OGH 5Ob76/88

OGH5Ob76/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Klinger, Dr. Petrag und Dr. Schwarz als Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerinnen Ingrid und Doris H***, Angestellte, Linz, Hauserstraße 19, beide vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wider die Antragsgegnerin Ingrid V***, Hausfrau, Vöcklabruck, Stadtplatz 14, vertreten durch Dr. Erich Aichinger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Benützungsregelung infolge Revisionsrekurses der Antragstellerinnen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 23. August 1988, GZ R 241/88-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 12. April 1988, GZ Msch 3/86-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die beiden Antragstellerinnen sind je zu 1/6 Miteigentümerinnen der Liegenschaft EZ 144 KG Kirchsteig mit dem Haus Hötzing 18. Die Antragsgegnerin ist auf Grund des Übergabsvertrages vom 7. Juli 1983 Miteigentümerin der restlichen 4/6. Der Miteigentumsanteil der Antragsgegnerin ist mit einem Fruchtgenußrecht und der Reallast der Pflege und Betreuung zugunsten des Josef H*** belastet. Mit dem am 24. April 1986 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrten die Antragstellerinnen, hinsichtlich der Liegenschaft eine Benützungsregelung dahin zu treffen, daß die alleinige Benützung der gesamten Liegenschaft der Antragsgegnerin zukommen soll, die den beiden Antragstellerinnen dafür ab Antragstellung ein Benützungsentgelt von monatlich je S 3.000,-- zu zahlen hat. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages. Das Erstgericht wies die alleinige Benützung der gesamten Liegenschaft der Antragsgegnerin zu und verpflichtete diese (unter rechtskräftiger Abweisung des Mehrbegehrens von monatlich je S 929,07), den Antragstellerinnen ab 24. April 1986 ein Benützungsentgelt von monatlich je S 2.070,93 (darin enthalten 10 % Umsatzsteuer von S 188,27) zu zahlen. Es traf folgende Feststellungen:

Die Erstantragstellerin zog zwar bereits im Jahre 1976 aus dem auf der Liegenschaft EZ 144 KG Kirchsteig liegenden Elternhaus Hötzing 18 aus, hatte aber im Dachgeschoß des Gebäudes ihr früheres Jugendzimmer zur Verfügung, welches sie bei fallweisen Besuchen benützen konnte. Im Jahre 1981 kam es zwischen der Antragsgegnerin und der Zweitantragstellerin zu einem Streit. Die Erstantragstellerin versuchte vorerst, zwischen ihrem Vater und ihrer Schwester (der Zweitantragstellerin) zu vermitteln. Schließlich kam es aber dazu, daß Josef H*** seine beiden Töchter aus dem Haus verwies und diese mit Schreiben vom 1. November 1983 aufforderte, alle ihre persönlichen Sachen abzuholen, widrigenfalls diese dem Roten Kreuz übergeben würden. Zumindest seit diesem Zeitpunkt sind die persönlichen Beziehungen zwischen Josef H*** und seinen Töchtern, den Antragstellerinnen, praktisch nicht mehr existent. Ein Zusammenleben zwischen Vater und Töchtern im gegenständlichen Haus ist wegen dieser persönlichen Differenzen unmöglich.

Die gegenständliche Liegenschaft EZ 144 KG Kirchsteig besteht aus dem Grundstück 1103/8 (975 m2) mit einem Wohn- und Bürohaus samt Außenanlagen und Gartenanlagen. Das Wohn- und Bürohaus weist ein Kellergeschoß, ein Erdgeschoß, ein erstes Obergeschoß, ein Dachgeschoß und einen ausbaufähigen Dachboden auf. Heute wird nur mehr das erste Obergeschoß (von Josef H***) als Wohnung benützt. Die Räume im Erdgeschoß, die früher gegen eine Grundmiete von S 3.000,-- monatlich als Büro an eine Ziegelei vermietet waren, sind derzeit leer und nicht vermietet.

Eine ungehinderte Benützung der getrennten Liegenschaftsanteile ist nur durch geschoßweise Trennung der 4/6-Anteile von den 2/6-Anteilen möglich.

Bei Nichttrennung der 2/6-Anteile entstehen die geringsten Adaptierungskosten durch Abtrennung, wenn die Zweckwidmung als Betriebsräume (Büro) nicht geändert wird. Diesfalls entstehen Adaptierungskosten von rund S 64.000,-- einschließlich Mehrwertsteuer. Bei Änderung der Zweckwidmung in eine große Wohneinheit mit Kellergarage entstehen Adaptierungskosten durch den Einbau von Badezimmer und Küche von rund S 150.500,-- einschließlich Mehrwertsteuer.

Bei Trennung der 2/6-Anteile in je eine Wohneinheit zu je 1/6-Anteil befinden sich beide Wohnungen im Erdgeschoß und sind diese jeweils durch getrennte Eingänge begehbar. Die Wohnungen haben dann eine gleiche Größe von je 62,90 m2 und entsprechen dem heutigen Wohnungsstandard. Für die Umwidmung des Bürogeschoßes in zwei gleichwertige Wohneinheiten entstehen Adaptierungskosten von insgesamt rund S 705.760,-- einschließlich Mehrwertsteuer. Bei einer Vermietung des Gesamtgebäudes wäre für die Vermietung des Erdgeschoßes, basierend auf einem Mietzins von S 15,-- pro m2, eine Grundmiete für die Wohnung von S 1.980,-- + S 250,-- für die Garage im Kellergeschoß, insgesamt somit von S 2.230,-- erzielbar. Würde das Erdgeschoß hingegen nicht als Wohnraum, sondern als Büroraum verwertet, so ergibt sich, ausgehend von einem Mietzins von S 20,-- pro m2 und einem Entgelt für die Garage von S 250,--, eine Grundmiete von S 2.890,-- ausschließlich Umsatzsteuer. Auch für das erste Obergeschoß wäre unter Miteinbeziehung der Räume im Dachgeschoß ein Mietzins von S 2.500,-- einschließlich Entgelt für die Kellergarage zu erzielen. Es wäre somit, wenn sowohl Erdgeschoß als auch Obergeschoß und Dachgeschoß separat als Wohnungen vermietet würden, insgesamt eine Gesamtmiete von S 4.730,-- ausschließlich Umsatzsteuer erzielbar. Würde die Gesamtliegenschaft an einen Mieter, und zwar gewidmet als Wohnung, vermietet, so wäre ein Mietzins von S 4.988,-- ausschließlich Umsatzsteuer zu erzielen. Bei einer Vermietung an einen Mieter unter Zugrundelegung, daß das Erdgeschoß als Büro benutzt wird und das erste Obergeschoß und das Dachgeschoß für Wohnzwecke verwendet werden, wäre eine Grundmiete von S 5.648,-- ausschließlich Umsatzsteuer erzielbar. Eine Vermietung des Gesamtobjektes an einen Mieter kann auf Grund der günstigen Entfernung zum Stadtgebiet von Ried im Innkreis (14 bis 17 km) nicht ausgeschlossen werden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Eine Benützungsregelung gehöre nicht zur ordentlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache im Sinne des § 833 ABGB und erfordere daher gemäß § 835 ABGB die Einstimmigkeit aller Miteigentümer. Werde eine Einigung zwischen den Miteigentümern nicht erzielt, so könne eine Benützungsregelung auch durch das Außerstreitgericht vorgenommen werden. Im Gesetz sei nicht ausdrücklich vorgesehen, nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten die Benützungsregelung zwischen den Miteigentümern zu erfolgen habe. Nach Lehre und Rechtsprechung habe grundsätzlich jeder Miteigentümer Anspruch auf eine seinem Miteigentumsanteil entsprechende Sachbenützung, wenn diese Benützung teilbar sei. Bei der Regelung sei auch zu beurteilen, ob sie im Hinblick auf das Interesse der Gesamtheit der Miteigentümer vertretbar sei. Dabei dürften die Umstände des Einzelfalles nicht außer acht gelassen werden, wozu auch die Berücksichtigung des persönlichen Bedarfes und dessen Dringlichkeit gehörten. Außerdem solle darauf geachtet werden, daß bei der Benützungsregelung möglichst wenig Kosten verursacht werden. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß die Antragstellerinnen selbst diesen persönlichen Bedarf an der Nutzung der gemeinsamen Liegenschaft nicht einmal behauptet hätten, sondern erwiesenermaßen das Verhältnis zwischen den Antragstellerinnen und dem das Haus bewohnenden Josef H*** dergestalt sei, daß ein Zusammenleben in diesem Gebäude auf Grund der erheblichen Differenzen als unmöglich anzusehen sei. Die Benützungsregelung sei daher zweckmäßigerweise dahingehend vorzunehmen gewesen, daß der Antragsgegnerin das Recht der alleinigen Benützung der gesamten Liegenschaft eingeräumt worden sei. In diesem Falle sei auf Grund des dadurch der Antragsgegnerin zukommenden verhältnismäßig größeren Nutzens als entsprechende Gegenleistung ein Benützungsentgelt festzusetzen. Dieses Benützungsentgelt sei nicht nach billigem Ermessen zu bestimmen, sondern stelle entsprechend seinem Zweck einen entgeltlichen Ausgleich unter den Miteigentümern dar. Das Benützungsentgelt sei nach ständiger Rechtsprechung so zu berechnen, als ob der Miteigentümer Bestandnehmer des seinen Miteigentumsanteil übersteigenden Teiles des gemeinsamen Hauses wäre, und zwar in jener Höhe, die einer ortsüblichen bestmöglichen Verwertung der gemeinschaftlichen Sache entspreche. Bei der Ermittlung des Benützungsentgelts sei von der Lage und Beschaffenheit des Grundstückes auszugehen, in der es sich zum Zeitpunkt der Festsetzung des Entgeltes befinde. Nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen könne im vorliegenden Fall bei bestmöglicher Verwertung der gemeinschaftlichen Sache ein Bestandzins von S 5.648,-- ausschließlich Umsatzsteuer erzielt werden. Der aliquote Anteil für die 2/6-Anteile der Antragstellerinnen betrage somit S 1.882,66 bzw. einschließlich 10 % Umsatzsteuer S 2.070,93. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und wies den Benützungsregelungs- und Benützungsentgeltfestsetzungsantrag der Antragstellerinnen ab. Es führte aus:

Eine Benützungsregelung zwischen Miteigentümern sei die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder körperlich begrenzter Teile von ihr zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder zumindest auf längere Zeit gedachten Benützung an die Teilhaber und die allfällige Festlegung einer Entgeltleistung für eine ihren Anteil überschreitende Benützung. Ein solches Entgelt komme daher nur dann in Frage, wenn einem Miteigentümer - sei es im Einvernehmen der Miteigentümer oder im Wege der Festsetzung durch den Außerstreitrichter - ein seinem Miteigentumsanteil übersteigender Teil der gemeinschaftlichen Sache zur persönlichen Benützung überlassen werde. Der dadurch diesem Miteigentümer zukommende verhältnismäßig größere Nutzen an der gemeinschaftlichen Sache sei dann durch eine entsprechende Gegenleistung auszugleichen. Damit beurteilt werden könne, ob einem Miteigentümer ein Benützungsentgelt zu zahlen sei, sei es daher erforderlich, eine Benützungsregelung vorzunehmen, wobei jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere die persönlichen Verhältnisse der Teilhaber, zu berücksichtigen seien. Solange es ein Miteigentümer unterlasse, eine seinem Miteigentumsanteil entsprechende Gebrauchsordnung bzw. Benützungsregelung herbeizuführen, könne er den anderen Miteigentümer nicht auf Entrichtung eines Benützungsentgeltes in Anspruch nehmen, auch wenn dieser das gemeinschaftliche Gut über seine Quote hinaus gebrauche oder nutze.

Im vorliegenden Fall hätten die Antragstellerinnen ihr Begehren auf Zahlung eines Benützungsentgelts im wesentlichen lediglich darauf gestützt, daß ihnen ein Zusammenleben mit ihrem Vater, der das Haus auf Grund des ihm eingeräumten Wohnungsrechtes bewohne, nicht zugemutet werden könne. Gleichzeitig hätten sie aber gar nicht behauptet, daß sie eine Wohnmöglichkeit in diesem Haus benötigen würden, weshalb ihnen eine anderweitige Nutzung der von der Antragsgegnerin angebotenen Räumlichkeiten ohne weiteres möglich wäre. Die vom Erstgericht festgestellten schlechten Beziehungen zwischen den Antragstellerinnen und ihrem Vater könnten daher keine solchen persönlichen Verhältnisse darstellen, die es unmöglich machen würden, eine Benützungsregelung in der Form vorzunehmen, daß die im strittigen Haus befindlichen Räume zwischen den Parteien entsprechend ihren Miteigentumsanteilen aufgeteilt werden. Wie sich aus dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, sei eine solche räumliche Aufteilung auch leicht herbeizuführen, wenn die ohnehin freistehenden Räume einer Vermietung zugeführt würden. Dies umso mehr, als auch die Antragstellerinnen gar keinen Anspruch darauf erhoben hätten, daß ihnen solche Räume zugewiesen werden, die von ihrem Vater bewohnt werden. Wenn aber eine Aufteilung der Räume möglich sei, könne so lange kein Anspruch auf ein Benützungsentgelt festgesetzt werden, als noch nicht feststehe, ob ein Miteigentümer einen seinen Miteigentumsanteil übersteigenden Teil der gemeinschaftlichen Sache benütze. Da die Antragstellerinnen eine solche räumliche Aufteilung gar nicht anstrebten, sondern lediglich die Zahlung eines Benützungsentgeltes begehrten, sei eine Benützungsregelung in der Form einer Aufteilung der Räume nicht möglich, sodaß mangels einer wirksamen Benützungsregelung auch über ein allfälliges Benützungsentgelt nicht abgesprochen werden könne.

Gegen den abändernden Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Abweisung des Antrages der Antragstellerinnen ist schon deshalb zu Recht erfolgt, weil er, wie der Oberste Gerichtshof bereits in MietSlg 19.045 = EvBl 1967/450 = JBl 1968, 35 ausführlich dargelegt hat, nicht gegen die Antragsgegnerin als Miteigentümerin zu 4/6-Anteilen, sondern gegen Josef H*** als den Fruchtnießer dieser Anteile zu richten gewesen wäre (siehe auch Feil, Liegenschaftsrecht I 261 f; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 509; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 825 und Rz 9 zu § 833; vgl. auch MietSlg 27.099, 32.036 und 36.072). Da der Fruchtgenuß an einem ideellen Anteil einer im Miteigentum stehenden Sache dem Fruchtnießer das Recht auf die Ausübung der dem Miteigentümer dieses Anteils zustehenden Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse gibt, hat auch die Benützungsregelung im Außerstreitverfahren nicht mit dem Miteigentümer des durch den Fruchtgenuß belasteten Anteils, sondern mit dem Fruchtnießer selbst stattzufinden.

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf dessen in andere Richtung gehende Ausführungen einzugehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte