OGH 14Os95/12w

OGH14Os95/12w20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Engelbert H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. März 2012, GZ 013 Hv 18/12b-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Engelbert H***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei er „jeweils falsche Beweismittel und zwar Anzeigebestätigungen der Kriminalpolizei“ benützte und jeweils einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, Verfügungsberechtigte der D***** AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, unbekannte Täter wären am 20. Jänner 2010, am 9. Jänner 2011 und am 30. April 2011 in seine Wohnung durch Abdrehen des Zylinderschlosses eingebrochen und hätten jeweils Wertgegenstände gestohlen, zu Handlungen, die diese am Vermögen schädigten oder schädigen sollten,

(I) verleitet, und zwar zur Auszahlung von

1) 10.978,62 Euro nach dem 20. Jänner 2010;

2) 11.382,20 Euro nach dem 9. Jänner 2011;

3) 2.000 Euro nach dem 30. April 2011;

(II) anlässlich der zu I/3 beschriebenen Straftat zur Auszahlung von weiteren rund 14.000 Euro zu verleiten versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Ablehnung der begehrten Vernehmung von Christian S*****, Mag. Clarissa R***** und Ing. Re***** zum Nachweis, „dass die Türen bei den drei Einbruchsdiebstählen tatsächlich aufgebrochen wurden“ (ON 26 S 29 f), hat Verteidigungsrechte (Z 4) nicht beeinträchtigt. Es hätte eines Vorbringens bedurft (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO), weshalb die Aussagen der Genannten, die nach den behaupteten „Einbruchsdiebstählen“ dem Versicherungsunternehmen zufolge des äußeren Anscheins der Wohnungseingangstür und den Angaben des Angeklagten Berichte erstatteten (US 4 f), geeignet sein sollten, die korrespondierenden Gutachten des später vom Versicherungsunternehmen beigezogenen Sachverständigen Rudolf Ha***** (ON 12 S 21 f) und des gerichtlich beeideten Sachverständigen Günter T*****, die auf einer genauen Untersuchung des gegenständlichen Einstemmschlosses nach dessen Ausbau basieren (vgl ON 16 S 5), zu entkräften.

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider sind die Tatrichter ohnedies davon ausgegangen, dass die vom Versicherungsunternehmen entsandten Personen ein Abbrechen des Schlosszylinders festgestellt haben und Entsprechendes in den bezughabenden Polizeianzeigen festgehalten wurde (US 4 f), sind aber dessen ungeachtet - erkennbar aufgrund der verschiedenen Beurteilungsgrundlagen (vgl erneut US 4 f), solcherart mängelfrei - dem von ihnen für schlüssig und nachvollziehbar bewerteten Gutachten des Sachverständigen Günter T***** gefolgt (US 6).

Entgegen der Kritik eines Begründungsfehlers der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 5 vierter Fall) ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen und Wissen - unter dem Aspekt von Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) - nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur „Wollenskomponente“ des Vorsatzes und zur „subjektiven Tatseite betreffend die Benützung eines falschen Beweismittels“ vermisst, zeigt sie kein relevantes Defizit der tatrichterlichen Konstatierungen auf, weil nicht deutlich wird, inwiefern fallaktuell das von den Tatrichtern festgestellte Erstatten von Einbruchsanzeigen durch den Angeklagten im Wissen, dass er die Einbruchsdiebstähle bloß fingiert hatte, und sein Begehren um Ersatz angeblich entstandener Schäden beim Versicherungsunternehmen unter Vorlage der unrichtigen „Einbruchsanzeigen“ zur Erlangung fremder liquider Mittel zur Bestreitung seiner Lebensbedürfnisse, und um die Versicherung an ihrem Vermögen zu schädigen (US 6), ohne darauf gerichtetem Willen überhaupt in Betracht kommen sollte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Im Übrigen sind die vom Angeklagten benützten Anzeigebestätigungen, die nach den (aktengetreuen; vgl ON 2 S 57 f) Urteilsfeststellungen lediglich die (zutreffende) Tatsache der Erstattung von Anzeigen durch den Angeklagten bei der Strafverfolgungsbehörde bekunden (US 4), keine falschen oder verfälschten Beweismittel.

Die - auf die Berichte von Christian S*****, Mag. Clarissa R***** und Ing. Re***** sowie die „entsprechenden Tatortberichte des LKA“ gestützte - Behauptung eines Mangels an Feststellungen (vgl RIS-Justiz RS0118580), „dass die Türe zur Wohnung des Angeklagten bei den von ihm angezeigten Einbruchsdiebstählen gewaltsam geöffnet und die Schlosszylinder abgedreht wurden“, scheitert an den gegenteiligen tatrichterlichen Konstatierungen (US 4 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass der in der verfehlten Annahme (auch) der Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB mangels Verwendung von unechten oder inhaltlich unrichtigen Anzeigebestätigungen gelegene Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil für den Angeklagten darstellt, weil die Bestimmung zufolge gleichzeitiger Verwirklichung der Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB in Bezug auf jeweils schadensqualifizierten (§ 147 Abs 2 StGB) Betrug auf den Strafrahmen keinen Einfluss hatte und bei der Strafbemessung nicht in Anschlag gebracht wurde. Bei der Berufungsentscheidung besteht hinwieder keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870), sodass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO kein Anlass bestand.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte