OGH 1Ob161/08w

OGH1Ob161/08w30.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei b.***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. Juni 2008, GZ 2 R 123/08s‑38, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 19. Februar 2008, GZ 3 C 1951/06z‑31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich des Ergänzungsbeschlusses vom 4. März 2008 (ON 32) wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.884,24 EUR (darin 814,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden kurz: Klägerin) bediente sich einer Vermittlungsmaklerin zur Vermietung des nunmehr aufgekündigten Bestandobjekts. Als sich eine GmbH für die Anmietung interessierte, beauftragte die Maklerin eine Rechtsanwältin mit der Erstellung eines Mietvertragsentwurfs. Dieser enthielt eine Bestimmung, wonach die Mieterin berechtigt ist, die Mietrechte abzutreten oder das Mietobjekt zur Benützung an Dritte zu überlassen bzw unterzuvermieten, wenn der Verwendungszweck nicht geändert wird. Die Rechtsanwältin erläuterte dem Geschäftsführer der GmbH die Wirkung dieser Klausel derart, dass damit nicht nur eine einmalige, sondern eine mehrfache Weitergabe der Mietrechte zulässig sei. Nach Korrektur anderer Punkte des Entwurfs kam der Mietvertrag mit der erwähnten Klausel zwischen der Klägerin und der GmbH zustande. Betreffend den Inhalt der Klausel hatte die Klägerin weder mit der Maklerin, noch mit der Mietinteressentin oder mit der Vertragsverfasserin Kontakt. Der Vertrag enthält weiters eine Bestimmung (Punkt 6.4.), nach der Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und mündliche Nebenabreden als nicht getroffen gelten. Die GmbH trat ihre Mietrechte in der Folge an die Beklagte ab. Diese übertrug die Mietrechte ohne Zustimmung der Klägerin an einen Dritten.

Die Klägerin kündigte nun das Mietverhältnis der Beklagten gegenüber gerichtlich auf und berief sich im Wesentlichen darauf, es sei lediglich ein einmaliges Weitergaberecht vereinbart worden, das durch die Weitergabe seitens der GmbH an die Beklagte ausgeübt worden sei. Die neuerliche Weitergabe von der Beklagten an den Dritten sei rechts‑ und vertragswidrig, weshalb der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG verwirklicht sei. Die Maklerin habe keine Vollmacht gehabt, im Namen der Klägerin rechtsverbindliche Erklärungen im Zusammenhang mit dem Bestandverhältnis abzugeben. Allfällige vom schriftlichen Vertragstext abweichende mündliche Vereinbarungen seien aufgrund der im Mietvertrag enthaltenen Schriftlichkeitsklausel ungültig.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, die Abtretung der Mietrechte sei vertragskonform erfolgt, weshalb sie auch nicht passiv legitimiert sei, da ein Dritter nunmehr Mieter des Lokals sei. Nach den Angaben der vertragsverfassenden Rechtsanwältin sollte die fragliche Vertragsklausel eine mehrmalige Abtretung der Mietrechte zulassen. Eine mehrmalige Weitergabe sei somit ausdrücklich beabsichtigt und vereinbart gewesen. Die Maklerin sei als Vertreter oder zumindest vertretungsbefugter Vermittler der damaligen Vermieterin aufgetreten, weshalb sich die Klägerin sämtliche Handlungen (einschließlich Wissen und Willen) des Geschäftsführers der Maklerin zurechnen lassen müsse. Es sei der Vertragswille des Geschäftsführers gewesen, dass eine mehrmalige „Weitervermietung" möglich sein solle.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und erkannte die Beklagte schuldig, die Geschäftsräumlichkeiten geräumt zu übergeben. Eine objektive Auslegung der „Weitergabeklausel" ergebe die Gestattung einer einmaligen Weitergabe, die bereits konsumiert worden sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die vertragsverfassende Rechtsanwältin diese Klausel mit dem Geschäftsführer der Maklerin inhaltlich besprochen hätte. Schon deshalb könne eine „Belastung der Vermieterin" mit einer von ihr nicht beabsichtigten Auslegung dieser Klausel nicht erfolgen. Bei objektiver Auslegung sei von einem lediglich einmaligen (bereits konsumierten) Weitergaberecht auszugehen. Dies bedeute, dass die Beklagte das Bestandobjekt zu Unrecht weitergegeben habe und demnach weiterhin als Mieterin anzusehen sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Die Beklagte verweise zutreffend darauf, dass sich die Klägerin das Verhalten der Vertragsverfasserin zurechnen lassen müsse. Es stehe fest, dass sich die Klägerin der Maklerin zur Vermittlung des beabsichtigten Bestandverhältnisses bedient habe. Auch wenn diese nur „Vermittlungsmaklerin" gewesen sei und ihr und deren Geschäftsführer keine Vollmacht zur Abgabe von für die Klägerin bindenden Erklärungen erteilt worden sei, sei sie nicht Dritte im Sinne des § 875 ABGB. Da der Auftrag zur Erstellung des Vertragsentwurfs von der Maklerin erteilt worden sei, sei die Rechtsanwältin als „Gehilfin" der Maklerin im Sinne des § 1313a ABGB aufgetreten. Auch wenn die Klägerin an die Rechtsanwältin keine Vollmacht erteilt hatte, sei deren Verhalten nicht außer Acht zu lassen, sondern ihrer Auftraggeberin, der Maklerin, zuzurechnen. Derjenige, dessen sich der (spätere) Vertragspartner bei den Vertragsverhandlungen als Hilfsperson bediene, sei nicht Dritter im Sinne des § 875 ABGB. Die Klägerin habe sich daher das Verhalten der Maklerin und damit auch das der von dieser beauftragten Rechtsanwältin zuzurechnen zu lassen. Sie müsse die Folgen ihres Verhaltens auch dann hinnehmen, wenn sie davon gar nichts gewusst habe. Da die Rechtsanwältin dem Geschäftsführer der ursprünglichen Mieterin den Sinn der Vertragsklausel eindeutig im Sinne eines mehrfach ausübbaren Weitergaberechts erläutert habe, müsse dies die Klägerin auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sie davon gar keine Kenntnis erlangt habe. Für die Anwendung der Zweifelsregel, wonach ein Weitergaberecht durch die einmalige Ausübung bereits konsumiert sei, bleibe im Hinblick darauf kein Raum.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Soweit sich die Revisionswerberin über weite Strecken ihres Rechtsmittels mit der Bestimmung des § 1313a ABGB auseinandersetzt, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei um eine Zurechnungsregel des Schadenersatzrechts - und nicht des Stellvertretungsrechts - handelt, die für die Lösung des vorliegenden Problems keine Bedeutung hat.

