OGH 4Ob170/12x

OGH4Ob170/12x18.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin W***** D***** A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wider die Erlagsgegner 1. V***** K*****, vertreten durch Dr. Erich Jungwirth, Rechtsanwalt in Wien, und 2. S***** H***** T*****, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Ersterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Mai 2012, GZ 42 R 222/12a-20, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. März 2012, GZ 84 Nc 4/11b-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Zweiterlagsgegner ist schuldig, der Ersterlagsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 1.515,26 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 252,54 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Der Antrag der Erlegerin, den Zweiterlagsgegner zum Ersatz der Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu verpflichten, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Erlagsgegner streiten über die Ausfolgung eines nach § 1425 ABGB erlegten Pkw. Die Ersterlagsgegnerin hatte ihn am 25. Oktober 2010 vom Zweiterlagsgegner gekauft. Dieser hatte ihn danach in eine Werkstatt gebracht, um Reparaturen vornehmen zu lassen; die Ersterlagsgegnerin hatte ihn von dort abgeholt und in eine andere Werkstatt gebracht. Die Betreiberin dieser Werkstatt erlegte den Pkw beim Erstgericht, weil beide Erlagsgegner dessen Herausgabe verlangten. Das Erstgericht nahm den Erlag an, bestellte einen Verwahrer und sprach aus, dass die Ausfolgung nur mit Einverständnis aller Erlagsgegner oder aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen könne.

In einem zwischen den Erlagsgegnern geführten Besitzstörungsverfahren wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Ersterlagsgegnerin durch die Abholung des Pkw aus der (ersten) Werkstatt den ruhigen Besitz des Zweiterlagsgegners gestört habe. Sie wurde verpflichtet, den Pkw dorthin zurückzustellen und künftig diese oder gleichartige Störungen zu unterlassen.

Aufgrund dieser Entscheidung beantragt der Zweiterlagsgegner die Ausfolgung des Fahrzeugs. Die Ersterlagsgegnerin spricht sich dagegen aus, weil der Endbeschluss ihre Zustimmung zur Ausfolgung nicht ersetze.

Das Erstgericht wies den Ausfolgungsantrag mit der Begründung ab, dass mit dem Endbeschluss nur über den Besitz, nicht aber über das Eigentum am Pkw entschieden worden sei.

Das Rekursgericht ordnete die Ausfolgung an den Zweiterlagsgegner an und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Die Ausfolgung setze nach Lehre und Rechtsprechung voraus, dass diejenigen, zu deren Gunsten erlegt worden sei, in die Ausfolgung einwilligten oder gegen sie ein Urteil auf Zustimmung erwirkt würde. Dabei habe das Erlagsgericht nur formal zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt seien; über die materielle Berechtigung sei nach der Rechtsprechung im streitigen Verfahren zu entscheiden, wobei dort das bessere Recht an der oder auf die erlegte Sache maßgebend sei. Ungeachtet dessen begründe aber auch der hier ergangene Endbeschluss eine Verpflichtung der Ersterlagsgegnerin, der Ausfolgung zuzustimmen. Zweck des Besitzstörungsverfahrens sei die rasche Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes. Dass es aufgrund der weiteren Verfügungen der Ersterlagsgegnerin zur gerichtlichen Hinterlegung der entzogenen Sache gekommen sei, dürfe nicht dazu führen, dass sie sich ihrer Verpflichtung zum Rückgängigmachen des eigenmächtig hergestellten Zustands entziehen könne. Vielmehr habe sie, auch wenn sich die entzogene Sache nicht mehr in ihrem Besitz befinde, alles zu tun, um den letzten ruhigen Besitzstand wiederherzustellen. Konkret bedeute das die Verpflichtung, der Ausfolgung zuzustimmen. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Entscheidung im Besitzstörungsverfahren die Zustimmung eines Erlagsgegners ersetzen könne.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Ersterlagsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Rekursgericht hat die Rechtsprechung zum Ausfolgungsverfahren richtig wiedergegeben: Wurde zugunsten mehrerer Gläubiger hinterlegt, so müssen alle der Ausfolgung an einen von ihnen zustimmen (9 Ob 521/95 = SZ 68/234; RIS-Justiz RS0033517; Koziol in KBB3 § 1425 Rz 14; Heidinger in Schwimann, ABGB³ § 1425 Rz 40). Eine fehlende Zustimmung kann durch ein rechtskräftiges Urteil ersetzt werden (1 Ob 376/98w = SZ 72/30; RIS-Justiz RS0033517; zuletzt etwa 6 Ob 153/08f = NZ 2009, 213). Zwischen mehreren Erlagsgegnern entscheidet dabei das bessere Recht an der oder auf die erlegte Sache (2 Ob 16/05z mwN; RIS-Justiz RS0033512, zuletzt 6 Ob 153/08f). Wer das bessere Recht hat, ist im Rechtsweg zu klären, nicht im außerstreitigen Verfahren, in dem die rechtlichen Verhältnisse zwischen den Beteiligten nicht untersucht werden (6 Ob 159/00a mwN; 6 Ob 153/08f) und die fehlende Zustimmung eines Erlagsgegners nicht erzwungen werden kann (3 Ob 171/01w; RIS-Justiz RS0033517 [T11]; 6 Ob 153/08f).

