OGH 7Ob100/11y

OGH7Ob100/11y28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.780,92 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2011, GZ 2 R 10/11x‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. November 2010, GZ 19 Cg 9/10k‑15, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt einen Fahrzeughandel und eine Autowerkstatt in ***** Wien. Zwischen ihr und der Beklagten bestand ein Kfz‑Händler‑Teilkasko‑Versicherungs-vertrag (Polizze Nr *****) sowie ein Betriebsversicherungsvertrag (Polizze Nr *****).

In der ersten Polizze (Kfz‑Händler‑Teilkasko‑Versicherung) wurde hinsichtlich des versicherten Risikos unter „Besondere Hinweise zum Vertrag“ jeweils auf den angeschlossenen Teil II dieser Polizze verwiesen, der unter anderem folgende Bestimmungen enthielt:

Was ist versichert:

Fahrzeuge, die auf dem Händlerplatz in ***** Wien, *****straße 63 abgestellt sind.

Umfang des Versicherungsschutzes:

Rahmen-Teilkasko bis zur vereinbarten Versicherungssumme von 400.000 EUR. Gedeckt sind Schäden an den ‑ auf dem genannten Händlerplatz ‑ abgestellten Fahrzeugen durch:

- Naturgewalten …

- Brand, Explosion

- Diebstahl, Raub oder unbefugter Gebrauch durch betriebsfremde Personen

- mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen

- Bruchschäden an Rundumverglasungen und Glasdächern (bei PKW und LKW bis 1 to NL).

Voraussetzung für die Gewährung der Deckung ist die Aufbewahrung der Schlüssel im versperrten Schlüsseltresor!

Vertragsgrundlagen:

AKKB 2005: ...“ (Beilage ./B)

Was die Schadensberechnung bei Teilschäden betrifft, war in Art 5 AKKB 2005 unter anderem Folgendes bestimmt:

2.Versicherungsleistung bei Teilschäden

2.1. Liegt kein Totalschaden (Pkt. 1.1) vor, leistet der Versicherer

- die Kosten der Wiederherstellung und […].

2.2. […]

2.3. Veränderungen, Verbesserungen, [...] ersetzt der Versicherer nicht.“ (Beilage ./2)

Die zweite Polizze (Betriebsversicherung) umfasste ‑ am selben Versicherungsort als „Spezial Business Paket“, Betriebsart: „Kraftfahrzeughandel“ ‑ eine Gebäudeversicherung (Versicherungssumme: 11.000 EUR für das Geschäftsgebäude mit über 80 % Anteil am Gewerbe) in den Sparten: „Feuer, Sturm/Elementar, Haftpflicht“ und eine Inhaltsversicherung (Versicherungssumme: 14.000 EUR der „kaufmännischen und technischen Einrichtung, der Gebrauchsgegenstände der im Betrieb Beschäftigten, der Waren und Vorräte sowie Adaptierungen“) in den Sparten: „Feuer, Einbruchsdiebstahl“, wobei in der letztgenannten Sparte „Schäden durch vollbrachten oder verursachten Einbruchsdiebstahl bzw anschließende Vandalismusschäden“ versichert waren (Beilage ./A).

Am 23. 1. 2008 verschafften sich Diebe Zutritt zum Kfz-Platz der Klägerin, indem sie ein Eisentor aufbrachen. In der Folge schlugen sie ein Fenster des Büro‑Containers ein, „sprengten“ den Schlüsselkasten (mit „minimaler“ Beschädigung) auf und entnahmen die Schlüssel für sieben Fahrzeuge. Drei davon (einen Porsche Boxster, einen Citroen Berlingo und einen Citroen Xsara Picasso) setzten sie mit den dazu gehörenden Schlüsseln in Gang und fuhren damit fort. Die Fahrzeuge wurden am 24. 1. 2008 in der Nähe des Wiener Eislaufvereins, ohne die Originalschlüssel (und teilweise beschädigt) wieder aufgefunden. Auch die Schlüssel der vier anderen Fahrzeuge blieben verschwunden. Die Klägerin wechselte die Schlosssätze (Türen, Zündschloss, Lenkradschloss) beim unbeschädigt gebliebenen Porsche Boxster und auch bei den anderen vier Fahrzeugen aus.