Erkennbar wendet sich die Klägerin vor allem gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die festgestellte Kenntnis der vertragserrichtenden Rechtsanwältin von dem - vom objektiven Erklärungswert abweichenden - Vertragswillen des Geschäftsführers der seinerzeitigen Mieterin sei der Vermieterin zuzurechnen.

Da die Beklagte insoweit im Verfahren erster Instanz eine rechtsgeschäftlich erteilte Verhandlungsvollmacht - oder auch die Einräumung einer Stellung als Empfangsbotin der Klägerin - gar nicht behauptet hat, ist auf ihr erstmals im Rechtsmittelverfahren erstattetes Vorbringen, die Maklerin bzw deren Geschäftsführer sei „selbstverständlich" von der Vermieterin bevollmächtigt worden, mit dem Vertragsverfasser bzw einem Mietinteressenten inhaltlich Vertragsverhandlungen zu führen und Vertragsbedingungen zu besprechen, nicht einzugehen.

Tatsachen, aus denen sich rechtlich ergibt, dass Willenserklärungen oder auch das Wissen eines Dritten einem anderen (dem Vertretenen) zuzurechnen sind, hat im Prozess stets derjenige zu behaupten, der sich auf ein solches zurechenbares Verhalten beruft und daraus für ihn günstige Rechtsfolgen im Verhältnis zum angeblich Vertretenen ableiten will. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte in ihren Einwendungen vorgebracht, die Vertragsverfasserin habe - gegenüber wem auch immer - geäußert, dass die fragliche Vertragsklausel auch eine mehrmalige Weitergabe ermöglichen sollte. Im weiteren Verfahren brachte sie vor, der Geschäftsführer der Maklerin sei „als Vertreter oder zumindest als vertretungsbefugter Vermittler der damaligen Vermieterin aufgetreten"; es sei sein Vertragswille gewesen, dass eine mehrmalige „Weitervermietung" möglich sein solle.

