Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 999,29 EUR (darin enthalten 166,55 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
W***** H***** (im Folgenden Versicherungsnehmer) leaste von der Klägerin am 6. 7. 2006 einen PKW VW Phaeton. Wie im Leasingvertrag vereinbart, schloss er für das Fahrzeug eine Kaskoversicherung bei der Beklagten ab. Nach Punkt 9. der dem Leasingvertrag zugrunde gelegten Allgemeinen Vertragsbedingungen sollte im Schadensfall die Klägerin als Leasinggeberin berechtigt sein, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen und Entschädigungsquittungen auszustellen; ausschließlich die Klägerin sollte berechtigt sein, Zahlungen (des Kaskoversicherers) entgegenzunehmen. Der Versicherungsvertrag wurde zugunsten der Klägerin vinkuliert; die Beklagte verpflichtete sich insbesondere, im Schadensfall eine Entschädigungsleistung nur mit Zustimmung der Klägerin auszuzahlen. Am 19. 10. 2006 wurde das Leasingfahrzeug bei einem Unfall beschädigt. Die Beklagte ging zunächst von einem Totalschaden aus und bot der Klägerin eine Versicherungsleistung von 14.333,34 EUR an. Der von der Klägerin kontaktierte Versicherungsnehmer erklärte, mit dieser Abfindungssumme nicht einverstanden zu sein. Die Klägerin äußerte, er könne sich auf seine Kosten und Gefahr bei der Beklagten um eine höhere Entschädigungsleistung bemühen. Dem - vom Nebenintervenienten vertretenen - Versicherungsnehmer gelang es, die Beklagte zur Überweisung von insgesamt 29.443,60 EUR an den Nebenintervenienten zu veranlassen. Dieser vertrat gegenüber der Beklagten die Ansicht, dass nicht die Klägerin, sondern der Versicherungsnehmer anspruchsberechtigt sei. Der Versicherungsnehmer verkaufte das Fahrzeug zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, ohne davon die Klägerin zu verständigen und deren Zustimmung einzuholen. Er hatte der Klägerin mitgeteilt, er werde das Fahrzeug reparieren lassen und bezahlte weiter die Leasingraten, bis am 23. 10. 2008 über sein Vermögen der Konkurs eröffnet wurde. Die Klägerin meldete im Konkursverfahren eine Forderung von 28.339,47 EUR (Entgeltrückstand von 3.393,39 EUR plus Nettorestwert des Fahrzeugs von 25.000 EUR) an, die vom Masseverwalter nicht bestritten wurde.
Die Klägerin, die am 20. 7. 2009 Klage erhob, begehrte von der Beklagten zuletzt (nach Klagseinschränkung) die Zahlung von 14.333,34 EUR (sA). Obwohl sie einer Auszahlung an den Versicherungsnehmer oder den Nebenintervenienten nicht zugestimmt habe, habe die Beklagte im Wissen um die bestehende Vinkulierung und die mangelnde Anspruchsberechtigung des Versicherungsnehmers dennoch Zahlung an diesen (seinen Vertreter) geleistet. Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung zumindest des ihr von der Beklagten in Aussicht gestellten Betrags von 14.333,34 EUR.
Die Beklagte und der Nebenintervenient wendeten, soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, ein, die Beklagte habe davon ausgehen können, dass die Anspruchsberechtigung auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Versicherungsnehmer und der Klägerin nunmehr ersterem zustehe. Die Klägerin sei bei einer allfälligen Nichtbeachtung der Vinkulierung auf Schadenersatzansprüche beschränkt, wobei solche nicht bestünden. Zumindest treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden, weil sie sich jahrelang nicht um die Schadensabwicklung gekümmert habe. Der Anspruch sei im Übrigen verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es der Klage stattgab. Punkt 9. des Leasingvertrags stelle eine von § 75 Abs 2 VersVG abweichende, zulässige Abtretungsvereinbarung dar, auf Grund derer die Klägerin zur Einforderung der Versicherungsleistung legitimiert sei. Dass die Beklagte über den Inhalt des Leasingvertrags nicht informiert worden sei, stehe dem nicht entgegen, weil sie als Drittschuldnerin in die Abtretungsvereinbarung nicht einbezogen habe werden müssen. Die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, dass „primär“ die Klägerin anspruchsberechtigt sei. Sie hätte daher ohne deren Zustimmung nicht an den Versicherungsnehmer leisten dürfen. Da eine Anscheins‑ oder Duldungsvollmacht des Versicherungsnehmers (bzw des Nebenintervenienten) zu verneinen sei, sei die Zahlung der Beklagten an den Versicherungsnehmer/Nebenintervenienten nicht mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei die Klägerin daher nicht auf Schadenersatzansprüche (infolge Verletzung der Vinkulierungsvereinbarung) beschränkt, sondern könne einen Erfüllungsanspruch aus der Kaskoversicherung geltend machen. Von einer Verjährung könne im Hinblick auf das Schadensdatum 19. 10. 2006 und die Klagseinbringung am 20. 7. 2009 nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG keine Rede sein.