OGH 4Ob222/10s

OGH4Ob222/10s12.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (A.K.M.) reg.Gen.m.b.H., Wien 3, Baumannstraße 10, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** G*****, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert 21.800 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2010, GZ 3 R 109/10k-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 10. Februar 2010, GZ 6 Cg 92/09z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz 2006 (VerwGesG) ausschließlich zur Vermittlung der Rechte zur öffentlichen Aufführung von Werken der Tonkunst mit oder ohne Text, zu deren Aufführung es nach den gesetzlichen Bestimmungen der Einwilligung des Berechtigten bedarf, befugt. Mit Bescheid vom 14. 2. 2008 stellte die Kommunikationsbehörde Austria als Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften fest, dass die Klägerin auf dem Gebiet der Republik Österreich im Bereich der Musik die in ihren Betriebsgenehmigungen umschriebenen Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrechte sowie die Senderechte am nahezu gesamten Bestand an Werken wahrnimmt.

Der Beklagte betreibt die „I*****“. Er erhielt ehemals von der Klägerin zur Durchführung öffentlicher Musikaufführungen mit Werken des Repertoires der Klägerin eine Werknutzungsbewilligung. Er ist nicht Mitglied beim Veranstalterverband.

Mit folgendem - auszugsweise wiedergegebenen - Schreiben vom 8. 5. 1996 erteilte die Klägerin dem Beklagten ein Musikaufführungsverbot:

„[...] Sie kommen Ihren Verpflichtungen uns gegenüber seit langem nicht ordnungsgemäß nach, sodass bereits ein beträchtlicher Rückstand besteht. In Anbetracht dieser Tatsache sehen wir uns außerstande, Ihnen die seinerzeit mit Vertragsabschluss erteilte Aufführungsbewilligung weiterhin zu gewähren. Wir sehen uns in pflichtgemäßer Wahrung der uns zur Verwertung übertragenen Aufführungsrechte [...] veranlasst, Ihnen mit sofortiger Wirksamkeit die Aufführungsbewilligung zu entziehen.

Wir erteilen Ihnen hiermit das Verbot bei allen Ihren Musikdarbietungen durch wen und auf welche Weise immer, sei es durch Gesang, durch Musikinstrumente, auf mechanische Art (Musikautomat, Plattenspieler, Tonbandgerät, Radio, Fernsehen oder Tonfilm), auch nur ein einziges Werk öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen, das aufgrund der Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten oder Musikverlegers zu unserer Gesellschaft oder einer mit uns durch Gegenseitigkeitsvertrag verbundenen ausländischen Verwertungsgesellschaft unserem Werkebestand angehört.

Sollten Sie diesem Verbot zuwiderhandeln, würden Sie uns zu unserem Bedauern zwingen, gegen Sie und alle anderen mitverantwortlichen Personen entsprechend den Bestimmungen des Urheberrechts- und Verwertungsgesellschaftengesetzes geeignete Maßnahmen zu treffen. [...] Sollten Sie unbefugt von unserem Werkebestand Gebrauch machen, wären wir gezwungen, gemäß § 91 Urheberrechtsgesetz Strafanzeige gegen Sie zu erstatten. [...]

Das Ihnen erteilte Verbot kann nur dann als aufgehoben betrachtet werden, wenn Sie von der AKM eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung erhalten. Sollten Sie weiterhin Rechnungen erhalten, so bedeutet dies keine Aufhebung des Verbotes; dies auch dann nicht, wenn Sie diese Rechnungen teilweise oder zur Gänze begleichen. Sie schulden uns einen Betrag von rund 400.000 S. Sollten Sie diesen Betrag nun nicht innerhalb der nächsten drei Tage mittels des beigefügten Erlagscheines überweisen, müssten Sie mit den oben angeführten Konsequenzen rechnen. [...]“

Der Beklagte hielt sich nicht an das Veranstaltungsverbot, sondern nahm weiterhin öffentliche Musikaufführungen mit Werken des Repertoires der Klägerin vor. Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 27. 11. 1997 wurde der Beklagte aufgrund einer von der Klägerin erhobenen Privatanklage des Vergehens des Eingriffs in ein fremdes Verwertungsrecht (§§ 86 Abs 1 Z 3, 91 Abs 1 UrhG) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Linz mit Berufungsurteil vom 3. 9. 1998 bestätigt.

