OGH 1Ob247/12y

OGH1Ob247/12y14.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Mag. M***** S*****,vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die Antragsgegner 1. E***** S*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, und 2. M***** S*****, vertreten durch Dr. Alice Hoch, Rechtsanwältin in Laxenburg, wegen Benützungsregelung, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 6. September 2012, GZ 7 R 52/12w-106, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 28. Dezember 2011, GZ 1 Nc 22/07k-89, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 5. Juni 2012, GZ 1 Nc 22/07k-104, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den außerordentlichen Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft in B*****, auf der sich ein Wohnhaus und mehrere Nebengebäude befinden, wobei der Antragstellerin 3/16 Anteile, dem Erstantragsgegner 17/32 Anteile und dem Zweitantragsgegner 9/32 Anteile zukommen. Der Miteigentumsanteil des Zweitantragsgegners ist mit einem Fruchtgenussrecht der Antragstellerin „gemäß Benützungsvereinbarung vom 1. 2. 2000“ belastet. Die letzte gerichtliche Benützungsregelung erfasste zumindest einen weiteren (früheren) Miteigentümer, dessen Miteigentumsanteil der Erstantragsgegner im Jahr 2004 nach dessen Tod erworben hat. Auch eine Wohnberechtigte, der das Wohnrecht an einem Raum im Obergeschoss zugestanden war, ist mittlerweile verstorben.

Unter Berufung auf die geänderten Verhältnisse beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer neuen Benützungsregelung. Insbesondere begehrte sie die Zuweisung bestimmter Wohnräume des Hauses an sie und machte Vorschläge zur allgemeinen Benützung bestimmter Räumlichkeiten sowie zur Verteilung der Gartenobjekte, wobei sie insbesondere vorschlug, dass ein Gartenhaus mit einem Schlagbrunnen, der die einzige Wasserentnahmestelle der Liegenschaft bilde, der allgemeinen Benützung dienen solle. Der Erstantragsgegner sprach sich gegen den Antrag aus und meinte, die bereits vorliegende Regelung bedürfe keiner Änderung. Er habe die Miteigentumsanteile eines früheren Miteigentümers von dessen Erben erworben, weshalb die bisherige Benützungsregelung weiter aufrecht bleiben könne.

Das Erstgericht erließ - im zweiten Rechtsgang - eine Benützungsregelung, mit der eine gemeinsame Nutzung von Eingang samt Stiegenaufgängen, Vorzimmer, WC und Waschküche im Erdgeschoss, des Kellers, des sogenannten Durchgangszimmers im ersten Stock und des Dachbodens sowie des Gartens angeordnet wurde. Im Übrigen wies es den drei Miteigentümern bestimmte Räumlichkeiten im Haus bzw Nebengebäude zur alleinigen Benützung zu, darunter dem Erstantragsgegner das „blaue Gartenhaus“. Zur Frage der Wasserversorgung traf das Erstgericht folgende Feststellungen:

„An die Waschküche anschließend befindet sich das WC, das auch über den Vorraum erreichbar ist, dieses WC ist zwar benützbar aber hat keine funktionsfähige Spülung und ist auch nicht an den Kanal angeschlossen. ...

[In der Küche] ... befindet sich auch ein Stromanschluss. Außerdem befindet sich auch eine Waschmuschel hier. Es gibt jedoch keinerlei Wasseranschluss. ...

... das Stiegenhaus, in dem sich ein Waschbecken mit Wasser an der Wohnwasseranschluss würde dieser den Dreien zur gemeinsamen Benützung zugeteilt.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass grundsätzlich jeder Miteigentümer Anspruch auf eine annähernd seinen Miteigentumsanteilen entsprechende Sachbenützung habe, wenn der persönliche Bedarf an einer solchen Nutzung gegeben ist. Die angeordnete Benützungsregelung entspreche diesem Grundsatz. Auf die Frage der Wasserversorgung ging das Erstgericht nicht ein.

Das Rekursgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung teilweise ab, wobei die „blaue Hütte“ weiterhin dem Erstantragsgegner zur Alleinbenützung zugewiesen wurde. Zur vom Zweitantragsgegner in seinem Rekurs aufgeworfenen Frage der Wasserversorgung führte es aus, es sei nicht festgestellt worden, dass sich in der blauen Hütte ein Brunnen als einzige Wasserstelle auf der Liegenschaft befinde. Dazu sei zunächst auf die nicht ganz verständliche Feststellung des Erstgerichts bezüglich eines Wasseranschlusses mit Waschbecken im Stiegenhaus verwiesen. Unabhängig davon könne der Umstand, dass sich in der „blauen Hütte“ ein Schlagbrunnen befindet, als im Verfahren zugestanden angesehen werden. Dem Antrag der Antragstellerin und des Zweitantragsgegners, die „blaue Gartenhütte“ zur allgemeinen Nutzung zuzuweisen, weil sich dort die einzige Wasserentnahmestelle befinde, sei zunächst zu entgegnen, dass diese Hütte in der bisherigen Benützungsregelung dem inzwischen verstorbenen Miteigentümer zur alleinigen Nutzung zugeteilt worden war. Die reklamierte Wasserentnahmestelle sei daher schon seit Jahrzehnten offenbar nicht im Weg der allgemeinen Nutzung der Hütte durch alle Miteigentümer offen gestanden. Für das Rekursgericht sei zwar nicht mit letzter Sicherheit beantwortbar, ob der Satz im erstgerichtlichen Beschluss „... das Stiegenhaus, in dem sich ein Waschbecken mit Wasser an der Wohnwasseranschluss würde dieser den Dreien zur gemeinsamen Benützung zugeteilt“ bedeuten soll, dass es in dem der Allgemeinnutzung zugewiesenen Stiegenhaus bereits einen Wasseranschluss gäbe. Unabhängig davon sei die „blaue Gartenhütte“ aber schon deshalb dem Erstantragsgegner zur alleinigen Nutzung zuzuweisen, weil er nur so einen ausreichenden Teil an den Nebengebäuden zugewiesen erhalten könne, was in einem gewissen Ausmaß die geringere Zuteilung an Wohnraum aufwiegen könne.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil es sich um eine Ermessensentscheidung im Einzelfall handle und die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG daher nicht vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Revisionsrekurse der beiden Antragsgegner sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen auch berechtigt.

Der Erstantragsgegner weist in seinem Rechtsmittel unter anderem darauf hin, dass dem Zweitantragsgegner gar kein Nutzungsrecht an der Liegenschaft zukommen könne, habe er doch der Antragstellerin mit Vereinbarung vom 1. 2. 2000 ein grundbücherlich einverleibtes Fruchtgenussrecht an seinem gesamten Miteigentumsanteil eingeräumt. Der Zweitantragsgegner setzt sich in seinem Revisionsrekurs unter anderem mit der Problematik der Wasserversorgung auseinander. Er legt dar, dass sich der einzige Wasseranschluss in der „blauen Hütte“ befinde, die daher nicht einem Miteigentümer zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden dürfe. Der inzwischen verstorbene Miteigentümer, dem in den früheren Benützungsregelungen die „blaue Hütte“ alleine zugeteilt worden war, sei einsichtig gewesen und habe die übrigen Miteigentümer an der im ihm zugewiesenen Objekt vorhandenen Wasserentnahmemöglichkeit teilhaben lassen, was allerdings vom Erstantragsgegner nicht zu erwarten sei. Dass sich im Haus keine (zusätzliche) Wasserentnahmemöglichkeit befinde, habe das Erstgericht mit seinem verstümmelten Satz durchaus zum Ausdruck bringen wollen. Der Erstrichter habe offensichtlich beabsichtigt, den Satz „... das Stiegenhaus, in dem sich auch ein Wasserbecken mit Wasserhahn, aber ohne Wasseranschluss befindet, wurde in dieser Benützungsregelung zur gemeinsamen Benutzung zugeteilt.“ aus dem Sachbeschluss ON 27 des Verfahrens 2 Nc 29/96p des Erstgerichts zu übernehmen, der ihm als Erkenntnisquelle für die beabsichtigte Feststellung gedient habe.

Damit werden im Revisionsrekursverfahren zwei maßgebliche Fragen aufgeworfen, von denen die beantragte Benützungsregelung ganz wesentlich abhängt, die aber von den Vorinstanzen nicht ausreichend erörtert worden sind.

