anwartschaftsrechts ableiten. Hätte die Beklagte diese Möglichkeit ausschließen wollen, hätte sie das im Vertrag vorsehen müssen. Einseitig von ihr nachträglich aufgestellte Regelungen änderten daran nichts. Das zugunsten der Stadt W***** verbücherte Vorkaufsrecht hindere weder den Erwerb des Baurechts durch die Erstklägerin noch stehe es einer unentgeltlichen Weitergabe des Anwartschaftsrechts an die Zweitklägerin entgegen.

Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es bestätigte das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe, dass die (weiter oben bei der Wiedergabe der Klagebegehren kursiv geschriebene) Wortfolge „insbesondere das Anwartschaftsrecht auf Übertragung des Eigentums an einem ideellen Hälfteanteil an dieser Baurechtseinlage, verbunden mit dem Nutzungsrecht an dieser Doppelhaushälfte“ zu entfallen habe.

Weil das Begehren der Klägerinnen allein auf die Feststellung abziele, dass die Erstklägerin der Zweitklägerin sämtliche Rechte, Pflichten und Ansprüche aus der Vereinbarung übertragen habe, komme es auf den Inhalt dieser Rechte und Pflichten nicht wesentlich an. Es müsse daher nicht geprüft werden, ob ein Anspruch auf bücherliche Übertragung des Baurechts bestehe.

Dennoch legte das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht zugrunde, die in Frage stehende Vereinbarung aus 1962 lasse auch nicht ansatzweise erkennen, dass sie einen Mietvertrag oder einen genossenschaftlichen Nutzungsvertrag darstellen solle. Vielmehr enthalte sie ausdrücklich die Übereinkunft, dass die Erstklägerin das „ideelle Hälfteeigentum“ jener Baurechtseinlage erhalten solle, auf der ihre Wohneinheit errichtet sei. Die Erstklägerin hätte daher davon ausgehen dürfen, dass ihr vertraglich ein Baurecht zugesagt worden sei. Regelungen, die „bis zur grundbücherlichen Übertragung der Baurechte“ gelten sollten, nämlich die „Bedingungen“ für die Benützung, den Gebrauch und die Verwaltung, ließen hingegen nicht erkennen, dass diese Regelungen allenfalls auf Dauer ein grundlegend anderes Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsteilen bewirken sollten. Gerade die von der Erstklägerin übernommenen umfangreichen Instandhaltungspflichten sprächen für eine eigentümerähnliche Berechtigung am Wohnobjekt. Im Weiteren legte das Berufungsgericht zugrunde, zwischen den Parteien habe seit dem Jahr 1975 Konsens darüber geherrscht, dass die Erstklägerin ihre Verbindlichkeiten aus der Vereinbarung und damit sämtliche Errichtungskosten bzw Annuitäten zur Gänze abgedeckt habe. Es bestehe daher kein Raum mehr dafür, eine Unwirksamkeit der Vereinbarung mangels Bestimmtheit iSd § 869 ABGB zugrundezulegen.

Weil zwischen den Parteien keine Vereinbarung getroffen worden sei, was gelten solle, wenn es zur grundbücherlichen Umsetzung der Baurechtsübertragung an die Erstklägerin nicht komme, führe eine ergänzende Vertragsauslegung, die an den beiderseitigen Interessenverhältnissen zu orientieren sei, dazu, dass der Erstklägerin eine freie Übertragbarkeit ihrer Rechtsposition jedenfalls an eine eintrittsberechtigte Person zuzugestehen sei. Hätten die Parteien seinerzeit bedacht, dass es niemals zur Realisierung der zugesagten Rechtsposition kommen werde, die Erstklägerin aber sämtliche ihr obliegende vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hätte, hätten redliche Parteien eine Übertragbarkeit ihrer Rechtsposition vereinbart.

Davon sei nur das obligatorische Verhältnis zwischen den Klägerinnen und der Beklagten erfasst, weshalb die Rechtsposition der Grundeigentümerin davon unberührt bleibe.

Im Weiteren verneinte das Berufungsgericht eine Verjährung der Befugnis der Erstklägerin, ihre Rechtsposition zu übertragen. Eine Verpflichtung zur Übertragung der Rechte habe nicht bestanden, weshalb sie auch nicht verjähren könnte. Erstmals am 12. 3. 2010 habe die Beklagte ein solches Übertragungsrecht bestritten, weshalb der Beginn der Verjährungsfrist erst mit diesem Zeitpunkt anzusetzen sei.