Das unter der Bezeichnung „Schlüsselschrank“ von der W***** GmbH vertriebene Schlüsselbehältnis der Klägerin war aus 1 mm starkem Blech gefertigt. Die Tür war mit einem direkt einsperrenden, ungepanzerten einfachen Blechmontage‑Zylinderschloss versperrt, wobei die 13 x 2 mm große Sperrzunge (nur) ca 7 mm tief in den Schrankkörper einsperrte. Das Schlüsselbehältnis wies daher „fast keinen“ Einbruchsschutz auf.

Der Begriff „Schlüsseltresor“ ist in keiner Norm definiert. Wertschutzschränke und Tresore mit den niedrigsten Anforderungen (leichter Schutz gegen Angriffe mit mechanisch wirksamen Einbruchswerkzeugen), die als „Wertbehältnisse“, „Schlüsseltresore“ oder „Waffenschränke“ angeboten werden, sehen 3 mm Stahlblech und ein Schloss der Klasse A bzw 1, das über ein Riegelwerk eingesperrt und mit einem Bohrschutzpanzer geschützt ist, vor. Das Behältnis der Klägerin erfüllte keine dieser Voraussetzungen.

Mit der vorliegenden Deckungsklage begehrt die Klägerin 8.740,98 EUR an Reparaturkosten der gestohlenen (später beschädigt wieder aufgefundenen) Fahrzeuge inklusive Rückholkosten aus der Kfz‑Händler‑Teilkasko-Versicherung sowie 3.039,94 EUR an Kosten des zwecks Verhinderung von weiteren Fahrzeugdiebstählen vorgenommenen Schlössertauschs aus der Betriebsversicherung.

Die Kfz‑Händler-Teilkasko-Versicherung decke Schäden an den Fahrzeugen durch Diebstahl oder Raub. Die Neuanschaffung der Schlüssel alleine sei ‑ angesichts der Gefahr einer neuerlichen Entwendung ‑ nutzlos. Daher sei es erforderlich gewesen, die Schlösser aller Fahrzeuge, von denen die Schlüssel abhanden gekommen seien, auszutauschen. Der Schlössertausch sei von der Betriebsversicherung umfasst. Der für die Beklagte tätige Versicherungsagent W***** habe den Schlüsselkasten vor Vertragsabschluss besichtigt und für vertragskonform befunden. Dadurch sei eine „Vertragsanpassung“ dahingehend vorgenommen worden, dass die gegebene Verwahrung ordnungsgemäß im Sinn des Versicherungsvertrags sei. Der Klägerin sei kein Verschulden hinsichtlich einer allfälligen Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen. Eine Obliegenheitsverletzung könne nicht eingewendet werden, weil der Beklagten in diesem Fall die Kündigung des Versicherungsverhältnisses offengestanden wäre.

Die Beklagte stellte die Schäden hinsichtlich des PKW Citroen Berlingo mit 3.990 EUR und hinsichtlich des PKW Citroen Xsara Picasso mit 3.500 EUR (jeweils brutto) der Höhe nach außer Streit. Sie wendete im Wesentlichen (soweit noch von Bedeutung) ein, der Schlosstausch sei, weil die Betriebsversicherung nur das Gebäude und dessen Inhalt erfasse, von den Versicherungsverträgen nicht gedeckt; ungedeckt sei ‑ infolge Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin ‑ auch die Umsatzsteuer aus den jeweiligen Schadensbeträgen. Selbst im Fall einer Deckung durch die Gebäudeinhaltsversicherung läge Gebäudeunterversicherung von 90 % vor. Aus der Kfz‑Händler-Teilkasko-Versicherung bestehe kein Anspruch auf Versicherungsleistung, weil die Vertragsbedingung der Aufbewahrung der Fahrzeugschlüssel in einem „Schlüsseltresor“ nicht eingehalten worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest:

Dem Geschäftsführer der „Beklagten“ (gemeint: Klägerin) war bekannt, dass Herr W***** hauptberuflich als Polizist tätig war und nebenberuflich Versicherungen der Beklagten vermittelte. Als sich die Klägerin für eine Versicherung ihres Gebäudes und Geländes samt Fahrzeugen interessierte, besichtigte W***** den Platz, auf dem die Fahrzeuge abgestellt waren und den Container, der zu Bürozwecken diente und der mit einem Schreibtisch, Büromaterial etc ausgestattet war. Er sah dabei auch den an der Wand montierten Schlüsselkasten.

W***** holte dann ein Anbot der Beklagten für die Gebäudeversicherung (Elementarereignisse, Haftpflicht und Einbruch) und die Kraftfahrzeugversicherung hinsichtlich der auf den Platz verwahrten Fahrzeuge ein. Dieses legte er dem Geschäftsführer der Klägerin vor, der es unterschrieb und W***** wieder mitgab. Der genaue Inhalt des Antrags kann nicht festgestellt werden. Nach der Polizzenausstellung überbrachte er der Klägerin die beiden Polizzen (deren unstrittiger Inhalt ‑ soweit er vom Erstgericht festgestellt wurde ‑ eingangs wiedergegeben ist).

Rechtlich führte das Erstgericht aus, es könne nicht als „schlüssiges Abweichen“ von der „Schlüsseltresor“-Klausel verstanden werden, dass der Versicherungsagent bei der Besichtigung der Örtlichkeit nicht darauf hinwies, dass die gegebene Aufbewahrung der Schlüssel den Bedingungen für die Kfz‑Händler-Teilkasko-Versicherung nicht entspreche. Die Mindesteigenschaften eines „Schlüsseltresors“ ergäben sich aus den gebräuchlichen Beschreibungen eines solchen Produkts im Handel. Demnach müsse ein „Tresor“ Minimaleigenschaften für den Einbruchsschutz aufweisen. Mangels näherer Festlegung könne zwar keine größere Sicherheit als die unterste Klasse gefordert werden. Selbst diese sei jedoch ‑ auch für einen Laien erkennbar ‑ durch den „Schlüsselschrank“ bei weitem nicht erfüllt, weshalb der Klägerin ein Verschulden an der Obliegenheitsverletzung zuzurechnen sei. Kenntnis der Obliegenheitsverletzung könne erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags vorliegen. Der Betriebsversicherungsvertrag decke Gegenstände von Wert im Bürocontainer der Klägerin. Weder die Schlosssätze der am Händlerplatz befindlichen Fahrzeuge noch deren Aus- und Einbau und deren Programmierung seien vom Versicherungsschutz umfasst.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der als Verfahrensmangel geltend gemachte Verstoß gegen die Anleitungspflicht gemäß § 182 ZPO (unterlassene Erörterung der Rechtsansicht des Erstgerichts, dass das verwendete Behältnis die Erfordernisse eines „Tresors“ nicht erfülle) liege nicht vor, weil das Erstgericht ohnehin offengelegt habe, dass dieser Frage entscheidungswesentliche Bedeutung zukomme.

In der Rechtsrüge betreffend die Schäden im Rahmen der Kfz‑Händler‑Teilkasko‑Versicherung führe die Klägerin unter anderem ins Treffen, der Beklagten sei die Beschaffenheit des verwendeten Schlüsselkastens bekannt gewesen, sie habe die Klägerin jedoch nicht darüber aufgeklärt, dass dieser den von der Beklagten gewünschten Sicherheitsanforderungen nicht genüge. Die Klausel laute auf „Aufbewahrung im verschlossenen Schlüsseltresor“, also in demselben (der Beklagten bekannten) Behältnis. Die Klägerin habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass das von ihr verwendete Behältnis die erforderlichen Voraussetzungen erfülle.

Die Berufung ziele mit diesen Ausführungen zwar auf fehlendes Verschulden an der Obliegenheitsverletzung ab. In allseitiger Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts zu diesem Komplex, der als Vorfrage die Auslegung der in Rede stehenden Vertragsklausel enthalte, komme das Berufungsgericht jedoch zu folgendem Ergebnis:

Grundsätzlich sei dem Versicherer das vom Vermittlungsagenten anlässlich der Antragsentgegennahme erlangte Wissen zuzurechnen. Der Versicherer sei zu einer sachkundigen Beratung und Aufklärung dann verpflichtet, wenn der andere Vertragsteil dies nach der im Verkehr herrschenden Auffassung redlicherweise erwarten dürfe.

