OGH 1Ob376/98w

OGH1Ob376/98w23.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Republik Österreich (Landesgericht Eisenstadt), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die Erlagsgegner 1. Ferenc Istvan B*****, und 2. Andrea B*****, beide ***** vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Guido B*****, unbekannten Aufenthalts, vertreten durch den Abwesenheitskurator Mag. Wilhelm Lackner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, infolge Revisionsrekurses des Ersterlagsgegners und der Zweiterlagsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 30. September 1998, GZ 13 R 251/98d-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Eisenstadt vom 16. Juli 1998, GZ 1 N 13/97x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In einem gerichtlichen Strafverfahren bestand der dringende Verdacht, daß der Ersterlagsgegner und eine weitere Person einen PKW der Marke Dogde Stealth RT, mit dem sie von Österreich nach Ungarn ausreisen wollten, gestohlen hätten oder daß sie an einer Hehlerei beteiligt seien. Beide wurden vorläufig festgenommen; der PKW wurde am 17. 7. 1995 beschlagnahmt. Im Zuge der polizeilichen Erhebungen stellte sich heraus, daß gegen den angeblich geschädigten Dritterlagsgegner am 28. 7. 1995 in der Schweiz ein Strafverfahren wegen Irreführung der Rechtspflege und Versicherungsbetrugs eingeleitet worden war. Am 8. 8. 1996 beantragten der Ersterlagsgegner und die Zweiterlagsgegnerin die Ausfolgung des PKWs.

Mit Beschluß vom 28. 4. 1997 hob das Landesgericht Eisenstadt die Beschlagnahme des in einer Abstellhalle verwahrten PKWs (einschließlich des Zulassungsscheins und der Fahrzeugschlüssel) auf und hinterlegte diesen gemäß § 1425 ABGB beim Erstgericht. Dem Ausfolgungsantrag der beiden genannten Erlagsgegner könne nicht stattgegeben werden, weil es mehrere Eigentumsansprecher gebe und die Berechtigung der beiden Personen, die die Ausfolgung beantragten, zweifelhaft sei. Das Erstgericht nahm mit Beschluß vom 12. 6. 1997 den Erlag an und bestellte einen gerichtlichen Verwahrer.

Am 18. 6. 1998 regte die zuständige Untersuchungsrichterin beim Erstgericht den freihändigen Verkauf und den gerichtlichen Erlag des daraus resultierenden Erlöses an, weil der PKW durch die lange Verwahrung erheblich an Wert verliere. Daraufhin beantragte die Republik Österreich die Verwertung des Erlagsgegenstands.

Das Erstgericht ordnete die Verwertung des PKWs an und verfügte dessen Schätzung durch einen Sachverständigen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Tatsächlich sei weder im § 1425 ABGB noch in den §§ 284 ff Geo die Verwertung eines Erlagsgegenstands konkret vorgesehen. Allerdings sähen andere gesetzliche Normen wie § 377 StPO und § 90 Abs 2 FinStrG die Verwertung beschlagnahmter Gegenstände unter bestimmten Voraussetzungen (Gefahr des Verderbens bzw Auflaufen besonderer Kosten) vor. Da das Erlagsverfahren letztlich der Sicherung der Ansprüche des wahren Berechtigten diene, seien die zuvor angeführten Bestimmungen der StPO bzw des FinStrG analogiefähig. Im Hinblick auf die auflaufenden Verwahrungsgebühren, deren Erstattung der antragsberechtigten Erlegerin als Barauslagen jedenfalls zustehe, und unter Bedachtnahme auf den wegen der langen Verwahrdauer ständig sinkenden Zeitwert des Erlagsgegenstands sei dessen Versteigerung anzuordnen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Ersterlagsgegners und der Zweiterlagsgegnerin ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Der im vorliegenden Verfahren hinterlegte PKW wurde ursprünglich strafgerichtlich verwahrt. Die Verfügung über Kraftfahrzeuge, die bedenkliches Gut sind, ist stets den Gerichten überlassen (Danzl, Geo, FN 13a 1 zu § 610). Sobald es die Sach- und Rechtslage gestattet, hat das (Straf-)Gericht die den bestehenden Vorschriften entsprechenden Verfügungen zu treffen, um die gerichtliche Verwahrung zu beenden (§ 613 Abs 1 Geo). Strafgerichtliche Verwahrnisse, die nach Wegfall des Rechtsgrunds für die gerichtliche Verwahrung nicht ausgefolgt werden können, hat das Strafgericht nach § 1425 ABGB zu hinterlegen; für solche Verwahrnisse gelten sodann die Vorschriften des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl 1963/281 (§ 2 Abs 2). Auf diese Weise ist vor allem dann vorzugehen, wenn es mehrere Eigentumsansprecher gibt oder die Berechtigung des einzigen Eigentumsansprechers infolge der Erklärungen des Beschuldigten oder aus anderen Gründen zweifelhaft ist und damit das Eigentumsrecht erst in einem Zivilrechtsstreit geklärt werden muß (Danzl aaO FN 9a zu § 613). In diesem Sinne ist das Strafgericht vorgegangen und hat den PKW gemäß § 1425 ABGB beim Erstgericht hinterlegt. Das Hinterlegungsgericht hatte nicht zu prüfen, ob der vom Strafgericht angenommene Hinterlegungsgrund gegeben war, sondern hat den Erlag zutreffenderweise ohne weitere Untersuchung angenommen (Danzl aaO FN 9c zu § 613).