Weil die Klage nicht auf eine Änderung der dinglichen Rechtsverhältnisse abziele, sondern bloß auf die Klarstellung obligatorischer Rechtsbeziehungen zueinander, könnte der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage auf Übertragung des Baurechts entgegengehalten werden. Es erscheine doch in erheblichem Maß fraglich, ob die Erstklägerin in Anbetracht der über Jahrzehnte hinweg bestehenden Hindernisse für die Verbücherung der Vertragskonstruktion überhaupt jemals die Verbücherung eines Baurechts erfolgreich durchsetzen könnte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Auslegungsfragen hinsichtlich der gegenständlichen Vereinbarung sowie die weiters maßgeblichen Aspekte nicht von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Revisionsbeantwortung erstattet und darin beantragt, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil die Beurteilung der Übertragbarkeit der schuldrechtlichen Rechtsposition der Erstklägerin durch die Vorinstanzen einer rechtlichen Korrektur bedarf.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Wirksamkeit der Abtretung einer schuldrechtlichen Rechtsposition setzt ganz grundsätzlich die Zustimmung aller Beteiligten voraus (vgl 5 Ob 505/93 SZ 66/166; 1 Ob 152/02p SZ 2003/49 mwN ua). Die Vertragsübernahme ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Sie wird nach herrschender Ansicht nicht mehr als Kombination aus Forderungs‑ und Schuldübernahme, sondern als einheitliches Rechtsgeschäft („Einheitstheorie“) verstanden, wodurch die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen wird und der Vertragsübernehmer an die Stelle der aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt. Es ist herrschende Auffassung, dass es dazu der Mitwirkung von Alt‑, Neu‑ und Restpartei bedarf (5 Ob 504/96 SZ 70/202; RIS‑Justiz RS0108705; 8 Ob 34/08w Zak 2008/370, 217; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang ³ § 1406 ABGB Rz 26 mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rsp). Stimmt der verbleibende Vertragspartner nicht bereits im Vorhinein zu (vgl zum Mieterwechsel RIS‑Justiz RS0032705), so wird die Vertragsübernahme in der Regel erst durch seine rechtsgeschäftliche Erklärung, dem Wechsel des Vertragspartners zuzustimmen, wirksam (6 Ob 55/01h; 8 Ob 34/08w; zum Bestandvertrag: RIS‑Justiz RS0020499; RS0032727).

Ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses verändert werden, wird durch einen einheitlichen Akt nicht nur die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen, sondern tritt auch der Vertragsübernehmer anstelle der aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Person ein und übernimmt deren gesamte vertragliche Rechtsstellung (RIS‑Justiz RS0032623; RS0032653; RS0033492).

Aus dem Wortlaut der zwischen den Klägerinnen in Form eines Notariatsakts abgeschlossenen Vereinbarung vom 13. 5. 2011 ergibt sich, dass gerade derartige Rechtswirkungen beabsichtigt waren. Auf die Feststellung eines derartigen Rechtsübergangs ‑ und nicht auf Feststellung des Bestehens eines Anwartschaftsrechts auf Baurechtseinräumung ‑ ist auch das Klagebegehren gerichtet.

Ohne Zustimmung der Beklagten wurde aber, wie ausgeführt, eine Vertragsübernahme nicht bewirkt. Im Sinn der oben dargestellten (und herrschenden) Einheitstheorie wäre es auch nicht zulässig, aus dem Bündel gegenseitiger Rechte und Pflichten, die sich aus der Vereinbarung aus 1962 ergeben, ein der Erstklägerin nach ihren Behauptungen zustehendes Anwartschaftsrecht auf Übertragung des Baurechts zu isolieren und damit eine freie Verkehrsfähigkeit dieses Rechts zu begründen.

Auch die Vertragsergänzung durch das Berufungsgericht, mit der dem Vertrag eine Vorwegzustimmung der Beklagten zu Verfügungshandlungen der Erstklägerin „hinzugefügt“ wurde, vermag der erkennende Senat nicht zu billigen.

Voraussetzung jeder ergänzenden Vertragsauslegung ist das Bestehen einer echten „Vertragslücke“, die zu schließen wäre ( Bollenberger in KBB 3 § 914 Rz 8). Eine solche Lücke ist hier nicht erkennbar. Die Parteien haben nämlich für den Zeitraum und damit wohl auch für den Fall einer länger dauernden Nichtdurchführung der vorgesehenen Übertragung des Baurechts an die Erstklägerin eine Vereinbarung geschlossen, nach der der Erstklägerin ein Nutzungsrecht gegen bestimmte Gegenleistungen eingeräumt wurde. Ob es sich dabei um einen Mietvertrag, einen genossenschaftlichen Nutzungsvertrag oder einen sich als unmittelbaren Ausfluss eines Baurechtsanwartschaftsvertrags darstellenden Anspruch auf Nutzung handelt (vgl RIS‑Justiz RS0083324), muss hier nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls haben die Parteien für die Zeit der Nichtdurchführung der Baurechtsabtretung vertraglich Vorsorge getroffen. Jeder der denkbaren Vertragstypen hält Rechtsnormen für die Lösung des Problems bereit, dass eine möglicherweise nur als vorübergehende Nutzungsvereinbarung gedachte Regelung sich als Dauertatbestand verwirklicht. Darüber hinaus kommen bereicherungsrechtliche Ansprüche, Ansprüche nach § 17 WGG oder Schadenersatzansprüche in Frage, wenn die Erstklägerin tatsächlich Leistungen im Hinblick auf das Zustandekommen einer Baurechtsübertragung erbracht hätte, die sie bei Kenntnis der Nichtverwirklichung dieses Rechts nicht erbracht hätte und die auch durch die tatsächliche Nutzung des Wohnobjekts über Jahrzehnte nicht gerechtfertigt (gewesen) wären.

Mangels einer Regelungslücke ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsergänzung nicht erforderlich.

Im Ergebnis kommt somit der zwischen den Klägerinnen abgeschlossenen Vereinbarung gegenüber der der Vertragsübernahme nicht zustimmenden Beklagten keine bindende Rechtswirksamkeit zu.

Das hatte zur Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer vollständigen Klagsabweisung zu führen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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