Anhand der Feststellungen habe der Vermittlungsagent der Beklagten (den diesbezüglichen Feststellungen und der darauf basierenden erstgerichtlichen Beurteilung, dass es sich um einen solchen nach § 43 Abs 1 VersVG gehandelt habe, trete die Beklagte nicht mehr entgegen) aufgrund des Interesses der Klägerin am Abschluss eines einschlägigen Versicherungsvertrags den Kfz‑Abstellplatz und den Bürocontainer besichtigt. Dabei habe er auch den an der Wand montierten Schlüsselkasten gesehen.

Die erstgerichtliche Auslegung des Begriffs „Schlüsseltresor“ beschränke sich im Wesentlichen auf den Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung, wonach ein „Tresor“ einen gewissen Einbruchsschutz aufweisen müsse. Abzustellen sei jedoch insbesondere auch auf das Verständnis der Klägerin als redliche Erklärungsempfängerin, welche davon habe ausgehen dürfen, dass der Beklagten bei Formulierung des Vertrags das von ihr zur Aufbewahrung der Fahrzeugschlüssel verwendete Behältnis (infolge Zurechnung des Wissens ihres Agenten) bekannt gewesen sei.

Die betreffende Klausel enthalte bei näherer Betrachtung zwei Verhaltensgebote, nämlich zum einen, dass die Schlüssel an einem bestimmten Ort aufzubewahren seien und zum anderen, dass dieser Ort versperrt zu halten sei. Für die Klägerin als redliche Erklärungsempfängerin habe daraus zwar hervorleuchten müssen, dass ein beiläufiger Zugriff auf „herumliegende“ Schlüssel (etwa durch sich in den Büroräumlichkeiten aufhaltende Kunden) oder ähnliche einfache Diebstähle ‑ ohne besondere kriminelle Energie ‑ zu unterbinden sei. Sie habe allerdings nicht ohne weiteres annehmen müssen, die Beklagte wolle ein „drittes essentielles Kriterium“, nämlich eine bestimmte Beschaffenheit des zu verwendenden Behältnisses einführen. Die Klägerin habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte diesfalls pflichtgemäß agieren, nämlich der Beschaffenheit des ihr bekannten (§ 43 VersVG) Behältnisses näheres Augenmerk schenken, auf dessen Unzulänglichkeit hinweisen und erläutern werde, welche Beschaffenheit erforderlich sei. Insbesondere habe für die Klägerin kein Grund zur Annahme bestanden, die Beklagte wolle im Hinblick auf das Fehlen jeglicher näher spezifizierter Eigenschaften ein „ungewöhnliches Maß an Rechtsunsicherheit“ schaffen. Es wäre auch eine unmissverständliche Formulierung dahin zu erwarten gewesen, dass „ein“ im Weiteren näher definierter „Schlüsseltresor“ Verwendung finden müsse. Insoweit sei dem Berufungsargument zu folgen, wonach die von der Beklagten gewählte Formulierung „Aufbewahrung ... im ... Schlüsseltresor“ ‑ auch unter Heranziehung der Unklarheitenregel des § 915 ABGB ‑ auf die Aufbewahrung der Schlüssel im „von der Klägerin aktuell verwendeten“, vom Versicherungsagenten der Beklagten wahrgenommenen und von ihr selbst nunmehr so bezeichneten Behältnis zu erfolgen habe. Dies stehe auch mit dem für die Klägerin erkennbaren Zweck der Regelung, nämlich der Vermeidung einfacher Diebstähle insbesondere während der Geschäftszeiten, durchaus im Einklang; dass auch Täter mit erhöhter krimineller Energie hätten abgehalten werden sollen, welche ‑ wie vorliegend ‑ sowohl das Eisentor (die Umzäunung) als auch den versperrten Bürocontainer „gewaltsam aufbrachen“, habe die Klägerin nicht ins Kalkül ziehen müssen.