Am 8. 8. 1997 brachte die Klägerin beim Bezirksgerichts Innere Stadt Wien eine Zahlungsklage gegen den Beklagten über 184.183,50 ATS sA ein; der Beklagte habe aus verschiedenen Veranstaltungen im Zeitraum 16. 10. 1995 bis 27. 11. 1996 die der Klägerin vereinbarungsgemäß zustehenden Entgelte nicht entrichtet. Das am 2. 9. 1997 ergangene Versäumungsurteil erwuchs in Rechtskraft.

Am 31. 3. 1999 beantragte die Klägerin die Konkurseröffnung gegen den Beklagten wegen einer offenen Gesamtforderung von 458.284,35 ATS; der Antrag wurde mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 1. 12. 1999 wurde der Beklagte in dem gegen ihn wegen §§ 159, 161 StGB geführten Strafverfahren schuldig erkannt, der Klägerin als Privatbeteiligte 269.863,50 ATS zu zahlen. Mit Schreiben an den Beklagten vom 25. 7. 2000 hielt die Klägerin unter Hinweis auf ein mit Schreiben vom 25. 5. 1996 erteiltes Musikaufführungsverbot fest, dass der Beklagte keine Aufführungsbewilligung besitze und das Verbot bestehe, bei allen Musikdarbietungen durch wen und auf welche Weise immer, sei es durch Gesang, durch Musikinstrumente, auf mechanische Art (Musikautomat, Plattenspieler, Tonbandgerät, Radio, Fernsehen oder Tonfilm), auch nur ein einziges Werk öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen, das dem Werkbestand der Klägerin angehöre, kündigte an, für den Fall des Zuwiderhandelns gegen das Verbot geeignete Maßnahmen zu treffen, und teilte abermals mit, dass das dem Beklagten erteilte Verbot nur dann als aufgehoben betrachtet werden könne, wenn er von der Klägerin eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung erhalte, und der Erhalt von Rechnungen, selbst deren teilweise oder gänzliche Begleichung keine Aufhebung des Verbots bedeuten würden; der Beklagte wurde weiters aufgefordert, 204.926,60 ATS zuzüglich aufgelaufener Gerichts- und Anwaltskosten binnen drei Tagen zu bezahlen.

Mit Schreiben vom 24. 11. 2009 teilte die Klägerin dem Beklagten neuerlich mit, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen seit langem nicht ordnungsgemäß nachkomme, weshalb bereits ein beträchtlicher Zahlungsrückstand bestehe. In Anbetracht dieser Tatsache sehe sich die Klägerin außerstande, die dem Beklagten seinerzeit mit Abschluss des Lizenzvertrags erteilte Aufführungsbewilligung weiterhin zu gewähren, sondern sehe sich in pflichtgemäßer Wahrung der ihr zur Verwaltung übertragenen Aufführungsrechte veranlasst, dem Beklagten mit sofortiger Wirksamkeit die Aufführungsbewilligung zu entziehen. Die Klägerin erteilte dem Beklagten in diesem Schreiben neuerlich ein Verbot, bei allen seinen Musikdarbietungen wo, durch wen und auf welche Art auch immer auch nur ein einziges Werk öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen, das dem von der Klägerin verwalteten Werkerepertoire angehöre. Der Beklagte schulde insgesamt 49.607,58 EUR.

Am 8. 12. 2009 veranstaltete der Beklagte als Veranstalter ein Konzert von Roland Neuwirth und den Extremschrammeln in der Ottakringer Brauerei in Wien. Der Beklagte plante auch die Abhaltung des „Ersten Wiener Wildererballs“ am 13. und 14. 2. 2010 im selben Lokal, wofür er noch Gespräche mit der Klägerin führen oder möglicherweise seinen Sohn als Veranstalter gewinnen wollte. Der Vertrieb der Eintrittskarten sollte über „wien-ticket“ entweder online, telefonisch oder in einer der Verkaufsstellen des Vertriebsunternehmens erfolgen.

Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin einen Rückstand an Veranstaltungsentgelten von zumindest (noch) 30.000 EUR; dieser Rückstand wurde ihm schon 2008 bekanntgegeben. Auf der Homepage der Klägerin findet sich ein Anmeldeformular für Veranstaltungen mit dem Hinweis, dass die Anmeldung spätestens drei Werktage vor der Veranstaltung bei der Klägerin eintreffen muss.

Mit Klage vom 9. 12. 2009 begehrt die Klägerin, dem Beklagten aufzutragen es zu unterlassen, Werke der Tonkunst, welche durch die Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten oder Musikverlegers zur Klägerin oder einer dieser durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossenen ausländischen Urhebergesellschaft dem Werkebestand der Klägerin angehören, durch lebende oder mechanische Musik welcher Art auch immer, öffentlich aufzuführen, soweit es hiezu der Einwilligung der Urheber bedarf. Der Beklagte habe zwar vor vielen Jahren von der Klägerin Aufführungsbewilligungen für jeweils bestimmte Veranstaltungen erhalten, jedoch die Werknutzungsentgelte nicht bezahlt. Selbst wenn ein Dauerschuldverhältnis vorgelegen hätte, wäre die Klägerin wegen der Zahlungsrückstände zur jederzeitigen Aufkündigung berechtigt gewesen. Die Verbindlichkeit des Beklagten bei der Klägerin betrage derzeit 50.807,05 EUR. Trotz ihrer Monopolstellung sei die Klägerin aufgrund der Zahlungsrückstände des Beklagten und dessen strafrechtlich geahndeten Eingriffs in ihre Rechte berechtigt, einen Vertragsabschluss mit dem Beklagten zu verweigern. Der Gesamtvertrag, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Interessensorganisation der österreichischen Musikveranstalter, dem Österreichischen Veranstalterverband, sehe in § 33 vor, dass die Klägerin die Erteilung einer Aufführungsbewilligung so lange verweigern dürfe, als Aufführungsentgelte sowie Nebengebühren für frühere Aufführungen des Veranstalters noch unberichtigt aushafteten. Der Gesamtvertrag habe eine Kollektivverträgen ähnliche Rechtsnatur. Auch wenn der Beklagte nicht dem Gesamtvertrag angehöre, könne er nicht besser gestellt werden als eine Vertragspartei, sodass die sich aus dem Gesamtvertrag ergebenden Wertungen auch für den Beklagten gültig seien. Gegen den in Aufführungsverboten ausdrücklich erklärten Willen der Klägerin könne durch bloße Anmeldung einer Veranstaltung keine Aufführungsbewilligung erlangt werden; eine nachträgliche Anmeldung sei nicht möglich, weil Werknutzungsbewilligungen vertraglich vor Durchführung einer Veranstaltung erworben werden müssten. Der Beklagte plane trotz über ihn verhängten Aufführungsverbots und ungeachtet seiner hohen Außenstände bei der Klägerin die Durchführung öffentlicher Musikaufführungen in Wien. Dies berechtige die Klägerin, gestützt auf § 81 UrhG, vom Beklagten die Unterlassung künftiger unbefugter Musikdarbietungen zu verlangen, und zwar für die Dauer des Bestehens eines rückstandsbedingten Aufführungsverbots.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Nach den Richtlinien der Klägerin für die Anmeldung von Einzelveranstaltungen seien solche längstens bis drei Tage vor der Veranstaltung vorzunehmen; diese Frist sei für eine am 13. 2. 2010 geplante Veranstaltung noch nicht abgelaufen, weshalb insoweit keine Verletzung eines Urheberrechts vorliegen könne. Die Veranstaltung vom 8. 12. 2009 sei nachträglich angemeldet worden. Die Klägerin besitze im gesamten Bundesgebiet auf dem Gebiet urheberrechlich geschützter Musik eine Monopolstellung, weshalb ihre Vertragsabschlussfreiheit eingeschränkt sei. Die begehrte Unterlassung ohne jede Einschränkung in sachlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht komme einem uneingeschränkten und dauernden Berufsverbot für einen Musikveranstalter gleich. § 81 UrhG stelle auf bestimmte Urheber und bestimmte einzelne Werke ab; mit diesem Zweck sei es unvereinbar und auch sachlich nicht gerechtfertigt, dem Beklagten die Möglichkeit zu versagen, für einzelne Veranstaltungen durch eine ordnungsgemäße Anmeldung und Lizenzentgeltsentrichtung (allenfalls auch im voraus) eine Lizenz zu den für alle Veranstalter in gleicher Weise geltenden Bedingungen und Tarifen zu erlangen. Der Beklagte sei nicht Mitglied des Veranstalterverbandes; die in § 33 des Gesamtvertrags vorgesehene Regelung sei gesetz- und sittenwidrig. Die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten liege bereits 13 Jahre zurück.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren für die Dauer eines rückstandsbedingten Aufführungsverbots statt. Die Klägerin als Monopolistin auf dem Gebiet der Konzertveranstaltungen sei grundsätzlich zu Vertragsabschlüssen verpflichtet, sofern dem sachlich gerechtfertigte Gründe nicht entgegenstünden. Das Bestehen eines beträchtlichen Rückstands an Aufführungsentgelten über einen längeren Zeitraum sei ein solcher wichtiger Grund. Die auf § 81 Abs 1 UrhG gestützte Unterlassungsklage sei daher berechtigt. Die Besorgnis einer Verletzung von Musikaufführungsrechten ergebe sich aus der Bewerbung geplanter Veranstaltungen durch den Beklagten, wovon eine im Dezember 2009 auch abgehalten worden sei. Ein generelles Aufführungsverbot sei nicht mehr gerechtfertigt, sobald die Außenstände beglichen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Jedes Dauerschuldverhältnis könne aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der im Verbotsschreiben vom 8. 5. 1996 angeführte Rückstand des Beklagten mit der Zahlung von Veranstaltungsentgelten in Höhe von 400.000 ATS sei ein wichtiger Grund, die dem Beklagten vormals erteilte Werknutzungsbewilligung zu widerrufen. Die bescheidmäßige Feststellung der Aufsichtsbehörde, dass eine Verwertungsgesellschaft für ihren ganzen Tätigkeitsbereich oder einen bestimmten Teil davon die Rechte und Ansprüche am nahezu gesamten Bestand an Werken oder sonstigen Schutzgegenständen wahrnehme, begründe die Vermutung, dass die Verwertungsgesellschaft in dem vom Bescheid umschriebenen Bereich die Rechte am gesamten Bestand an Werken oder sonstigen Schutzgegenständen wahrnehme, sofern nicht das Gegenteil bewiesen werde (§ 11 Abs 3 VerwGesG). Da die der Klägerin erteilte Betriebsgenehmigung unter anderem die konzertmäßige Aufführung von Werken der Tonkunst und den Vortrag von mit Werken der Tonkunst verbundenen Sprachwerken umfasse und die Klägerin laut Feststellungsbescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom 14. 2. 2008 auf dem Gebiet der Republik Österreich im Bereich der Musik die in ihren Betriebsgenehmigungen umschriebenen Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrechte sowie die Senderechte am nahezu gesamten Bestand an Werken wahrnehme, bestehe die gesetzliche Vermutung, dass der Veranstalter von modischer Tanz- und Unterhaltungsmusik in die Rechte der Klägerin eingegriffen habe. Die Klägerin als Monopolistin dürfe einen Vertragsabschluss nicht willkürlich, also ohne sachlich gerechtfertigte (triftige) Gründe, verweigern. Auch ein Monopolist könne aber nicht gezwungen werden, jeden von einem Dritten gewünschten Vertrag abzuschließen; er könne vielmehr aus sachlich gerechtfertigten Gründen einen Vertragsabschluss ablehnen. Der Beklagte habe nicht einmal behauptet, der Klägerin jemals eine Vorauszahlung oder gleichwertige Sicherstellung der Lizenzgebühren für eine der beiden von ihm angekündigten Veranstaltungen im Dezember 2009 und Februar 2010 angeboten zu haben. Eine Klage auf Erteilung einer Nutzungsbewilligung habe der Beklagte nie erhoben; er habe vielmehr die Veranstaltung vom 8. 12. 2009 nicht einmal rechtzeitig vor deren Beginn bei der Klägerin angemeldet. Es liege zwar kein Fall des § 17 Abs 3 VerwGesG vor, der einen Rechtserwerb kraft Gesetzes vorsehe, sofern ein Nutzer die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt habe; die Nutzungsbewilligung gelte dann als erteilt, wenn die Verwertungsgesellschaft die Nutzungsbewilligung nur deshalb verweigere, weil keine Einigung über die Bemessung des Entgelts erzielt werden könne, sobald der Nutzer den nicht strittigen Teil des Entgelts an die Verwertungsgesellschaft gezahlt und eine Sicherheit in der Höhe des strittigen Teils des Entgelts durch gerichtliche Hinterlegung oder Stellung einer Bankgarantie geleistet habe. Dieser Tatbestand sei aber mit dem Anlassfall vergleichbar, bei dem zwischen den Parteien strittig sei, ob der Beklagte, bevor er eine Nutzungsbewilligung für neue Veranstaltungen erhält, seinen Rückstand an Veranstaltungsentgelten bei der Klägerin abzudecken habe. Berücksichtige man, dass nach der Wertung des Gesetzgebers, wie sie aus § 17 Abs 3 VerwGesG erkennbar sei, eine zunächst versagte Nutzungsbewilligung selbst dann bis zum Erlag des strittigen Betrags hinausgeschoben werden könne, wenn ein Teil des zu entrichtenden Entgelts „strittig“ sei, sei das Begehren der Klägerin nicht unsachlich, vor der Erteilung einer Nutzungsbewilligung für eine neue Veranstaltung vom Veranstalter die Entrichtung unbestrittenermaßen geschuldeter Beträge zu verlangen. Auch der zwischen der Klägerin und dem Veranstalterverband abgeschlossene Gesamtvertrag berechtige die Klägerin, eine Aufführungsbewilligung zu verweigern, solange Aufführungsentgelte sowie Nebengebühren für frühere Aufführungen, die der Veranstalter selbst veranstaltet habe, noch unberichtigt aushafteten. Der Unterlassungsanspruch sei deshalb berechtigt. Das Begehren der Klägerin umfasse zu Recht alle Werke ihres Repertoires. Durch die Fassung des Unterlassungsgebots, das die Unterlassungspflicht des Beklagten auf die Dauer eines rückstandsbedingten Aufführungsverbots einschränke, sei der Beklagte nicht beschwert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zum Kontrahierungszwang einer Verwertungsgesellschaft gegenüber einem Nutzer, der in der Vergangenheit Rechtsverletzungen begangen und offene (titulierte) Forderungen der Verwertungsgesellschaft in beachtlicher Höhe über lange Zeit bis heute nicht beglichen hat, fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Beklagte macht geltend, dass ihm durch die Berufungsentscheidung im Ergebnis die Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit untersagt werde; die Abschlussverweigerung der Klägerin verstoße gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) und den Eigentumsschutz des Art 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK. § 17 Abs 1 VerwGesG sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass Nutzungsbewilligungen tunlichst leicht zu erlangen seien; deren Erteilung könne daher nicht von der Entrichtung alter Außenstände abhängig gemacht werden, sofern eine entsprechende Sicherstellung möglich sei. Keinesfalls rechtfertigten mehr als zehn Jahre alte „Altschulden“ ein absolutes Erwerbsausübungsverbot.

