OGH 11Os5/12p

OGH11Os5/12p15.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Perovic als Schriftführer, in der Strafsache gegen Zurkani Ad***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Blerim Av***** gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 18. Mai 2011, GZ 29 Hv 54/09d-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 1/A/b und d, demzufolge in der gemäß § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Blerim Av***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche des Blerim Av***** und des Zurkani Ad***** von weiteren Diebstahlsvorwürfen enthält (II), wurden Blerim Av***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (I/1) und Zurkani Ad***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (I/2) schuldig erkannt.

Danach hat mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

(I/1) Blerim Av***** im einverständlichen Zusammenwirken mit gesondert verfolgten Mittätern gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen im Wert von 49.231 Euro durch Einbruch

(A) weggenommen, und zwar

(a) am 27. Oktober 2008 in Krems an der Donau dem Alfred Sch***** 11.273 Packungen Zigaretten im Wert von mindestens 37.500 Euro und mindestens 300 Euro Bargeld, indem sie eine Dachkuppel aufbrachen;

(b) am 10. Jänner 2008 in Langenlois der Firma B***** zwei Telefonfreisprecheinrichtungen, ein Navigationssystem und 330 Euro Bargeld, indem sie ein Fenster aufzwängten und eine Tür aufbrachen;

(c) am 22. Oktober 2008 in Dürnstein der Barbara B***** 60 Stangen Zigaretten, weitere 150 Packungen Zigaretten, Spirituosen, Rasierwasser, Parfums, Taschenlampen, Batterien, eine Rohrzange, eine Kombizange und einen Schraubenzieher im Wert von insgesamt 3.100 Euro, indem sie ein Fenster aufbohrten und einen Schrank aufbrachen;

(d) am 19. November 2008 in Hadersdorf der S***** AG 208 Stangen Zigaretten im Wert von mindestens 8.001 Euro, indem sie die Eingangstür einschlugen;

(B) am 17. September 2007 in Krems an der Donau der Firma B***** wegzunehmen versucht, indem sie eine Dachkuppel abschraubten, mehrere Bürotüren aufbrachen und den Tresor aufzubrechen trachteten;

(I/2) Zurkani Ad***** zur Ausführung der zu I/1/A/d geschilderten strafbaren Handlung beigetragen, indem er Ilir G***** zum Tatort chauffierte und ihn nach der Tatausführung von dort wieder abholte.

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Blerim Av***** ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In Betreff der Einbrüche laut Urteilsfakten I/1/A/b und d reklamiert die (nominell auch auf Z 5a, der Sache nach jedoch nur auf Z 5 fünfter Fall gestützte) Mängelrüge zutreffend, dass sich das Erstgericht insoweit auch auf den Zeugen Eugen L***** stützte, welcher - so die Ausführungen im angefochtenen Urteil - die belastenden Angaben des Abdi Ab***** „sowohl vor der Polizei als auch in der Hauptverhandlung bestätigte“ (US 8). Wie die Beschwerde mit Recht einwendet, gab der Zeuge L***** in diesem Zusammenhang lediglich an, von einem vom Angeklagten Blerim Av***** verübten Einbruchsdiebstahl in die auf dem Gelände eines Merkur-Markts befindliche Trafik (sohin Urteilsfaktum I/1/A/a - vgl ON 2 AS 67) Kenntnis zu haben. Von einer Beteiligung dieses Angeklagten an weiteren Einbrüchen in Hadersdorf und Langenlois (I/1/A/b und d) berichtete Eugen L***** hingegen nichts (ON 33 S 7 f; ON 2 S 83). Schon im Hinblick darauf, dass die Tatrichter die aktenwidrig referierten Depositionen dieses Zeugen als wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des (Hauptbelastungs-)Zeugen Ab***** heranzogen (US 8 letzter Absatz), ist der aufgezeigte Begründungsmangel geeignet, sich auf die Lösung der Schuldfrage hinsichtlich der Einbruchsdiebstähle laut I/1/A/b und d des Urteils auszuwirken, womit sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen dazu erübrigt.

Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt jedoch ihr Ziel.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider beeinträchtigt allein die Verwendung von Gesetzesbegriffen (hier: „einbrechen“ und „stehlen“) die Wirksamkeit von Tatsachenfeststellungen nicht, sofern diese - wie vorliegend (US 8 ff) - den notwendigen Sachverhaltsbezug aufweisen (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8).

Eine Begründung für den in objektiver Hinsicht festgestellten, 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert des Diebsguts mussten die Urteilsannahmen - entgegen der Beschwerde und der Stellungnahme der Generalprokuratur - angesichts des allgemein notorischen Umstands, dass bereits die laut Urteilspunkt I/1/A/a erbeuteten 11.273 Packungen Zigaretten die genannte Wertgrenze (bei weitem) überschreiten, nicht enthalten (zur Notorietät einer Tatsache und dem damit verbundenen Entfall einer Begründungspflicht vgl RIS-Justiz RS0124169; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 456). Die Konstatierung, dass der Angeklagte die Wertqualifikation des § 128 Abs 1 Z 4 StGB auch in seinen Vorsatz aufnahm, leiteten die Tatrichter wiederum in rechtsstaatlich unbedenklicher und bei leugnenden Angeklagten methodisch gar nicht zu ersetzender Weise (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 11).

Wie das weitere Rechtsmittel selbst einräumt, erfolgte die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Angeklagten im Tatzeitraum (US 7). Der dennoch erhobene Einwand (inhaltlich Z 10) des Fehlens von Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation zu den Tatzeitpunkten ist daher unverständlich.

Ebensowenig macht die Beschwerde klar, aus welchem Grund die Konstatierung, dass der Angeklagte im Oktober und November mit anderen Personen Einbrüche in Krems, Dürnstein und Hadersdorf verübt hat (US 6), undeutlich (Z 5 erster Fall) sein soll.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände, oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit den Hinweisen auf das Fehlen von unmittelbaren Tatzeugen, die auf Rachemotiven beruhenden belastenden Angaben des Abdi Ab***** und die mangelnde Übereinstimmung von Schuhabdruckspuren sowie mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zur „Liste“ des Zeugen Ab***** über Diebstahlsfakten und zu den wechselnden Depositionen des Zeugen S***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung gelingt es nicht, beim Obersten Gerichtshof solche erheblichen Bedenken zu wecken. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang mehrfach hervorgekehrte Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) kann - wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist - nicht Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS-Justiz RS0102162).

Als prozessordnungswidrig ausgeführt präsentiert sich die Subsumtionsrüge (Z 10), indem sie eine - durch das konstatierte „Aufbrechen eines Tresors“ begrifflich jedoch mitumfasste - Feststellung darüber vermisst, ob dieses Behältnis verschlossen war (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Betreff der Schuldsprüche I/1/A/b und d - insoweit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - wie aus dem Spruch ersichtlich stattzugeben, während sie im Übrigen bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen war (§§ 285d Abs 1, 285e erster SatzStPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Blerim Av***** auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Im zweiten Rechtsgang wird die aufgelöste Subsumtionseinheit nach § 29 StGB (dazu Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10) - mit oder ohne die von der Urteilsaufhebung betroffenen Fakten - neu zu bilden sein (RIS-Justiz RS0116734).

Bleibt mit Blick auf die Stellungnahme der Generalprokuratur anzumerken, dass sich der Oberste Gerichtshof nicht zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO in Ansehung des Angeklagten Zurkani Ad***** veranlasst sah, weil das Erstgericht die im Rahmen obiger Erledigung der Mängelrüge als aktenwidrig erkannten Angaben des Zeugen L***** im Verhältnis zum Mitangeklagten gar nicht in Anschlag brachte und Ad***** nicht den Angeklagten Av*****, sondern einen anderen bereits rechtskräftig verurteilten Mittäter zum Tatort chauffierte. (US 10). Überdies haben die Tatrichter den auf Erlangung einer Diebsbeute in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert gerichteten Vorsatz des Zurkani Ad***** ohnedies ausdrücklich festgestellt (vgl US 11: „Die Angeklagten [....] hielten es ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, dass die Beute mehr als EUR 3.000,-- wert war.“).

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