Daher ergebe eine an „sämtlichen“ Auslegungsgrundsätzen orientierte Vertragsauslegung, die den Wissensstand der Beteiligten über das in Verwendung stehende Behältnis einschließe, dass es sich bei diesem selbst um den bedingungsgemäßen „Schlüsseltresor“ handle. Dessen unpräzise Bezeichnung schade der Klägerin nicht. Sie habe vertragskonform agiert, nämlich den Schlüssel darin aufbewahrt und versperrt gehalten. Die Beklagte habe daher dem Grunde nach Teilkasko‑Deckung zu gewähren. Auf die Fragen der Qualifizierung des Klauselinhalts als (demnach ohnehin nicht vereinbarten) Risikoausschluss und des Verschuldens an einer (demnach gar nicht begangenen) Obliegenheitsverletzung komme es somit nicht an. Da das Erstgericht auf Grund einer vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsmeinung keine Feststellungen zur Beurteilung der weiteren strittigen Punkte getroffen habe, müsse mit Urteilsaufhebung und ‑ weil der Umfang des Prozessstoffs und die Weiterungen des Verfahrens noch nicht abzusehen seien ‑ mit Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht vorgegangen werden.

Weder die Klägerin noch die Beklagte hätten sich zur Stütze ihres Rechtsstandpunkts auf eine konkret bezeichnete Vertragsbestimmung berufen. Im Ersturteil fehlten Feststellungen zum näheren Inhalt des Betriebsversicherungsvertrags, insbesondere zu dessen Regelungen über die von der Beklagten zu erbringende Leistung. Auch die von der Klägerin ins Treffen geführte Polizze enthalte keine der Auslegung der streitgegenständlichen Frage zugängliche Textierung. Demnach habe zwar die Klägerin die ihr zukommende Behauptungs‑ und Beweislast zum Vertragsinhalt, aus dem sich ihr Anspruch ableite, missachtet. Allerdings sei der erstgerichtliche Hinweis, dass eine konkrete Bezugnahme auf die Näheres regelnden Versicherungsbedingungen sowie deren Vorlage für die Entscheidung der strittigen Auslegungsfrage essentiell sei, unterblieben. Gemäß § 182a ZPO müsse auch insoweit zwecks gebotener Erörterung, welche Klauseln der Vertragsauslegung zu unterziehen seien, mit Urteilsaufhebung und Zurückweisung der Sache an das Erstgericht vorgegangen werden.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Kenntnis des Versicherers über einen konkreten gefahrenerheblichen Aspekt und sein Versäumnis, den Versicherungsnehmer diesbezüglich auf gebotene Weise aufzuklären, gegebenenfalls auch bei der Auslegung des Wortlauts der betreffenden Vertragsbestimmung entsprechende Berücksichtigung finde, oder diese Umstände ausschließlich schadenersatzrechtliche Konsequenzen mit sich brächten (welche von der Klägerin im Verfahren erster Instanz allerdings nicht releviert worden seien).

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

In der Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Zur Klarstellung sind vorweg die Grundsätze ständiger Rechtsprechung zur Belehrungspflicht des Versicherers und seines Agenten festzuhalten, die in den Entscheidungen 7 Ob 190/11h; 7 Ob 72/11f und 7 Ob 34/11t zusammengefasst wurden. Der Versicherungsagent hat demnach nicht zu prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis voll abdecken (RIS‑Justiz RS0080898). Der Versicherungsnehmer muss vielmehr die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung haben (RIS-Justiz RS0080130).

Der Agent muss jedoch Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen. Daher besteht etwa eine Aufklärungspflicht des Versicherers über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Umso eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt wird (RIS-Justiz RS0106980), ebenso, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsnehmers klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt, wie etwa über den angestrebten ehesten Haftungsbeginn, eine irrige Vorstellung hat (RIS-Justiz RS0080141).

Es stellt einen Verstoß gegen die vorvertraglichen Sorgfaltspflichten dar, wenn die unrichtige Ansicht des Antragstellers durch eine nicht zutreffende Belehrung des Versicherungsvertreters hervorgerufen, jedenfalls aber bekräftigt wurde (so bereits: 7 Ob 94/09p mwN). Ein Versicherer ist zu einer fachkundigen Beratung und Aufklärung dann verpflichtet, wenn der andere Vertragsteil nach der im Verkehr herrschenden Auffassung redlicherweise dies erwarten darf (RIS-Justiz RS0119747 = 7 Ob 1/05f).