1. Nach § 3 Abs 2 VerwGesG darf für die Wahrnehmung eines bestimmten Rechts jeweils nur einer einzigen Verwertungsgesellschaft eine Betriebsgenehmigung erteilt werden. Die Verwertungsgesellschaften haben somit für ihren jeweiligen Tätigkeitsbereich ein - gesetzlich ausdrücklich verankertes - Monopol (Handig, Von Nutzungsbewilligungen, triftigen Gründen, Treu und Glauben, in Dittrich/Hüttner, Das Recht der Verwertungsgesellschaften 179).

2. Insbesondere für Monopolisten gilt die privatautonome Abschlussfreiheit nicht; sie sind stattdessen zum Vertragsabschluss verpflichtet, weil sie andernfalls aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung die Möglichkeit zur Fremdbestimmung hätten (vgl RIS-Justiz RS0016745, RS0016762, RS0016744). Potenziellen Vertragspartnern von Monopolisten ist es nämlich nicht möglich, auf alternative Anbieter auszuweichen. Der Kontrahierungszwang von Monopolisten soll somit Verzerrungen des Marktmechanismus entgegenwirken (Kehrer, Entscheidungsanmerkung in ÖJZ 2011, 171 mwN zum Schrifttum).

3. Allgemeiner Kontrahierungszwang bedeutet, dass ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen oder Dienste öffentlich in Aussicht stellt, einem zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten, wenn diesem zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, die zur Befriedigung seines Bedarfs nötige einschlägige Leistung und den sie vorbereitenden Vertragschluss ohne sachlich gerechtfertigte Gründe nicht verweigern darf, wenn es sich dabei um „Normalbedarf“ oder „Notbedarf“ handelt und er willens und in der Lage ist, sie zu den gewöhnlichen Bedingungen zu erwerben. Zum „Normalbedarf“ gehört dabei auch die Sicherung der ungestörten normalen Berufsausübung, die jedermann für sich selbst in Anspruch nimmt (F. Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180, 37 und 41).

