Spruch:
Der Schuldner, der nach Erhalt der Mitteilung eines Factors, daß alle Forderungen aus einem Geschäftsbetrieb auf ihn übertragen wurden, der Schuldner habe den auf den Fakturen angebrachten Übertragungsvermerk zu beachten, auf Grund einer nicht mit einem Zessionsvermerk versehenen Rechnung an den Zedenten zahlte, weil dieser behauptete, der Vertrag mit dem Factor sei storniert, muß nicht nochmals an den Factor bezahlen
OGH 3. März 1980, 1 Ob 538/80 (OLG Innsbruck 1 R 278/79; LG Innsbruck 13 Cg 565/78)
Text
Anfang September 1977 bestellte die Beklagte bei Josef N in Innsbruck Fenster, Fensterläden und Türen zum Preis von 41 800 S. Josef N hatte mit der klagenden Partei einen Factoring-Vertrag abgeschlossen, wonach er alle Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb an die klagende Partei übertrug, wogegen die klagende Partei Josef N nach Übermittlung einer Zweitschrift der dem Kunden ausgestellten Rechnung 75% der Rechnungssumme ausbezahlte. Auch die Forderung des Josef N aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag war vom Factoring-Vertrag umfaßt. Josef N stellte bereits am 7. September 1977 noch vor Auslieferung der bestellten Ware eine Rechnung über den Klagsbetrag aus, die auch den Zessionsvermerk enthielt, übersandte diese der klagenden Partei und erhielt 75% der Rechnungssumme ausbezahlt. Der Beklagten übermittelte er zunächst eine Auftragsbestätigung vom 8. September 1977, die nur den Hinweis auf die Bankverbindung bei der Sparkasse der Stadt Innsbruck enthielt. Im November 1977 lieferte Josef N die bestellte Ware aus. Nach Behebung von Mängeln urgierte er die Bezahlung des Kaufpreises und kundigte an, daß ein Vertreter den Rechnungsbetrag kassieren werde. Die klagende Partei hatte der Beklagten ein mit 17. Jänner 1978 datiertes Schreiben folgenden Wortlauts übermittelt:
"Sehr geehrte HerrenÜ
Wie Ihnen bekannt ist, hat die oben genannte Firma mit uns einen Factoring-Vertrag abgeschlossen, in dessen Rahmen alle Forderungen aus deren Geschäftsbetrieb an uns übertragen wurden. Darüber hinaus haben wir die gesamte Debitorenbuchhaltung sowie das Mahn- und Inkassowesen übernommen. Diese rationelle Abwicklung des gesamten Debitorenbereiches Ihres Lieferanten setzt u. a. allerdings voraus, daß die Verarbeitung und Abrechnung sämtlicher Zahlungseingänge über unser Konto Nr. 2696 bei der Girozentrale und Bank der österreichischen Sparkassen AG erfolgt. Wir ersuchen Sie daher nochmals in diesem Zusammenhang, den auf den Fakturen angebrachten Übertragungsvermerk zu beachten, wonach Zahlungen nur an unsere Gesellschaft zugunsten des o. a. Kontos zu leisten sind. Sie vermeiden dadurch jedenfalls Verzögerungen in der Abwicklung und allenfalls weitere sich ergebende Schwierigkeiten."
Dieses Schreiben hat die Beklagte erhalten. Am 28. Feber 1978 erschien der Vertreter des Johann N, Klaus L, bei der Beklagten und überbrachte ihr die mit 17. Feber 1978 datierte Rechnung lautend auf den Betrag von 41 841.86 S; diese Rechnung enthielt keinen Zessionsvermerk. Rudolf G, der Lebensgefährte der Beklagten, der in ihrem Namen handelte, verwies Klaus L darauf, daß er das Schreiben der klagenden Partei vom 17. Jänner 1978 besitze und die Rechnung der Firma Josef N keinen Zessionsvermerk enthalte. Klaus L versicherte, daß es sich um einen internen Vorgang zwischen der Firma Josef N und der klagenden Partei handle, die Firma Josef N aber berechtigt sei, den Betrag entgegenzunehmen. Über Aufforderung des Rudolf G vermerkte Klaus L auf dem Schreiben der klagenden Partei: "Habe dieses Schreiben angesehen und es als Storno betrachtet, da ich im Auftrag der Firma N den Geldbetrag von 41 800 S in Empfang genommen habe." Die Beklagte und Rudolf G verstanden das Schreiben der klagenden Partei dahin, daß bei Vorliegen eines Zessionsvermerkes an die klagende Partei zu bezahlen sei, sonst hingegen an Josef N. Die Beklagte bezahlte schließlich den auf 41 800 S abgerundeten Rechnungsbetrag an Klaus L. Über das Vermögen des Josef N wurde im September 1978 der Konkurs eröffnet, der noch anhängig ist.