Es kann jedoch kein Versicherungsnehmer erwarten, dass jedes denkbare Risiko in den Schutzbereich einer Versicherung fällt (RIS-Justiz RS0016133 [T1], ähnlich RS0119747). Die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten darf nicht überspannt werden und erstreckt sich nicht auf alle möglicherweise eintretende Fälle (RIS‑Justiz RS0080386 [T2]). Besteht keine (vorangehende) Prüfpflicht, ist grundsätzlich auch eine (daran anknüpfende) Informationspflicht zu verneinen. Es bleibt dann nur der Rückgriff auf das dem Versicherungsrecht innewohnende Prinzip von Treu und Glauben (RIS-Justiz RS0018055), um eine Warnpflicht des Versicherungsagenten annehmen zu können, wobei die Bejahung der Verletzung der Warnpflicht des Versicherungsagenten unter anderem voraussetzt, dass dem beklagten Versicherer das Wissen des für ihn auftretenden Versicherungsagenten zuzurechnen ist. Die Klägerin hat ihr Begehren in erster Instanz aber gar nicht auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen eines Beratungsfehlers (vgl 7 Ob 72/11f) gestützt, sondern ihre Ansprüche bis zuletzt ausdrücklich nur aus den beiden Versicherungsverträgen abgeleitet. Im vorliegenden Fall ist daher nicht eine schadenersatzrechtliche Haftung, sondern allein die vertragliche Deckungspflicht der Beklagten aus diesen Versicherungsverträgen, nämlich dem Kfz‑Händler‑Teilkasko‑Versicherungsvertrag und dem Betriebsversicherungsvertrag zu prüfen.

Hinsichtlich des ersten Vertrags ist die Vertragsbestimmung maßgebend, wonach „die Gewährung der Deckung die Aufbewahrung der Schlüssel im versperrten Schlüsseltresor“ voraussetzt, die ‑ nach zutreffender Ansicht des Beklagten ‑ einen Risikoausschluss, also keine Obliegenheit enthält:

Es besteht bereits umfangreiche Judikatur zur Frage, wie Obliegenheiten von Risikoausschlüssen zu unterscheiden sind. Dabei ist maßgebend, ob in erster Linie ein vom Versicherungsnehmer einzuhaltendes Verhalten bedungen werden soll oder ob der Versicherer von vornherein gewisse Tatsachen von seiner Haftung ausschließen will, die unmittelbar geeignet sind, zum Versicherungsfall zu führen und die gegenüber der allgemeinen Risikoumschreibung ein qualitativ abweichendes Risiko darstellen (RIS-Justiz RS0080063, RS0080168).

Mit einem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz. Diese Umstände kann der Versicherungsnehmer nicht durch ein späteres Verhalten beeinflussen oder kontrollieren. Demgegenüber stellt die von der Einhaltung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer abhängig gemachte Deckungspflicht des Versicherers dem Versicherungsnehmer gegenüber auf das Gebot gewisser Handlungen und Unterlassungen ab, an deren Einhaltung der Versicherer ein legitimes Interesse hat (RIS-Justiz RS0080068). Bei der Unterscheidung kommt es auf den materiellen Inhalt einer Versicherungsbedingung an, nicht auf ihre äußere Erscheinungsform oder Wortwahl. Trotz Bezeichnung als Risikoausschluss kann eine sogenannte verhüllte Obliegenheit vorliegen (RIS-Justiz RS0103965, RS0080144). Bei der Risikobegrenzung wird von Anfang an ein bestimmter Gefahrenumstand von der versicherten Gefahr ausgenommen, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes, pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme. Obliegenheiten hingegen erfordern gewisse Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers und bestimmte Rechtsfolgen nur für ihre willkürliche und schuldhafte Verletzung (RIS-Justiz RS0080166; 7 Ob 75/10w).

Nach diesen Grundsätzen kann die hier in Rede stehende Bestimmung, weil sie eine „Voraussetzung für die Gewährung der Deckung“ enthält, nur als Risikoausschluss qualifiziert werden. Um ihren Inhalt zu ermitteln, ist sie, ständiger Rechtsprechung folgend, nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen; orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS-Justiz RS0050063; RS0112256).

