OGH 3Ob171/11k

OGH3Ob171/11k8.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei B*****, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei S*****, vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 22. Juni 2011, GZ 1 R 104/11s-34, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 12. Mai 2011, GZ 4 E 2551/11f-8, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Rekursentscheidung wurde dem Vertreter der Verpflichteten im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) am 6. Juli 2011 zugestellt. Dieser brachte am 20. Juli 2011 ebenfalls im ERV den vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs ein, allerdings nicht an das Erstgericht adressiert (§ 520 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO), sondern an das Berufungsgericht als Folgeeingabe zu dessen Aktenzeichen. Von diesem wurde am folgenden Tag die Übermittlung des Rechtsmittels an das Erstgericht verfügt, in dessen (mit jener des Berufungsgericht vereinigten) Einlaufstelle es entsprechend dem darauf angebrachten Eingangsvermerk noch am 21. Juli 2011 einlangte.

Der Revisionsrekurs erweist sich aus folgenden Überlegungen als verspätet:

Nach ständiger Rechtsprechung schließt die unrichtige Bezeichnung des Adressatgerichts die Anwendung des § 89d GOG zu Lasten des Rechtsmittelwerbers aus (vgl RIS-Justiz RS0060177; RS0041608). Wird das Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS-Justiz RS0041584). Eine unrichtige Adressierung schadet nur dann nicht, wenn die Einlaufstellen jenes Gerichts, bei dem die Eingabe einlangt und jenes, bei dem es hätte einlangen müssen, iSd § 37 Abs 2 Geo vereinigt sind (vgl RIS-Justiz RS0041726); getrennte Einlaufstellen in einem Gebäude reichen nicht aus (RIS-Justiz RS0041726 [T1]). Der an das richtige Gericht gerichtete, aber an das falsche (wenn auch im selben Gebäude wohl aber räumlich getrennt befindliche) gerichtliche Telefaxempfangsgerät gesendete Schriftsatz ist nur dann fristwahrend, wenn er noch innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0041726 [T9]).

Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht wurde. Die in den Gesetzesmaterialien zu § 89d GOG vorgesehene Funktion der Bundesrechenzentrum GmbH als „vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts“ ändert nichts daran, dass ein im Wege des ERV übermitteltes Schriftstück - unter Nichteinrechnung des Postenlaufs - nur dann als rechtzeitig eingebracht angesehen werden kann, wenn es durch Angabe des jeweils zutreffenden „Dienststellenkürzels“ an das richtige Gericht adressiert war. Langte der Schriftsatz wegen unrichtiger Bezeichnung des Adressatgerichts beim falschen Gericht ein, das ihn (mit Zeitverzögerung) an das zuständige Gericht übermitteln musste, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0124533).

Der Vertreter der Verpflichteten adressierte den Revisionsrekurs unrichtig an das Berufungsgericht, bei dem er am 20. Juli 2011 tatsächlich einlangte (wie auch dem VJ-Register zu entnehmen ist) und ausgedruckt wurde, um an das zuständige Erstgericht übermittelt zu werden. Dort langte er allerdings erst am 21. Juli 2011 ein, also nach Ablauf der 14-tägigen Revisionsrekursfrist (§ 521 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO).

Dem Umstand, dass Erst- und Berufungsgericht über eine vereinigte Einlaufstelle verfügen (wie dem Eingangsvermerk am Revisionsrekurs zu entnehmen ist), kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Eine sinngemäße Anwendung der zum Einlangen des Schriftstücks in einer vereinigten Einlaufstelle entwickelten Rechtsprechung auf die Bundesrechenzentrum GmbH hat der Oberste Gerichtshof schon ua mit der Begründung abgelehnt, § 89d Abs 1 GOG könne nicht entnommen werden, dass damit eine „gemeinsame Einlaufstelle“ für sämtliche österreichischen Gerichte iSv § 37 Abs 2 Geo geschaffen werden sollte (4 Ob 18/09i). Fehlt es aber im ERV an einer vereinigten Einlaufstelle iSd § 37 Abs 2 Geo, fehlt es auch an der Basis für die bereits zitierte Judikatur zur ausnahmsweisen Fristwahrung. Schließlich stellt sich die Situation somit im ERV bei unrichtiger Adressierung des Schriftsatzes nicht anders dar, als im Fall von getrennten Einlaufstellen oder unterschiedlichen Faxgeräten verschiedener Gerichte, die in einem Gebäude untergebracht sind. Auch in diesen Konstellationen verlangt aber die Judikatur das rechtzeitige Einlangen des Rechtsmittels beim zuständigen (Erst-)Gericht.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass für die Beurteilung der Fristwahrung von im ERV eingebrachten Rechtsmitteln dem Vorhandensein vereinigter Einlaufstellen iSd § 37 Abs 2 Geo keine Relevanz zukommt. Auch in diesem Fall schließt die unrichtige Bezeichnung des Adressatgerichts die Anwendung des § 89 GOG zu Lasten des Rechtsmittelwerbers aus.

Deshalb ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten als verspätet zurückzuweisen, auch wenn das Rechtsmittel in der Zwischenzeit mit der Folgeeingabe vom 29. August 2011 „unter der Bedingung des Kostenzuspruchs zurückgezogen“ wurde. Darauf ist wegen der grundsätzlichen Unzulässigkeit bedingter Prozesshandlungen (RIS-Justiz RS0006954, RS0006445; zur bedingten Rückziehung eines Rekurses: RIS-Justiz RS0110466) nicht Bedacht zu nehmen.

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