Zutreffend verweist der Erstantragsgegner darauf, dass sich aus dem dem Erstgericht seit 5. 5. 2008 vorliegenden Grundbuchsauszug (ON 24), der in der mündlichen Verhandlung am selben Tag vorgetragen wurde, ein Fruchtgenussrecht der Antragstellerin am Miteigentumsanteil des Zweitantragsgegners ergibt, zu dessen Umfang auf eine Benützungsvereinbarung vom 1. 2. 2000 verwiesen wird. Sollte die Behauptung des Erstantragsgegners zutreffen, der Antragstellerin käme ein Fruchtgenussrecht im Sinn des § 509 ABGB am Miteigentumsanteil des Zweitantragsgegners zu, wäre Letzterer bei der Zuweisung von Teilen der Liegenschaft im Rahmen einer Benützungsregelung nicht zu berücksichtigen, hätte er doch die aus seinem Miteigentum erfließenden Befugnisse mit Ausnahme der zu Eingriffen in die Substanz (vgl RIS-Justiz RS0011873 [T2]; RS0088537 [T2]) zur Gänze der Antragstellerin übertragen. Ein Fruchtgenuss kann ja auch an ideellen Liegenschaftsanteilen begründet werden (RIS-Justiz RS0011833 [T2]). Da ein solcher das Recht auf die Ausübung der dem Miteigentümer des Anteils zustehenden Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse gibt (RIS-Justiz RS0011877), hat auch eine Benützungsregelung mit dem Fruchtnießer stattzufinden (5 Ob 76/88 = JBl 1989, 173). Auf das Verhältnis zwischen dem Fruchtnießer eines Liegenschaftsanteils und den Eigentümern nicht belasteter Liegenschaftsanteile sind die Vorschriften über die Eigentumsgemeinschaft (entsprechend) anzuwenden (RIS-Justiz RS0011819; Gamerith in Rummel, ABGB² § 825 Rz 8; Sailer in KBB³ § 825 ABGB Rz 6). Sollte sich hingegen das Fruchtgenussrecht nicht auf den ideellen Miteigentumsanteil beziehen, was unter Umständen der Verweis auf eine Benützungsvereinbarung aus dem Jahr 2000 nahelegen könnte und was auch der Zweitantragsgegner nun behauptet, wäre die dingliche Rechtsstellung der betroffenen Miteigentümer, auch im Hinblick auf die Entscheidungen 5 Ob 89/08m (mwN) ua (RIS-Justiz RS0011833 [T4, T6]) zu erörtern bzw durch Einsichtnahme in die entsprechende Urkunde zu ermitteln, bevor beurteilt werden kann, welchen Einfluss das Fruchtgenussrecht der Antragstellerin auf die Nutzungsrechte der beiden Miteigentümer hat.

Unstrittig ist, dass sich in der „blauen Hütte“ ein Brunnen mit einer Wasserentnahmemöglichkeit befindet, wobei bisher nicht geklärt wurde, ob es sich dabei um die einzige Wasserentnahmemöglichkeit auf der Liegenschaft handelt. Da grundsätzlich jeder Miteigentümer, dem im Rahmen einer Benützungsregelung im Sinn des § 835 ABGB Teile der Liegenschaft zu Wohn- oder auch nur zu Freizeitzwecken zugewiesen werden, eines Zugangs zu dem auf der Liegenschaft grundsätzlich vorhandenem Wasser bedarf, wird nach entsprechenden Erhebungen bzw nach einer allfälligen Außerstreitstellung maßgeblicher Umstände eine Regelung zu erfolgen haben, die allen Berechtigten die Wasserentnahme ermöglicht. Schließlich soll die Entscheidung das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung sein, die persönliche und familiäre Verhältnisse ebenso berücksichtigt wie die Dringlichkeit des jeweiligen Bedarfs (vgl RIS-Justiz RS0101498). Dass es offenbar auch in der Vergangenheit mit der Wasserversorgung der Übrigen keine Probleme gegeben hatte, obwohl die „blaue Hütte“ einem bestimmten Miteigentümer zur alleinigen Nutzung zugewiesen worden war, kann hier vor allem angesichts der Änderung der Miteigentümerstruktur eine Prüfung, auf welche Weise den Beteiligten ein gesicherter Zugang zum Wasser eingeräumt werden kann, nicht ersparen.

Ein Eingehen auf die weiteren im Revisionsrekursverfahren vorgebrachten Argumente erübrigt sich im derzeitigen Verfahrensstadium, weil die konkrete Zuweisung von Räumlichkeiten bzw Liegenschaftsteilen ganz entscheidend von der Beantwortung der beiden erörterten Hauptfragen abhängt.

Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass mit einer aufhebenden Entscheidung die Sache nicht im Sinn des § 78 Abs 1 AußStrG erledigt wird und damit keine Basis für den Ausspruch einer Kostenersatzpflicht vorliegt.

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