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO vorliege. Es änderte diesen Ausspruch auf Antrag der Beklagten und des Nebenintervenienten gemäß § 508 ZPO dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Es sei nämlich nicht ersichtlich, ob sich in der von ihm zitierten Entscheidung 7 Ob 56/80, RIS‑Justiz RS0017130 = VR 1982/74, die im vollen Wortlaut nicht veröffentlicht worden sei, der Versicherungsschein beim Kreditgeber befunden habe oder nicht. Dieser Umstand könne „unter Umständen zu einer differenzierten Beurteilung führen“.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts sind die von der Beklagten und dem Nebenintervenienten erhobenen Revisionen mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Wie das Berufungsgericht, der von ihm zitierten oberstgerichtlichen Judikatur folgend, ausgeführt hat, ist bei Vinkulierung einer vom Leasingnehmer (Versicherungsnehmer) abgeschlossenen Kaskoversicherung zugunsten des Leasinggebers dieser (Mit‑)Versicherter. Es handelt sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, auf die die §§ 74 ff VersVG anzuwenden sind (RIS‑Justiz RS0080825). Bei der Versicherung für fremde Rechnung hat der Versicherungsnehmer das formelle Verfügungsrecht über die sachlich dem Versicherten zustehende Forderung (RIS‑Justiz RS0080863). Nach ständiger ‑ auch von der Lehre gebilligter ‑ Rechtsprechung ist die Rechtsbeziehung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers als eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis anzusehen (RIS‑Justiz RS0080862; RS0080792; 7 Ob 260/05v mwN aus Rsp und Schrifttum). Trotz seiner Stellung als materiell Anspruchsberechtigter kann der Versicherte nach der ‑ dispositiven (RIS-Justiz RS0035281) - Bestimmung des § 75 Abs 2 VersVG aber nicht über die Ansprüche des Versicherungsnehmers verfügen oder sie gerichtlich geltend machen (RIS‑Justiz RS0035281 [T3]; RS0080792), es sei denn, dass er den Versicherungsschein besitzt (gemeint: oder) der Versicherungsnehmer zustimmt oder dieser den Anspruch erkennbar nicht weiter verfolgen will (7 Ob 260/05v mwN ua). Ein solcher Fall der Zustimmung des Versicherungsnehmers im Rahmen einer Vinkulierungserklärung (dort zugunsten eines Kreditgebers) wurde bereits in der ‑ das Berufungsgericht zur Zulassung der Revisionen bewegenden ‑ Entscheidung 7 Ob 56/80, VR 1982, 274, behandelt. Dort wurde folgender Rechtssatz formuliert: „Die zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Kreditgeber getroffene Vereinbarung, nach der dieser ausschließlich zur Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch dann befugt ist, wenn er sich nicht im Besitze des Versicherungsscheins befindet, enthält eine vom dispositiven Recht der §§ 75 Abs 2, 76 Abs 1 und 2 VersVG abweichende vertragliche Regelung, die nicht neben dem Versicherungsvertrag steht, sondern das Versicherungsverhältnis selbst gestaltet, soweit es die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherer und dem versicherten Kreditgeber betrifft“ (RIS‑Justiz RS0017130). Ganz offenbar wurde also auch dort (auch wenn sich eine ausdrückliche diesbezügliche Feststellung in dem dem Obersten Gerichtshof vorliegenden, nicht veröffentlichten Volltext nicht findet) der versicherten Klägerin der Versicherungsschein (die Polizze) nicht übergeben. Andernfalls hätte kein Anlass für die Formulierung des Rechtssatzes bestanden. Der in VR 1982, 274 wiedergegebene einleitende Satz, wenn der Kaskoversicherer auf Grund einer vom Versicherungsnehmer mit seinem Kreditgeber getroffenen Vinkulierungsvereinbarung diesem den Versicherungsschein erteile, werde das Versicherungsverhältnis zu einem Fremdversicherungsvertrag, mit dem das Interesse des Kreditgebers bis zur Höhe der jeweils offenen Forderung versichert sei, veranlasst nicht, dies zu bezweifeln. Eine vom Nebenintervenienten behauptete sprachliche Unklarheit ist nicht gegeben; nach den Regeln der Grammatik kann mit „dieser“ nur der Kreditgeber gemeint sein. Entgegen der von der Beklagten in ihrer Revision vertretenen Ansicht kann keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht von der Entscheidung 7 Ob 56/80 abgewichen wäre, soll doch der zitierte Satz zum Ausdruck bringen, dass ein Fremdversicherungsvertrag vorliegt, wenn der Kreditgeber den Versicherungsschein erhalten hat, aber auch ohne diesen Besitz (wie sich aus der weiteren Begründung dieser Entscheidung ergibt) eine eigene Klagemöglichkeit besteht, falls Entsprechendes vereinbart wurde. Die Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung des Anspruchs aus der Kaskoversicherung steht mit dieser Entscheidung und der übrigen, bereits vom Berufungsgericht wiedergegebenen einschlägigen Rechtsprechung im Einklang. Ein tauglicher Grund für die Zulassung der Revisionen ist in diesem Zusammenhang daher nicht gegeben.
Eine erhebliche Rechtsfrage wird von den Revisionswerbern auch sonst nicht aufgezeigt. Der Annahme, der Versicherungsnehmer wäre neben der Klägerin berechtigt gewesen, die Versicherungsleistung zu fordern und Zahlung an sich zu begehren, steht die Vinkulierungsvereinbarung und der klare Wortlaut des Leasingvertrags entgegen. Danach sollte im Schadensfall ausschließlich die Leasinggeberin berechtigt sein, Zahlungen entgegenzunehmen. Die vom Nebenintervenienten für erheblich erachtete Rechtsfrage, ob bei Vereinbarung der Berechtigung (Anspruch auf die Versicherungsleistung) sowohl des Versicherungsnehmers als auch der Vinkulargläubigerin, der die Versicherungspolizze nicht übergeben worden sei, beide aktiv legitimiert seien, stellt sich hier daher gar nicht.
Dass der Beklagten auf Grund der Vinkulierung bewusst war, dass sie an die Klägerin zu leisten habe, steht fest. Die Beklagte war also von der betreffenden Abtretungsvereinbarung hinreichend unterrichtet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, sie sei deshalb ungeachtet des Umstands, dass sie vom Inhalt des Leasingvertrags nicht weiter informiert wurde, nicht im Sinn des § 1395 Satz 2 ABGB schutzwürdig, steht im Einklang mit oberstgerichtlicher Judikatur (vgl etwa 1 Ob 538/80, SZ 53/33 ua).
Eine nachträgliche gegenteilige Vereinbarung, wonach die Beklagte mit schuldbefreiender Wirkung auch an den Versicherungsnehmer leisten hätte dürfen, wurde nicht festgestellt. Das Vorliegen einer von den Revisionswerbern in diesem Zusammenhang behaupteten Anscheins‑ und Duldungsvollmacht des Versicherungsnehmers oder des Nebenintervenienten hat das Berufungsgericht im Einklang mit oberstgerichtlicher Judikatur verneint: Eine Anscheinsvollmacht (Vollmacht wegen Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den (im Verhalten des Vollmachtgebers) begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RIS‑Justiz RS0019609 [T7]). Die Revisionswerber übersehen, dass es für das Bestehen einer Anscheinsvollmacht nicht ausreicht, dass der vermeintliche Vertreter (hier der Nebenintervenient) als solcher auftritt. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Anschein des Bestehens von Vertretungsmacht demjenigen auch in adäquater Weise zuzurechnen ist, für den der vermeintliche Vertreter gehandelt hat (hier die Klägerin). Eine solche Zurechnung setzt voraus, dass der Machtgeber selbst oder ihm zurechenbare Personen den Anschein verursacht haben, wogegen das Vertrauen auf das Verhalten des vermeintlichen Vertreters allein nicht ausreicht (1 Ob 161/08w mwN uva). Ein Verhalten der Klägerin, das die Beklagte zur Annahme veranlassen hätte können, vom Nebenintervenient werde mit ihrer Zustimmung die Auszahlung an den Versicherungsnehmer begehrt, wurde von der Beklagten nicht behauptet und ist nicht ersichtlich. Das „lange Schweigen“ der Klägerin wäre allenfalls nur dann im Sinn einer Duldungsbevollmächtigung des Nebenintervenienten zu interpretieren, wenn der Klägerin dessen Behauptungen betreffend die Anspruchsberechtigung seines Mandanten bekannt gewesen wären. Dies wurde von der Beklagten und vom Nebenintervenient aber nicht einmal behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt. Mangels einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung stellt daher auch die Verneinung einer Anscheins‑ oder Duldungsvollmacht des Versicherungsnehmers/Nebenintervenienten keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0019609 [T9]).
Dass eine von beiden Revisionswerbern behauptete und als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügte Überraschungsentscheidung vorliege, ist unrichtig. Die Klägerin hat schon in der Klage auf Punkt 9. der dem Leasingvertrag zugrunde gelegten Allgemeinen Vertragsbedingungen hingewiesen und ihren Anspruch auch schon in erster Instanz darauf gestützt, dass ihr der Versicherungsnehmer im Leasingvertrag die ausschließliche Berechtigung zur Entgegennahme der Versicherungsleistung abgetreten habe. Schließlich ist auch hinsichtlich der in der Revision des Nebenintervenienten aufrecht gehaltenen Verjährungseinrede - und damit im vorliegenden Rechtsfall insgesamt - keine Rechtsfrage zu beantworten, der im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Bedeutung zukäme. Beide Revisionen sind daher ungeachtet des nachträglichen Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel ihrer Prozessgegner hingewiesen. Sie hat daher gegenüber der Beklagten (aber nicht auch gegenüber deren Nebenintervenienten [vgl RIS‑Justiz RS0035816]) Anspruch auf Kostenersatz. Den in der Revisionsbeantwortung der Klägerin wegen der Beteiligung des Nebenintervenienten am Revisionsverfahren verzeichneten Streitgenossenzuschlag hat die Beklagte zu tragen (8 Ob 585/89 mwN, RIS‑Justiz RS0036057 [T3]).
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