Mit der Hinterlegung beim Erstgericht war die strafgerichtliche Verwahrung des PKWs beendet (Maleczky, Das Schicksal beschlagnahmter Gegenstände im Strafprozeß, in ÖJZ 1997, 456 [457]). Neben dem Gesetz über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse sind auf einen gerichtlichen Erlag nach § 1425 ABGB die Bestimmungen der §§ 284 ff Geo über das Gerichtserlagswesen anzuwenden (EvBl 1967/39; SZ 40/8; Danzl aaO FN 15 und 19 zu § 284). Das Erstgericht hat entsprechend § 307 Abs 2 Geo sowohl den Erleger wie auch die Erlagsgegner vom Erlag verständigt. Die Hinterlegung erfolgte zugunsten mehrerer Personen. Demnach darf an eine von ihnen nur ausgefolgt werden, wenn alle Erlagsgegner zugestimmt haben. Die fehlende Zustimmung kann durch erfolgreiche Klage auf Zustimmung zur Ausfolgung ersetzt werden. Mit der Hinterlegung willigt der Erleger in die Ausfolgung an denjenigen ein, der im Streit unter den Forderungsprätendenten obsiegt (JBl 1992, 592; SZ 52/61; SZ 40/8; SZ 35/84; EvBl 1955/181; SZ 16/129 uva; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 37 zu § 1425; Danzl aaO FN 1b zu § 314). Im vorliegenden Fall gestanden die Revisionsrekurswerber selbst zu, daß eine Einigung unter den Erlagsgegnern über die Ausfolgung des Erlagsgegenstands bisher nicht erzielt werden konnte bzw ein gerichtliches Urteil gegen den Dritterlagsgegner bislang nicht ergangen ist (S 3 des Rekurses). Demnach ist eine Ausfolgung an die Rechtsmittelwerber derzeit tatsächlich noch nicht möglich (SZ 52/61), und zwar unabhängig davon, ob im Strafverfahren die Ausfolgung des Erlagsgegenstands begehrt wurde, zumal die strafgerichtliche Verwahrung - wie erwähnt - mit der Hinterlegung beim Bezirksgericht beendet wurde.

Das Gericht hat zur Verwahrung des PKWs einen Verwahrer bestellt. Welches Maß an Sorgfalt dieser anzuwenden hat, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Falls. Auch bei öffentlich-rechtlicher Bestellung hat dieser alles vorzukehren, was ihm, um eine Verschlechterung der ihm anvertrauten Sache hintanzuhalten, zugemutet werden kann. Er ist dazu verhalten, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um drohende Schäden möglichst zu verhindern. Ist er dazu angesichts seiner Möglichkeiten außerstande, hat er den Hinterleger zu warnen, der dann - jedenfalls bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung - für eine anderweitige Verwahrung Sorge zu tragen hat (1 Ob 2083/96x). Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und dem Gericht, bei dem ein Gegenstand erliegt, gehört dem öffentlichen Recht an.

