Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 74,66 EUR USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass der 2001 erneut bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigte Kläger am 10. 8. 2006 fristlos entlassen wurde. Am Nachmittag des 8. 8. 2006 hatte er eine 60-jährige Großmutter mit ihrem Enkel, die auch noch zwei Plastikschaffel mit sich führte, als Fahrgast. In einem nicht mehr feststellbaren Bereich kam es zu einem Anfahrmanöver des Klägers durch das diese Passagierin, welche sich im Fahrzeug nach vorne bewegte und nicht an den dafür vorgesehenen Vorrichtungen festhielt, das Gleichgewicht verlor, mit der linken Körperseite gegen eine Sitzkante prallte und im Fahrzeug zu Sturz kam. Zu diesem Zeitpunkt standen im Bereich des hinteren Ausstiegs mehrere Fahrgäste zum Aussteigen bereit. Die Passagierin setzte sich in weiterer Folge wieder hin. Die näheren Umstände des Fahrmanövers des Klägers, das zum Sturz des Fahrgastes führte, waren nicht feststellbar, jedoch wurde festgestellt, dass ein ruckartiges Losfahren aus dem Stillstand mit dem vom Kläger gelenkten Bus nicht möglich ist und die auftretenden Längs- und Querbeschleunigungen bei einem normalen Festhalten an den Haltemöglichkeiten im Bus abgefangen werden können.
Der Kläger hatte den Vorfall nicht bemerkt. Als diese Passagierin dann später den Bus aufgrund des mitgeführten Gepäcks und des Kindes in etwas umständlicher und zeitaufwendiger Art verließ, äußerte der Kläger in „gestresstem Tonfall“ in wahrnehmbarer Lautstärke, ob dies nicht „etwas schneller gehe“ und ob das heute noch etwas werde bzw das sei ja noch etwas geworden. Die Passagierin hatte sich bei dem vom Kläger nicht wahrgenommenen Vorfall eine Rippe gebrochen. Nach der Entlassung des Klägers wurde zuerst ein allgemeines Aufforderungsschreiben bereits am 16. 8. 2006 an die Beklagte übermittelt. Dieses wurde in einem weiteren Schreiben vom 11. 9. 2009 konkretisiert. Dieses Schreiben wurde zwar nicht eingeschrieben versendet, ist dem Beklagtenvertreter jedoch zugegangen.
Die hier unstrittig anzuwendende Bestimmung des Art XIV des Bundeskollektivvertrags für Dienstnehmer in dem privaten Autobusbetrieb lautet in der ab 1. 1. 2006 anzuwendenden Fassung wie folgt:
„XIV. Verfall von Ansprüchen:
Ansprüche des Dienstgebers sowie des Dienstnehmers aus den Dienstverhältnissen sind bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit eingeschrieben geltend zu machen. ...“
Die Vorinstanzen gaben übereinstimmend dem Begehren des Klägers auf Zahlung der gesetzlichen Abfertigung statt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Begründung des Berufungsgerichts, das von der mangelnden Berechtigung der Entlassung ausgeht und die Ansprüche auch nicht als Verfallen iSd Art XIV des anzuwendenden Kollektivvertrags beurteilte, ist zutreffend. Es kann daher insoweit auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
Den Argumenten in der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobenen Revision ist ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:
Soweit die Beklagte davon ausgeht, dass das Berufungsgericht das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens iSd § 82 GewO 1859 im Wesentlichen damit verneint hätte, dass die Passagierin sich nicht an den Haltegriffen festgehalten habe, entfernt es sich von der Argumentation des Urteils des Berufungsgerichts. Dieses verneinte im Wesentlichen schon eine Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein Autobuslenker während des Fahrens nicht ständig sämtliche Passagiere im Auge behalten kann, um festzustellen, ob diese gerade ihren Platz wechseln und dabei wegen der mangelnden Benützung der Haltegriffe sturzgefährdet sind. Gegen diese Begründung vermag die Revision keine überzeugenden Argumente darzustellen. Auf andere Vorfälle stützt sich die Beklagte nicht.
Auch die Argumente dagegen, dass dann, wenn das Aufforderungsschreiben dem Arbeitgeber tatsächlich zugegangen ist, der Umstand, dass dieses nicht eingeschrieben war, keinen Verfall der Ansprüche iSd Art XIV des Kollektivvertrags bewirkt, vermögen nicht zu überzeugen. Es ist zwar zutreffend, dass den Arbeitnehmer die Beweislast dafür trifft, dass innerhalb der Verfallsfrist das Aufforderungsschreiben an den ehemaligen Arbeitgeber iSd Art XIV des KV gerichtet wurde. Das hat der Kläger hier aber nachgewiesen. Wesentlich ist, dass allgemein der Zweck kollektivvertraglicher Ausschlussfristen darin gesehen wird, einem Beweisnotstand zu begegnen, in welchen sich der Arbeitgeber bei verspäteter Geltendmachung befinden würde (RIS-Justiz RS0034417). Dieser Zweck ist aber, wenn das Aufforderungsschreiben innerhalb der Dreimonatsfrist beim Arbeitgeber tatsächlich einlangt, erreicht. Hat der Arbeitgeber also ohnehin innerhalb der Dreimonatsfrist Kenntnis von den geltend gemachten Ansprüchen, so ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber noch einmal mit einem eingeschriebenen Brief die Ansprüche zur Kenntnis bringt (vgl auch 8 ObA 34/07v = DRdA 2008/41 [Eypeltauer] zu Ansprüchen, die der Arbeitgeber bereits selbst in seine Lohnabrechnung aufgenommen hat; zum Zweck der Formgebote auch RIS-Justiz RS0013121).
Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.
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