4. Der Kontrahierungszwang von Verwertungsgesellschaften gegenüber den Nutzern ist in allgemeiner Form bereits im Gesetz selbst enthalten und bildet ein Gegengewicht zu ihrer Monopolstellung:

Gemäß § 17 Abs 1 VerwGesG haben die Verwertungsgesellschaften den Nutzern der Werke und Leistungen ihrer Bezugsberechtigungen die Erlangung der erforderlichen Nutzungsbewilligungen zu angemessenen Bedingungen, insbesondere gegen angemessenes Entgelt, tunlichst zu erleichtern.

§ 17 Abs 2 VerwGesG konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen ein potentieller Nutzer einen vor dem Zivilgericht einklagbaren Anspruch auf Erteilung der Nutzungsbewilligung hat (ErläutRV 1069 BlgNR 22. GP 10) und statuiert damit den eigentlichen Kontrahierungszwang als Rechtsfolge treuwidriger Verhandlungs- oder Abschlussverweigerung (Riesenhuber, Verwertungsgesellschaftengesetz 59).

Verweigert die Verwertungsgesellschaft die Nutzungsbewilligung nur deshalb, weil keine Einigung über die Bemessung des Entgelts erzielt werden kann, dann gilt die Bewilligung gemäß § 17 Abs 3 VerwGesG als erteilt, wenn der Nutzer den nicht strittigen Teil des Entgelts an die Verwertungsgesellschaft gezahlt und eine Sicherheit in der Höhe des strittigen Teils des Entgelts durch gerichtliche Hinterlegung oder Stellung einer Bankgarantie geleistet hat.

5. Nach ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Kontrahierungszwang dann außer Kraft tritt, wenn es sachlich gerechtfertigt ist. Auch ein Monopolist kann nicht gezwungen werden, jeden von einem Dritten gewünschten Vertrag abzuschließen, sondern kann aus sachlich gerechtfertigten Gründen einen Vertragsabschluss ablehnen (vgl RIS-Justiz RS0016745, RS0106571; Apathy/Riedler in Schwimann 3 § 861 Rz 16). Dies wird gleichermaßen für Verwertungsgesellschaften bejaht (vgl schon zur Rechtslage vor dem VerwGesG 2006 Walter, Anmerkung zu 4 Ob 116/97f - AKM-Vermutung II - MR 1997, 216, 218; Popp, Verwertungsgesellschaften 46 f). Nichts Anderes gilt für die Rechtslage nach Inkrafttreten des VerwGesG 2006.

6. Auch im deutschen Schrifttum wird (bei vergleichbarer Rechtslage, mit Kontrahierungszwang nach § 11 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz) vertreten, dass sich die Verwertungsgesellschaft im Einzelfall dem Abschlusszwang entziehen kann.

Nach Schulze (in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz³ § 11 Rz 5) muss die Verwertungsgesellschaft nur denjenigen Rechte einräumen, die sich rechtmäßig verhalten und die angemessenen Bedingungen erfüllen. Wer sich nicht an die weiteren „Spielregeln“ zur Rechtseinräumung halte, sondern wiederholt gegen die von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte verstoße, könne sich auf den Abschlusszwang nicht berufen; denn der Grund, weswegen ihm die Rechte dann nicht eingeräumt werden, liege nicht in der Monopolstellung der Verwertungsgesellschaft, sondern in seinem eigenen rechtswidrigen Verhalten.

Für Seifert (in Schmid/Wirth/Seifert, Urheberrechtsgesetz mit Urheberrechtswahrnehmungsgesetz² § 11 Rz 9) besteht kein Abschlusszwang bei sachlichem Grund. Habe ein Nutzer in der Vergangenheit die Rechte der Verwertungsgesellschaft verletzt und noch keinen Schadenersatz geleistet, könne die Verwertungsgesellschaft durchaus die weitere Nutzung ihrer Rechte verweigern. Der Abschlusszwang bedeute nicht, dass die Verwertungsgesellschaft anders als andere Unternehmen ihre Rechte, also ihr (geistiges) Eigentum, nicht schützen könne. Auch der Lieferant von Sacheigentum, etwa die das Bier liefernde Brauerei, stelle die Lieferungen ein, wenn die Rechnungen nicht bezahlt werden.