Da sowohl das ABGB wie auch das Bundesgesetz über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse und die Geo solcher Vorschriften ermangeln, die das Vorgehen des Hinterlegungsgerichts bei verderblichen Gütern oder solchen Gegenständen, bei denen eine wesentliche Wertminderung droht, einer Regelung unterziehen, ist es im Wege der Analogie durchaus zulässig, auf die einschlägigen (öffentlich-rechtlichen) Bestimmungen der Strafprozeßordnung und des Finanzstrafgesetzes zurückzugreifen, weil die Interessenlage der Erlagsgegner bzw der Eigentumsansprecher hier wie dort durchaus ähnlich gelagert ist.

Das Erlagsgericht ist gesetzlich vorgesehenes Hilfsorgan, das bloß dann einschreitet, wenn die äußeren Voraussetzungen des Erlags behauptet werden, sich aber nicht in die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten einmengt. Die wahre Rechtslage im Verhältnis zwischen dem Erleger und den Erlagsgegnern kann ungeachtet des Erlags nur auf dem Prozeßweg klargestellt werden (SZ 27/213). Das Bundesgesetz über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse kennt nur das Einziehungsverfahren, das aber jedenfalls bei nicht geringwertigen Verwahrnissen, soweit es sich dabei um verderbliche oder von erheblichem Wertverfall bedrohte Güter handelt, schon deshalb nicht zweckentsprechend ist, weil solche Verwahrnisse für den Bund erst dann einzuziehen sind, wenn sie während 30 Jahren nicht ausgefolgt werden (§ 4). Auch für solche Sachen, die sich sinnvollerweise nicht längere Zeit hindurch verwahren lassen, sieht das ABGB das Institut des Selbsthilfeverkaufs nicht vor, obwohl gerade dieser den Interessen der Gläubiger entspricht, erhalten sie doch statt einer verdorbenen, sonst wertlosen oder immerhin kraß wertgeminderten Sache den Erlös der Sache, die zu einer Zeit verwertet (veräußert) wurde, in der sie ihren Wert noch einigermaßen bewahrt hat (vgl Rabl, Hinterlegung, Selbsthilfeverkauf und Preisgabe - Rechtsbehelfe im Annahmeverzug des Gläubigers, in ÖJZ 1998, 688 [700]). Auch das Hinterlegungsgericht trifft eine Verpflichtung zur Fürsorge für den ihm (noch) nicht bekannten Eigentümer eines erlegten Gegenstands (vgl RZ 1963, 104 und SZ 23/95). So ist es jedenfalls Sache des Gerichts, das einen Verwahrer für die erlegte Sache bestellt hat, im Interesse des oder der Eigentümer einem völligen Wertverfall oder gar dem Verderben und damit der drohenden Wertlosigkeit entgegenzuwirken. Ohne Bedeutung ist dabei die Lösung der Frage, ob dem Erleger ein „Antragsrecht“ zur Verwertung des erlegten Gegenstands zuzubilligen oder ob ein solcher Antrag bloß als Anregung des Erlegers zum amtswegigen Einschreiten des Hinterlegungsgerichts aufzufassen sei.

Im Zuge eines Strafverfahrens hat das Gericht gemäß § 377 StPO die Veräußerung eines Gutes durch öffentliche Versteigerung einzuleiten, wenn das fremde Gut von solcher Beschaffenheit ist, daß es sich ohne Gefahr des Verderbens nicht durch ein Jahr aufbewahren läßt oder die Aufbewahrung mit Kosten verbunden ist. Verderbliche Sachen und solche, die wegen ihrer Beschaffenheit (zB Notwendigkeit besonderer Obsorge) nur mit großen Kosten längere Zeit aufbewahrt werden können, sind schon vor Ablauf der Aufgebotsfrist nach den Bestimmungen der EO öffentlich zu versteigern bzw allenfalls auch freihändig zu verkaufen (Foregger/Kodek, StPO7 Anm II zu § 377). In ähnlicher Weise sieht das Finanzstrafgesetz (FinStrG) vor, daß beschlagnahmte Gegenstände von der Finanzstrafbehörde erster Instanz verwertet werden können, wenn sie einer erheblichen Wertminderung unterliegen oder sich nur mit unverhältnismäßigen Kosten aufbewahren lassen (§ 90 Abs 2 FinStrG). Zu den Aufbewahrungskosten zählen auch die Kosten der Erhaltung und Pflege der beschlagnahmten Gegenstände (Dorazil/Harbich, Kommentar zum Finanzstrafgesetz Anm 4 zu § 90 Abs 2).