2. Im vorliegenden Fall ordnet der Endbeschluss in seinem Spruch keine Verpflichtung der Ersterlagsgegnerin an, der Ausfolgung zuzustimmen. Ob eine solche Verpflichtung aus der titulierten Unterlassungspflicht oder aus der Begründung des Endbeschlusses abgeleitet werden könnte, ist im streng formalen Ausfolgungsverfahren nicht zu prüfen. Schon das führt zur Wiederherstellung des den Ausfolgungsantrag abweisenden erstgerichtlichen Beschlusses. Daher kann offen bleiben, ob im Besitzstörungsverfahren eine Verpflichtung erwirkt werden könnte, der Ausfolgung zuzustimmen, und ob ein solcher Titel, der wie jede possessorische Entscheidung das „bessere“ Recht nur vorläufig klärte, tatsächlich eine taugliche Grundlage für eine Ausfolgung sein könnte.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG.

3.1. Der im Ausfolgungsverfahren unterlegene Zweiterlagsgegner hat der Ersterlagsgegnerin die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses zu ersetzen. Beim Revisionsrekurs gebührt allerdings nur einfacher Einheitssatz.

3.2. Auch die Erlegerin hat zum Rekurs des Zweiterlagsgegners eine Rekursbeantwortung erstattet. Diese war aber nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Denn mit dem Erlag zugunsten bestimmter Personen hatte die Erlegerin ihr Einverständnis zur Ausfolgung an diese Personen kundgetan (RIS-Justiz RS0006560). Sie wäre daher auch durch einen Erfolg des Rekurses nicht beschwert gewesen. Anderes hätte zwar gegolten, wenn sie - wie die Erlegerin in 7 Ob 557/80 (= SZ 53/86) - als Ausfolgungsbedingung auch ihre eigene Zustimmung genannt hätte. Eine solche Erklärung, die ebenso wie ein Widerrufsvorbehalt die schuldbefreiende Wirkung des Erlags ausgeschlossen hätte (8 Ob 31/11h = JBl 2012, 50 mwN), hatte die Erlegerin aber nicht abgegeben. Auch andere Zweifel an der schuldbefreienden Wirkung des Erlags, die ein Interesse der Erlegerin an der Bekämpfung der Ausfolgungsanordnung hätten begründen können (vgl 4 Ob 119/11w = ÖBA 2012, 178), sind nicht erkennbar. Der Antrag auf Ersatz der Rekursbeantwortungskosten ist daher abzuweisen.

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