OGH 5Ob73/11p

OGH5Ob73/11p7.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin B*****, vertreten durch Prader & Ortner Rechtsanwälte GbR in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin B*****, vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 37 Abs 1 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. November 2010, GZ 1 R 125/10d-31, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird - soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts richtet - als jedenfalls unzulässig und im Übrigen mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist jedenfalls unzulässig, soweit er sich auch gegen die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen wendet (§ 62 Abs 2 Z 1 AußStrG; RIS-Justiz RS0008483).

2. Im Übrigen ist er nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG fehlt.

In den in § 37 Abs 1 MRG genannten außerstreitigen Verfahren stellt die Vorschaltung der Schlichtungsstelle eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für die Befassung der Gerichte dar. Fehlte es an dieser Voraussetzung, liegt eine Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs vor (RIS-Justiz RS0006307; RS0070782). Dem Wesen der sukzessiven Kompetenz entsprechend, können diese Verfahren erst dann bei Gericht anhängig gemacht werden, wenn vorher die Schlichtungsstelle (Gemeinde) mit der „Sache“ befasst war (5 Ob 62/06p mwN).

Die „Sache“ im Sinne des § 39 Abs 1 MRG ist durch den das Verfahren vor der Schlichtungsstelle einleitenden Sachantrag definiert (M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 39 MRG Rz 5 ff; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 39 MRG Rz 2; 5 Ob 62/06p; RIS-Justiz RS0070055). Nur wenn ein innerer Zusammenhang mehrerer ins außerstreitige Verfahren verwiesener Begehren besteht, erübrigt sich in bereits gerichtsanhängigen Verfahren die Anrufung der Schlichtungsstelle. Ein solcher Zusammenhang mehrerer Begehren liegt vor, wenn sie der Gesetzgeber gemeinsam in eines der Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG verweist oder die Verbindung verschiedener Verfahren anordnet (RIS-Justiz RS0116942). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, handelt es sich um verschiedene „Sachen“, sodass die zwingende Prozessvoraussetzung der vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle für jedes Begehren uneingeschränkt gilt (vgl 5 Ob 144/02s).

Der Begriff der „Sache“ findet sich auch in § 40 Abs 1 MRG. Demnach kann diese („die Sache“) innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der Entscheidung der Schlichtungsstelle bei Gericht anhängig gemacht werden, wenn sich eine Partei mit dieser Entscheidung nicht zufrieden gibt. § 40 Abs 2 MRG ermöglicht die Anrufung des Gerichts, wenn das Verfahren vor der Schlichtungsstelle nicht binnen drei Monaten zum Abschluss gelangt ist und meint damit das Verfahren über die „Sache“. Der Umstand, dass das Rekursgericht bei der Beurteilung der Einheitlichkeit der zu Gericht abgezogenen Anträge auf die zur „Sache“ ergangene Rechtsprechung abstellte, ist daher schon durch den Gesetzeswortlaut gedeckt.

Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung, dass bei ihrem Wesen nach voneinander unabhängigen Anträgen eine Teilabziehung in Betracht kommt (5 Ob 190/98x [ausdrücklich für den Anwendungsfall des § 40 Abs 2 MRG]; 5 Ob 240/02h; RIS-Justiz RS0111174). Damit begründet es keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen für den außerstreitigen Rechtsweg verneinte, weil die ausgedehnten, verschiedenen Kompetenztatbestände des § 37 Abs 1 MRG zuzuordnenden und damit in keinem inneren Zusammenhang mit den ursprünglichen Anträgen stehenden Begehren vor Ablauf der Frist des § 40 Abs 2 MRG zu Gericht abgezogen wurden.

Nicht die Ausstellung der Bestätigung nach § 40 Abs 3 MRG bewirkt die Einstellung des Schlichtungsstellenverfahrens, sondern erst die Anbringung des entsprechenden Begehrens bei Gericht (RIS-Justiz RS0108774; RS0109765). Diese Bestätigung entfaltet daher auch keine die Gerichte bindende Einstellungswirkung, wie die Antragstellerin meint.

Eine Sanierung der fehlenden Prozessvoraussetzung durch rügeloses Einlassen ist im Fall einer sukzessiven Kompetenz nicht vorgesehen (vgl RIS-Justiz RS0070401; RS0070782), sodass die Revisionsrekurswerberin insgesamt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Rechtsfragen aufzeigt.

3. Für die von der Antragsgegnerin vor Freistellung (§ 37 Abs 3 MRG iVm § 68 Abs 3 Z 3 AußStrG) erstattete Revisionsrekursbeantwortung gebühren keine Kosten.

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