Es findet deshalb auch die Unklarheitenregel des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulierungen stammen, das heißt ‑ auch im vorliegenden Fall ‑ zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0050063 [T3]); wobei die Klauseln dann, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen sind (RIS-Justiz RS0008901; 7 Ob 42/11v mwN).

Wenn der Rekurs dem Berufungsgericht vorwirft, es habe bei der Auslegung zu Unrecht auf das Verständnis der „redlichen Erklärungsempfängerin“ abgestellt, wird daher verkannt, dass die von der Beklagten gewählte Formulierung ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nach der Unklarheitenregel (nicht nur zu ihren Lasten, sondern auch) aus der Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmung auszulegen ist. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin kommt es also entscheidend auf den Eindruck an, den diese „Maßfigur“ ‑ in der Lage der Klägerin ‑ als Erklärungsempfängerin gewinnen konnte.

Zu Recht weist das Berufungsgericht somit darauf hin, dass sich das Erstgericht im Wesentlichen auf die Auslegung des Begriffs „Tresor“ in seiner gewöhnlichen Bedeutung („gewisser Einbruchsschutz“) beschränkt hat, dass tatsächlich jedoch auf den Empfängerhorizont eines ‑ in der Situation der Klägerin mit der fraglichen Formulierung der Beklagten konfrontierten ‑ durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers abzustellen ist. Ein solcher durfte davon ausgehen, dass der Beklagten bei der Formulierung des Vertrags das bereits zur Aufbewahrung der Fahrzeugschlüssel verwendete Behältnis (infolge Zurechnung des ‑ nicht nur „privat“ erworbenen [vgl 7 Ob 94/09p] ‑ Wissens ihres Agenten) bekannt war:

Ist doch dem Versicherer auch im Fall des Vermittlungsagenten (§ 43 Abs 2 VersVG) jedenfalls all jenes Wissen zuzurechnen, das der Agent ‑ wie hier ‑ anlässlich der Antragsentgegennahme (während er mit der Schließung oder Bearbeitung des Vertrags so betraut oder beschäftigt ist, dass ihm die wahrgenommene Tatsache relevant erscheinen muss) erlangt (RIS-Justiz RS0117406; 7 Ob 164/11k; Erläut VersVG-Nov 1994 in Grubmann, VersVG6 § 44 FN 1 Abs 4; vgl auch 7 Ob 19/10k).

Insoweit sind die Tatsacheninstanzen den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin gefolgt, wonach W***** zunächst den Platz besichtigte, sich nach dem Einfahrtstor sowie darüber erkundigte, ob der Container versperrt sei und schließlich fragte, wo die Schlüssel aufbewahrt würden; dies sei ihm gezeigt worden, er habe „es“ sich angeschaut und dazu nichts gesagt, auch nicht dahingehend, dass „das“ zum Aufbewahren nicht geeignet sei. Auch hier ist dem Versicherungsagenten der Beklagten die Relevanz einer bedingungsgemäßen Verwahrung „im“ bereits vorhandenen Schlüsselkasten also offenkundig nicht verborgen geblieben.

Davon ausgehend hat das Berufungsgericht die „Schlüsseltresorklausel“ zutreffend ausgelegt, weshalb der Beklagten im vorliegenden Fall auch der Nachweis des objektiven Tatbestands einer allfälligen Obliegenheitsverletzung nicht gelungen wäre, sodass sich auch in diesem Zusammenhang keine weiteren Fragen stellen. Die Rekursausführungen der Beklagten, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, den Kausalitätsgegenbeweis zu erbringen, gehen daher ins Leere.

Zuletzt bestreitet die Rekurswerberin die vom Berufungsgericht erkannte Notwendigkeit der Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage. Den diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichts kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179). Da die den Aufträgen an das Erstgericht zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen richtig sind, ist die von der Beklagten in Abrede gestellte Notwendigkeit der Verfahrensergänzung nicht überprüfbar (7 Ob 21/11f; 10 ObS 112/11k jeweils mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 52 ZPO.

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