Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob bei einer Kündigungsanfechtung im Fall eines Vorbringens auch zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung von Amts wegen auf ein Eventualbegehren umzustellen und ein neues Feststellungsbegehren zu formulieren sei, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Die Parteien brachten selbst nichts Besonderes zum Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beurteilung der Grenzen einer amtswegigen Verdeutlichung des Klagebegehrens durch das Gericht betrifft nur den jeweiligen Einzelfall und begründet keine darüber hinausgehende erhebliche Rechtsfrage (9 ObA 128/08a; RIS-Justiz RS0041192 ua). Der vorliegende Fall kann auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beurteilt und gelöst werden. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Nach § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Es kann daher grundsätzlich nur über das gestellte Begehren abgesprochen werden (2 Ob 611/83, SZ 57/9 ua). § 405 ZPO verbietet dem Gericht, dem Kläger etwas zuzusprechen, wofür es bei Schluss der Verhandlung keinen Urteilsantrag gibt (Rechberger in Rechberger, ZPO³ § 405 Rz 1 mwN ua). Nach ständiger Rechtsprechung darf das Gericht aber dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere Fassung gegeben, wenn sich das Wesen des Begehrens aus dem übrigen Klagevorbringen ergibt (Rechberger in Rechberger, ZPO³ § 405 Rz 2; 9 ObA 128/08a; RIS-Justiz RS0039357 ua). Voraussetzung ist jedoch, dass die Neufassung eine eindeutige Grundlage in den Behauptungen des Klägers findet (4 Ob 153/09t ua). Diese Eindeutigkeit ist hier nicht gegeben.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Unwirksamerklärung der Kündigung der Beklagten vom 29. 4. 2009 und stützte sich dabei darauf, dass die Kündigung gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sozialwidrig sei. Daneben führte er in einem vorbereitenden Schriftsatz auch noch aus, dass die Kündigung gemäß § 879 ABGB sittenwidrig sei, weil dem Kläger zu Unrecht strafgerichtliche Handlungen unterstellt worden seien. Einen besonderen Urteilsantrag knüpfte er daran allerdings nicht. An seinem Begehren auf Kündigungsanfechtung änderte der Kläger nichts. Die beiden Vorbringen - Sozialwidrigkeit bzw Sittenwidrigkeit der Kündigung - führen entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht zum selben Ergebnis, sondern stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis. Während nämlich die mit Gestaltungsklage geltend zu machende Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG wegen Sozialwidrigkeit eine rechtswirksame Kündigung voraussetzt (9 ObA 9/02t; RIS-Justiz RS0052018 ua), beruht die Geltendmachung der Sittenwidrigkeit der Kündigung nach § 879 ABGB gerade darauf, dass keine rechtswirksame Kündigung vorliegt. Demzufolge erfolgt bei Sittenwidrigkeit keine Kündigungsanfechtung, sondern es ist vielmehr mit Feststellungsklage geltend zu machen, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht ist (9 ObA 9/02t; 9 ObA 29/08t; RIS-Justiz RS0039015 ua). Daraus folgt konsequenterweise, dass in einem Verfahren eines Arbeitnehmers nicht beide Begehren zum Erfolg führen können.
Eine amtswegige Umformulierung des Gestaltungsbegehrens des Klägers in ein Feststellungsbegehren kommt hier nicht in Betracht, weil diesfalls dem vom Kläger aufrecht gehaltenen Vorbringen, dass die gegenständliche Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sozialwidrig sei, das darauf bezügliche, zutreffend formulierte Anfechtungsbegehren entzogen würde. Es liegt hier vielmehr eine Konstellation vor, die nur der Kläger selbst hätte bereinigen können, indem er entweder eines der beiden Vorbringen hätte fallen lassen oder bei einem Festhalten an den beiden Vorbringen neben dem Anfechtungsbegehren auch noch ein zweites Begehren auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses hätte stellen und die beiden Begehren in ein Eventualverhältnis hätte setzen müssen (vgl 9 ObA 9/02t ua), wonach also zuerst über das (vom Kläger festgelegte) Hauptbegehren und nur bei dessen Abweisung über das (vom Kläger festgelegte) Eventualbegehren entschieden werden möge. Dies hat der Kläger aber nicht getan. Die Vorinstanzen entschieden demzufolge nur über das vom Kläger gestellte Anfechtungsbegehren. Über einen nicht gestellten Urteilsantrag durften sie nach § 405 ZPO nicht entscheiden. Dass der rechtsanwaltlich vertretene Kläger der richterlichen Anleitung zur Umformulierung des Klagebegehrens bedurft hätte, hat er weder in der Berufung noch in der Revision geltend gemacht. Er hat auch nicht gerügt, dass die Vorinstanzen ihre richterliche Anleitungspflicht verletzt haben. Der Kläger hat (abgesehen von Feststellungsmängeln, die der rechtlichen Beurteilung zuzurechnen sind [RIS-Justiz RS0043304 ua]) auch keine sonstigen Verfahrensmängel gerügt. Der Oberste Gerichtshof kann aber nach ständiger Rechtsprechung weder vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel noch Verfahrensmängel, die in der Berufung nicht gerügt wurden, im Revisionsverfahren wahrnehmen (7 Ob 554/85; RIS-Justiz RS0042963 ua).
Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO; die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen (RIS-Justiz RS0035962).
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