Die klagende Partei begehrt den Betrag von 41 800 S samt Anhang mit der Begründung, die Beklagte sei schon vor der an die Firma Josef N geleisteten Zahlung von der erfolgten Zession aller aus dem Geschäftsbetrieb des Josef N resultierenden Forderungen verständigt worden. Der Zahlung an Josef N komme daher schuldbefreiende Wirkung nicht zu. Zumindest hätte die Beklagte sich vor Zahlung der Forderung mit der klagenden Partei ins Einvernehmen setzen und klären müssen, ob die Zession hinfällig geworden sei.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, sie sei von der Zession nicht gehörig verständigt worden. Im Schreiben der klagenden Partei vom 17. Jänner 1978 sei darauf hingewiesen worden, daß der auf den Fakturen angebrachte Übertragungsvermerk zu beachten sei; einen solchen Vermerk habe die ihr von Josef N übermittelte Rechnung vom 27. Feber 1978 nicht enthalten. Josef N habe auch bestritten, daß die Forderung abgetreten worden sei.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab, weil die Verständigung der Beklagten von der erfolgten Zession der Forderung undeutlich gewesen sei. Die Beklagte habe das Schreiben der klagenden Partei dahin verstehen dürfen, daß nur bei Vorliegen eines Zessionsvermerkes Zahlung an die klagende Partei zu leisten sei. Der Zahlung der Beklagten an Josef N komme daher schuldbefreiende Wirkung zu.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Erstrichters dahin ab, daß es dem Begehren auf Bezahlung des Betrages von 41 800 S samt 5% Zinsen ab 26. Juni 1978 und 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen stattgab; das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es unbekämpft ab. Das Berufungsgericht führte aus, eine undeutliche Verständigung der Beklagten von der erfolgten Zession liege nicht vor. Die Beklagte habe vielmehr davon ausgehen müssen, daß die Abtretung der Forderung erfolgt sei. Wenn der Inkassant des Josef N erklärt habe, daß die Zession "storniert" worden sei, so hätte die Beklagte angesichts der widersprechenden Erklärungen des Zedenten und des Zessionars gemäß § 1425 ABGB zur Hinterlegung des geschuldeten Betrages schreiten müssen. Werde in einem solchen Fall Zahlung geleistet, ohne daß sich der Schuldner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise davon überzeuge, ob der Zedent oder aber der Zessionar forderungsberechtigt sei, so zahle er auf eigene Gefahr.
Über Revision der Beklagten änderte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes, das in seinem klagsabweisenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, dahin ab, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei dem Factoring-Vertrag, wie er zwischen der klagenden Partei und Josef N abgeschlossen war, überträgt ein Unternehmer die im Rahmen seines Geschäftsbetriebes entstehenden Forderungen für Warenlieferungen und Dienstleistungen an einen Factor. Das Factoring erfaßt grundsätzlich nicht nur bestimmte Einzelforderungen, sondern alle Forderungen, die im Geschäftsbetrieb während der Dauer des Factoring-Verhältnisses entstehen. Je nach der inhaltlichen Ausgestaltung hat der Vertrag nur das Inkasso der Forderung zum Gegenstand, sodaß dem Gläubiger im wesentlichen die Mahnung und Eintreibung der Forderung abgenommen wird, oder aber der Factor bevorschußt die Forderung bereits vor deren Fälligkeit. Im ersten Fall kommt dem Factoring vor allem Dienstleistungsfunktion, im zweiten Fall auch Finanzierungsfunktion zu (Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 247; Koziol, Rechtsfragen beim Factoring- Geschäft, QuHGZ 1972, 319; vgl. SZ 46/58). Die Factoring-Vereinbarung zwischen der klagenden Partei und Josef N hatte - wie dies für dieses Geschäft typisch ist - sämtliche bestehenden und künftig entstehenden Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb zum Gegenstand.