Die Interessenlage bei Hinterlegung nach § 1425 ABGB ist - wie schon erwähnt - jener bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 377 StPO bzw des § 90 Abs 2 FinStrG vergleichbar. Demgemäß kann sich das Hinterlegungsgericht nicht einfach darauf beschränken, den hinterlegten Gegenstand - ohne jede Rücksicht auf die auflaufenden Kosten bzw den drohenden Wertverfall - zu verwahren (bzw verwahren zu lassen), sondern es ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß der letztlich Ausfolgungsberechtigte vor erheblichem Schaden bewahrt wird bzw der Wert der hinterlegten Sache so weit wie möglich erhalten bleibt.

Ist die erlegte Sache vom Verderben bedroht, so hat das Gericht die Sache zu veräußern und den daraus resultierenden Erlös für den Ausfolgungsberechtigten aufzubewahren. Gleichermaßen muß das Gericht eine Sache, die mangels kostenintensiver Wartung und Pflege einem unverhältnismäßigen Wertverfall unterliegt, einer Verwertung zuführen, um wenigstens den Erlös aus der rechtzeitigen Veräußerung für den Berechtigten zu sichern; ebenso hat das Hinterlegungsgericht auch vorzugehen, wenn mit der Verwahrung unverhältnismäßig hohe Kosten verbunden sind, hat doch letztlich der Empfangsberechtigte auch diesen Aufwand zu tragen (§ 17 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, nach dem Sachverwahrnisse erst ausgefolgt werden dürfen, wenn der Empfangsberechtigte die Kosten, Gebühren und Auslagen für die Verwahrung bezahlt hat). Es wäre nachgerade unverständlich, wollte man in der Verwahrung einfach fortfahren, sodaß die Verwahrungskosten schließlich den Wert der Sache bei weitem überstiegen.

Im hier zur Entscheidung anstehenden Fall wurde der PKW bereits am 17. 7. 1995, also vor mehr als dreieinhalb Jahren, beschlagnahmt. Es kann kein Zweifel bestehen, daß ein lediglich abgestellter, aber nicht weiter gewarteter PKW einem unverhältnismäßigen Wertverfall unterliegt, wenn die Verwahrung mehrere Jahre andauert. Gleichzeitig sind während der bisherigen mehrjährigen Verwahrzeit unzweifelhaft bereits unverhältnismäßig hohe Verwahrungskosten aufgelaufen, die - wie schon ausgeführt - letztlich der Ausfolgungsberechtigte zu tragen haben wird. Nach einer derart lang andauernden Verwahrung wie hier - selbst seit der Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB sind schon fast zwei Jahre und seit der Anordnung der Verwertung durch das Erstgericht mehr als eineinhalb Jahre verstrichen - erscheint es unumgänglich, den PKW zu versteigern bzw sonst angemessen zu veräußern, um dem Ausfolgungsberechtigten den erzielbaren Erlös zu sichern. Selbst nach der von den Revisionsrekurswerbern angestellten Rechnung (Garagierung um monatlich S 1.500) wären bereits Verwahrungskosten von etwa S 63.000 aufgelaufen. Der Schätzpreis des PKWs wurde vom Sachverständigen am 23. 7. 1998 mit S 250.000 ermittelt (ON 7a). Wird zudem in Rechnung gestellt, daß der Wert des Fahrzeugs nach Ansicht der beiden Erlagsgegner zum Zeitpunkt der Beschlagnahme etwa S 600.000 betragen haben soll (S 5 des Revisionsrekurses), so wird es nur allzu deutlich, daß der Zeitwert des Fahrzeugs die lange Verwahrzeit hindurch und ohne entsprechende Wartung und Pflege unverhältnismäßig herabgemindert worden ist.

In Anbetracht all dieser Umstände erweist sich die von den Vorinstanzen angeordnete Verwertung als unumgänglich. Ein Verstoß gegen Art 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK liegt nicht vor, weil den Ausfolgungsberechtigten das Eigentum am PKW nur insoweit entzogen wird, als es das öffentliche Interesse verlangt, und auch dies nur unter den durch Gesetz vorgesehenen Bedingungen.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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