Damit wollte die Beklagte ersichtlich zum Ausdruck bringen, das Verhalten des Geschäftsführers der Maklerin sei der Vermieterin ohne Rücksicht darauf zuzurechnen, ob dieser tatsächlich über Vertretungsmacht verfügt habe, weil er eben zumindest als „vertretungsbefugter Vermittler" aufgetreten sei. Damit will die Beklagte - was in der Revisionsbeantwortung verdeutlicht wird - auf das Bestehen einer sogenannten Anscheinsvollmacht (vgl dazu nur P. Bydlinski in KBB2, § 1029 ABGB Rz 6 ff mwN) hinaus, übersieht dabei aber, dass dafür nicht ausreicht, dass der vermeintliche Vertreter als solcher auftritt. Vielmehr ist vor allem erforderlich, dass der Anschein des Bestehens von Vertretungsmacht demjenigen auch in adäquater Weise zuzurechnen ist, für den der vermeintliche Vertreter gehandelt hat (vgl nur die Nachweise bei P. Bydlinski, aaORz 8).Eine solche Zurechnung setzt vor allem voraus, dass der Machtgeber selbst oder ihm zurechenbare Personen - insbesondere Organe oder sonst Vertretungsberechtigte - den Anschein verursacht haben, wogegen das Vertrauen auf das Verhalten des vermeintlichen Vertreters allein nicht ausreicht.

Selbst wenn man unterstellen wollte, dass der Geschäftsführer der ersten Mieterin darauf vertraute, dass die vertragserrichtende Rechtsanwältin bzw der Geschäftsführer der Maklerin über ausreichende Vertretungsmacht der Klägerin zur Empfangnahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen bzw zur Aushandlung von Vertragsbedingungen verfügte - auch das wurde im Übrigen im Verfahren erster Instanz nicht konkret behauptet -, fehlt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts an (der Behauptung von) Umständen, aus denen sich die Herbeiführung eines entsprechenden Rechtsscheins durch die Klägerin ableiten ließe. Die bloße Betrauung eines Vermittlungsmaklers mit der Suche nach Mietinteressenten wäre kein ausreichender Zurechnungsgrund dafür, bei Dritten einen dem Vermieter zurechenbaren Anschein dahin zu erwecken, der Makler ‑ oder ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt - sei berechtigt, namens des Vermieters Vertragsbedingungen auszuhandeln, die auch dann gelten sollen, wenn sie im schriftlichen Mietvertrag keinen Niederschlag finden. Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin, spielt es daher für die Zurechnung auch keine Rolle, ob die Klägerin den von der Rechtsanwältin erstellten Vertragsentwurf für in Ordnung befunden hat, weil damit nur eine Zustimmung zum objektiven Inhalt des Entwurfs zum Ausdruck gebracht wurde. Einer solchen Zurechnung steht gerade im vorliegenden Fall darüber hinaus auch die Schriftformklausel in Punkt 6.4 des Mietvertrags entgegen, nach der Nebenabreden als nicht getroffen gelten, wenn sie nicht schriftlich vereinbart sind. Damit bringt der Vermieter mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass er nur an den schriftlich fixierten Vertragstext gebunden sein will und allenfalls mit Vertragsverhandlungen befassten Dritten keine Befugnis eingeräumt hat, vom schriftlichen Text abweichende oder über diesen hinausgehende Zusagen zu machen bzw mündliche Erklärungen als Empfangsbote der Klägerin entgegenzunehmen.

Auch wenn im schriftlichen Mietvertrag von einer „Abtretung der Mietrechte" die Rede ist, ergibt sich doch aus dem Verfahren und den von den Parteien erstatteten (insoweit übereinstimmenden) Prozesserklärungen, dass damit die Einräumung eines sogenannten Weitergaberechts gemeint war, womit die Beklagte im Wege einer Vertragsübernahme anstelle der ursprünglichen Mieterin in das Mietverhältnis eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0032700, RS0032747). Dass dieses Weitergaberecht bei objektiver Auslegung der entsprechenden Vertragsklausel nur einmal ausgeübt werden kann, haben die Vorinstanzen ‑ auch unter Hinweis auf einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs - zutreffend dargelegt (vgl nur RIS‑Justiz RS0111168, RS0032796), sodass insoweit auf deren Ausführungen verwiesen werden kann. Da somit eine mehrmalige „Weitergabe" nicht vereinbart war, hat die Beklagte mit der „Abtretung der Mietrechte" an einen Dritten, mit der ersichtlich die tatsächliche Weitergabe des Bestandobjekts verbunden war, den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG verwirklicht.

Damit ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs‑ und Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

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