Gemäß den §§ 1395, 1396 ABGB kann der Schuldner bis zur Verständigung von der Zession mit schuldbefreiender Wirkung an den alten Gläubiger leisten. Der Zessionar muß bis dahin die an den Zedenten geleistete Zahlung, obwohl dieser nicht mehr Gläubiger ist, gegen sich gelten lassen. Das Gesetz schreibt eine bestimmte Form der Benachrichtigung des Schuldners nicht vor (SZ 26/63), die Verständigung des Schuldners kann wirksam sowohl durch den Zedenten als auch durch den Zessionar geschehen. Das Gesetz schließt nur im § 1396 ABGB die schuldbefreiende Wirkung einer Zahlung an den Zedenten aus, wenn dem Schuldner der Übernehmer bekannt gemacht worden ist. Der Schuldner muß aber über die Person des Übernehmers der Forderung Gewißheit haben (Wolff in Klang[2] VI, 314); die Mitteilung von der Zession muß deutlich und verständlich sein (SZ 26/63; RZ 1961, 86), andernfalls kann sich der Schuldner darauf berufen, daß ihm die Abtretung nicht bekannt gemacht wurde (Ehrenzweig[2] II/1, 263). Die Begünstigung des § 1395 ABGB, wonach der Schuldner bis zur Bekanntmachung des Übernehmers berechtigt ist, dem Zedenten zu bezahlen, kommt auch dem fahrlässigen Schuldner, der den Übernehmer der Forderung bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte kennen müssen, zustatten (Wolff a. a. O., 312).
Geht man von diesen rechtlichen Grundsätzen aus, kann entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes nicht gesagt werden, daß eine ausreichende Verständigung der Beklagten von der an die klagende Partei erfolgten Zession der Forderungen des Josef N vorliegt. Das Schreiben der klagenden Partei vom 17. Jänner 1978 enthält zwar zunächst die Mitteilung, daß alle Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb an die klagende Partei übertragen wurden, andererseits wird aber darauf verwiesen, den auf den Fakturen angebrachten Übertragungsvermerk zu beachten, wonach Zahlungen nur an die klagende Partei zu leisten seien. Dies konnte von der Beklagten dahin verstanden werden, daß die Verständigung über die Zession auf der jeweiligen Faktura maßgeblich ist und nur jene Forderungen als an die klagende Partei abgetreten gelten, deren Fakturen den Zessionsvermerk tragen. Gerade von der klagenden Partei, einem Unternehmen, das sich berufsmäßig mit der Einziehung zedierter Forderungen befaßt, konnte erwartet werden, daß es die Drittschuldner der erworbenen Forderungen in klarer und eindeutiger Weise von der erfolgten Zession verständigt und aufklärt. Allenfalls sich ergebende Zweifel in dieser Richtung bewirken, daß der Schuldner seinem ursprünglichen Gläubiger mit schuldbefreiender Wirkung zahlen darf. Dabei ist der Schuldner, wie dargelegt, auch dann geschützt, wenn die Unkenntnis der Zession auf Fahrlässigkeit beruht, wenn er also bei entsprechenden Nachforschungen sich Kenntnis vom wahren Sachverhalt hätte verschaffen können. Entgegen der Rechtsmeinung der klagenden Partei war die Beklagte also keineswegs verpflichtet, solche Nachforschungen durchzuführen, an die klagende Partei heranzutreten und sie um Aufklärung darüber zu ersuchen, ob eine Zession erfolgt sei. Daß die Beklagte in Kenntnis der Zession bezahlt hätte, wurde nicht behauptet. Die Beklagte zahlte an den Inkassanten des Josef N nicht in Kenntnis der Zession, sondern deshalb, weil sie über die tatsächlich erfolgte Zession im Zweifel war und sich auf die Versicherung des Inkassanten des Josef N verließ. Die Mitteilung des Inkassanten Josef N konnte ihr im Hinblick darauf, daß die ihr übermittelte Faktura den angekundigten Zessionsvermerk nicht trug, plausibel, ja geradezu als schlüssige Begründung dafür erscheinen, daß ein solcher Vermerk nicht aufgenommen worden war. Nur dann, wenn eine klare und eindeutige Verständigung von der erfolgten Zession durchgeführt wurde und die Zessionserklärung in der Folge allein durch Mitteilung des Zedenten widerrufen wird, darf der Schuldner nicht einfach an den Zedenten (oder den Zessionar) zahlen; nur in einem solchen Fall wird er, wenn die Frage der Berechtigung des Fordernden anders nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, den geschuldeten Betrag gerichtlich hinterlegen müssen (Ehrenzweig a. a. O., 264; Wolff a. a. O., 315). Liegt aber eine im Sinne obiger Ausführungen eindeutige und damit wirksame Verständigung von der Zession nicht vor, wirkt die Zahlung an den Zedenten schuldbefreiend.
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