Nordemann (in Fromm/Nordemann, Urheberrecht10 § 11 Rz 3; ihm folgend Zeisberg in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht² § 11 Rz 3) führt aus, dass der Abschlusszwang im Einzelfall mit Rücksicht auf entgegenstehende berechtigte Interessen der Verwertungsgesellschaft oder des Berechtigten aufgehoben sein könne. Die Berufung der Verwertungsgesellschaft auf berechtigte Interessen, die dem Abschluss mit einem bestimmten Verwerter entgegenstünden, müsse jedenfalls dann möglich sein, wenn das Interesse der Verwertungsgesellschaft unter Berücksichtigung der Belange des Verwerters als vorrangig anzusehen sei. Ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Benachteiligung eines Verwerters gegenüber anderen Verwertern sei etwa gegeben, wenn es sich um einen notorischen Rechtsbrecher handle, der Verträge beharrlich nicht einhalte oder der wiederholt vorsätzlich Urheberrechtsverletzungen zum Nachteil der Verwertungsgesellschaft oder ihrer Berechtigten begehe.

7. Erst jüngst hat der BGH (mit Urteil vom 22. 4. 2009, I ZR 5/07 - Seeing is Believing - GRUR 2009, 1052 = ZUM 2009, 949) die im deutschen Schrifttum allgemein vertretene Ansicht bestätigt, dass eine Verpflichtung der Verwertungsgesellschaft zur Rechteeinräumung ausnahmsweise nicht besteht, wenn im Einzelfall eine missbräuchliche Ausnutzung der Monopolstellung der Verwertungsgesellschaft ausscheidet und diese dem Verlangen auf Einräumung von Nutzungsrechten vorrangige berechtigte Interessen entgegenhalten kann. Die Beurteilung, ob eine sachlich gerechtfertigte Ausnahme vom Abschlusszwang gegeben ist, erfordert eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes sowie des Zwecks der grundsätzlichen Abschlusspflicht der Verwertungsgesellschaft.

8. Nach Auffassung des Senats sind die von Lehre und Rechtsprechung zum Kontrahierungszwang eines Monopolisten entwickelten Grundsätze auch auf Verwertungsgesellschaften anzuwenden. Diese dürfen einem Interessenten ungeachtet der sie treffenden gesetzlichen Verpflichtung, den Nutzern der Werke und Leistungen ihrer Bezugsberechtigungen die Erlangung der erforderlichen Nutzungsbewilligungen zu angemessenen Bedingungen, insbesondere gegen angemessenes Entgelt, tunlichst zu erleichtern (§ 17 Abs 1 VerwGesG), die Einräumung der von ihnen wahrgenommenen Rechte verweigern, wenn dafür ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht.

9.1. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass der beträchtliche Zahlungsrückstand des Beklagten, der bereits über Jahre hinweg besteht, die Klägerin dazu berechtigt, dem Beklagten die Erteilung von Nutzungsbewilligungen so lange zu verweigern, bis der Außenstand beglichen worden ist. Da der Beklagte dessen ungeachtet Veranstaltungen angekündigt und durchgeführt hat, die öffentliche Aufführungen von Musikwerken aus dem von der Klägerin verwalteten Werkerepertoire umfassen, erweist sich das auf § 81 Abs 1 UrhG gestützte Unterlassungsbegehren als berechtigt.

9.2. Dem steht auch das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind Beschränkungen der Erwerbsfreiheit nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (VfSlg 13.704, 13.725/1994, 14.038/1995 uva; Berka, Verfassungsrecht³ Rz 1560; Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz 888). Öffentliche Interessen sind auch Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (vgl VfSlg 14.908; 17960 - 17959), also etwa auch die durch § 81 UrhG iVm § 18 UrhG geschützten Interessen der Urheber, ein angemessenes Entgelt für die Nutzung ihrer Werke zu erhalten. Die genannten Bestimmungen sind zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses auch geeignet, adäquat und sachlich gerechtfertigt, weil sie sicherstellen, dass künftige Werknutzungen erst erfolgen können, wenn den Urhebern das schon fällig gewordene angemessene Werknutzungsentgelt bereits zugeflossen ist.

9.3. Das Gewicht der Interessen der Urheber rechtfertigt somit den durch das Aufführungsverbot bewirkten zeitlich beschränkten Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit, der nur so lange andauert, als den Urhebern angemessenes Werknutzungsentgelt aus Veranstaltungen der Vergangenheit vorenthalten wird. Zu betonen ist dabei der Umstand, dass es sich um eine Beschränkung eines Rechts handelt, die der Betroffene aus eigener Kraft überwinden kann.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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