OGH 7Ob190/11h

OGH7Ob190/11h21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** K*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler und andere Rechtsanwälte in St. Florian, wegen 79.479,70 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. August 2011, GZ 1 R 131/11g-37, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten darf nicht überspannt werden und erstreckt sich nicht auf alle möglicherweise eintretenden Fälle (RIS-Justiz RS0080386 [T2]).

Der Versicherungsagent muss nicht prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis voll abdeckt (RIS-Justiz RS0080898). Der Versicherungsnehmer muss vielmehr die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung haben (RIS-Justiz RS0080130). Der Agent muss Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen. Es besteht eine Aufklärungspflicht des Versicherers über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Um so eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt wird (RIS-Justiz RS0106980), ebenso, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsnehmers klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt, wie etwa über den angestrebten ehesten Haftungsbeginn, eine irrige Vorstellung hat (RIS-Justiz RS0080141). Es stellt einen Verstoß gegen die vorvertraglichen Sorgfaltspflichten dar, wenn die unrichtige Ansicht des Antragstellers durch eine nicht zutreffende Belehrung des Versicherungsvertreters hervorgerufen, jedenfalls aber bekräftigt wurde (7 Ob 94/09p mwN). Ein Versicherer ist zu einer fachkundigen Beratung und Aufklärung dann verpflichtet, wenn der andere Vertragsteil nach der im Verkehr herrschenden Auffassung redlicherweise dies erwarten darf (RIS-Justiz RS0119747).

Zu Recht verweist der Revisionswerber darauf, dass das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung von diesen in ständiger Rechtsprechung dargelegten Grundsätzen (insbesondere auch zu 7 Ob 49/06s) abgewichen ist. Auch im vorliegenden Fall kam es dem Kläger nach den Feststellungen ausdrücklich auf eine Versicherung zum Neubauwert an. Der Agent der Beklagten bestätigte dies, ohne dass erörtert wurde, dass eine Neuwertentschädigung nach den (bereits) vereinbarten Versicherungsbedingungen (unter anderem) nur dann erfolgen könne, wenn der Zeitwert der Gebäude mindestens 30 % des Neuwerts betrage. Die von der Beklagten ausgestellte Versicherungspolizze trägt außerdem den Zusatz: „Die sieben Gebäude der versicherten Liegenschaft in überwiegend massiver Bauweise gelten einschließlich An- und Zubauten zum Neubauwert versichert“. Auch dieser Zusatz konnte den Kläger in seiner irrigen, dem Agenten gegenüber geäußerten Vorstellungen über den Umfang des Versicherungsschutzes (jedenfalls bei Wiederaufbau Neuwert) bestärken. Auch über die Relevanz des Zeitwerts der Gebäude wurde nicht gesprochen. Die Beklagte haftet damit nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs aus dem Titel der culpa in contrahendo. Dennoch hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt, dass das auf Ersatz der Differenz zwischen Zeit- und Neuwert gerichtete Begehren des Klägers abzuweisen ist:

Dem Versicherungsvertrag liegt eine sogenannte strenge Wiederherstellungsklausel zu Grunde. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei eine 100%ige Sicherheit für den Wiederaufbau nicht zu verlangen. Es muss ausreichen, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen kein vernünftiger Zweifel an der Wiederherstellung besteht (RIS-Justiz RS0112327, RS0081868). Durch die Wiederherstellungsklausel wird mittelbarer Zwang auf den Versicherungsnehmer ausgeübt, der erst bei Sicherung des Wiederaufbaus an die Versicherungssumme gelangt. Die Fälligkeit der Entschädigungsforderung ist bis dahin aufgeschoben (RIS-Justiz RS0111471). Die Vorlage von Kostenvoranschlägen, die Absichtserklärung des Versicherungsnehmers, ein noch nicht angenommenes Anbot, die bloße Bauplanung oder eine bloß behelfsmäßige Reparatur sind für die Sicherung der Wiederherstellung nicht ausreichend (7 Ob 217/10b mwN).

Das Berufungsverfahren bleibt mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht auseinandersetzt (RIS-Justiz RS0042993). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht, wenn auch nicht besonders ausführlich, die Beweisrüge des Klägers behandelt.

Ausgehend von den vom Berufungsgericht auch insoweit übernommenen Feststellungen steht gerade nicht fest, dass der Kläger den Stadel an gleicher Stelle wiederaufbauen wird (die vorgelegte Auftragsbestätigung bezieht sich auf den „Bau einer Maschinenhalle“). Da damit nach ständiger Rechtsprechung der Wiederaufbau nicht gesichert ist, stellen sich keine erheblichen Rechtsfragen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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