OGH 8Ob9/10x

OGH8Ob9/10x4.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge T*****, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** AG in Abwicklung, *****, vertreten durch Dr. Johannes Neumayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 45.514,60 EUR sA (in eventu Feststellung), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 14.159,80 EUR sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 28.337,43 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2009, GZ 5 R 147/09p-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Die Vorinstanzen haben der Klägerin zwei Drittel des aus einer Vermögensveranlagung (Wertpapierkaufs) entstandenen Schadens zuerkannt, das darüber hinausgehende Klagebegehren aber abgewiesen. Dies erfolgte unter Berücksichtigung der bereits entwickelten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Haftung des Anlageberaters infolge unrichtiger oder unvollständiger Aufklärung, aber auch zur Frage des Mitverschuldens des Anlegers.

II. Der Anlageberater ist nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, richtig und vollständig über diejenigen tatsächlichen Umstände zu informieren, die für den Anlageentschluss von Bedeutung sind und hat für unzureichende Kenntnisse einzustehen, wenn er diese nicht offen legt (RIS-Justiz RS0108073). Der Umfang der vorzunehmenden Aufklärung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist vom jeweiligen Kunden, aber auch vom Anlageprodukt abhängig (RIS-Justiz RS0119752). Der Anlageberater haftet auch dann für die unrichtige Aufklärung über die typischen Risiken, wenn er selbst von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt war (RIS-Justiz RS0108074).

III. Die Beurteilung der Verletzung der Aufklärungsverpflichtungen im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 Ob 32/08h).

III.1. Die außerordentliche Revision der Beklagten befasst sich im Wesentlichen mit der Frage, ob nicht ein ihr schon damals vorgelegenes Sachverständigengutachten, das sich mit den von der Klägerin erworbenen Papieren auseinandersetzt, bei der Beurteilung des Verschuldens der Beklagten mit zu berücksichtigen sei.

III.2. Dieses (im Akt erliegende und in seiner Echtheit nicht bestrittene [RIS-Justiz RS0121557]) Gutachten wurde von der Gesellschaft, deren Wertpapiere es beurteilen sollte, selbst in Auftrag gegeben. Sein Inhalt rechtfertigt die von der Revisionswerberin daraus gezogenen weitreichenden Schlüsse nicht, zumal darin ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich die in Rede stehenden Wertpapiere zur „teilweisen Beimischung“ zu - vorhandenen - Mündelgeldern eignen; eine abschließende Aussage zur Werthaltigkeit dieser Wertpapiere wird ausdrücklich nicht getroffen. Der Hinweis auf dieses Gutachten macht die Beurteilung der Beratungstätigkeit der Revisionswerberin durch die zweite Instanz nicht unvertretbar:

Die Klägerin ist eine Rentnerin mit einem Einkommen von ca 1.000 EUR monatlich. Ihr wurde nicht nur der Erwerb der gegenständlichen Wertpapiere im Ausmaß von ca 40.000 EUR - unter Zusage eines 11%igen Ertrags bei „Sicherheit der Investition“ -, sondern auch die Finanzierung dieses Ankaufs über einen Fremdwährungskredit angeraten (vgl dazu 2 Ob 236/04a). Es ging also nicht bloß um die Veranlagung von vorhandenen Geldern. Ausgehend davon kommt dem von den Vorinstanzen erhobenen Vorwurf der mangelnden Risikostreuung besondere Bedeutung zu. Die Vertretbarkeit dieses Vorwurfs kann die Revisionswerberin mit dem Hinweis auf weitere Wertpapierveranlagungen von insgesamt 38.000 EUR nicht in Frage stellen. Angesichts all dieser Umstände vermag die Revisionswerberin daher auch mit ihrem Hinweis auf die mangelnde Vorhersehbarkeit interner Vorgänge (Aktienrückkauf) in der Gesellschaft, deren Papiere die Klägerin erworben hat, keine die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende Fehlbeurteilung aufzuzeigen.

Dass die Vorinstanzen ausgehend von der Situation der Klägerin, der trotz ihrer festgestellten begrenzten Risikobereitschaft zu einem durch einen Fremdwährungskredit finanzierten, in Relation zum Einkommen der Klägerin sehr hohen Veranlagungsvolumen ohne entsprechende Risikostreuung geraten wurde, übereinstimmend von einem grob fahrlässigen Beratungsfehler der Beklagten ausgegangen sind, stellt daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

IV. Eine die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende Fehlbeurteilung wird auch in der Revision der Klägerin, die sich gegen die Annahme ihres Mitverschuldens wendet (9 Ob 128/06y; allgemein RIS-Justiz RS0087606), nicht aufgezeigt.

Der Oberste Gerichtshof hat - wie vom Berufungsgericht bereits dargestellt - wiederholt ausgeführt, dass auch ein Mitverschulden des Kunden in Betracht kommt. Dabei hat er auch auf die Nichtbeachtung von Informationsmaterial hingewiesen (allgemein RIS-Justiz RS0102779; insb 9 Ob 128/06y).

Hier fanden sich auf dem von der Klägerin unterfertigten Formular auch Risikohinweise, mit denen Privaten vom Kauf von Wertpapieren auf Kredit generell abgeraten und zum konkreten Wertpapier auch darauf hingewiesen wurde, dass das Risiko eines Teilverlustes bis zum Gesamtverlust des eingesetzten Kapitals bestehe.

Dass die Vorinstanzen bei der Klägerin, die - mit Kursgewinnen - bereits Wertpapiergeschäfte abgewickelt, sich aber nicht weiter um die Veranlagung gekümmert hat, von einem Mitverschulden von einem Drittel ausgegangen sind, kann daher ausgehend von der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof nicht als unvertretbar beurteilt werden.

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