OGH 8ObA34/07v

OGH8ObA34/07v30.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ismet J*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Martina Simlinger-Haas, Rechtsanwältin in Wien, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Aleksandar N*****, vertreten durch Hopmeier & Wagner, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 2.248,42 EUR brutto), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 2007, GZ 10 Ra 130/06w-24, womit über Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Dezember 2005, GZ 4 Cga 177/05k-15, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 333,12 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 55,52 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war beim späteren Gemeinschuldner vom 3. 7. 2000 bis 15. 10. 2004 als Tankwart beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung.

Der Kläger erhielt die Lohnabrechnung für Oktober 2004. Darin waren als offene Beträge ausgewiesen: Lohn für den Zeitraum 1. 10. 2004 bis 15. 10. 2004 (490,16 EUR), Weihnachtsremuneration (760,88 EUR) und die Abfertigung in Höhe von 2.248,42 EUR.

Am 4. 11. 2004 erhielt der Kläger eine dem Lohn und der Weihnachtsremuneration entsprechende Zahlung.

Die Abfertigung in der in der Lohnabrechnung ausgewiesenen Höhe von 2.248,42 EUR haftet unberichtigt aus.

Der Kläger mahnte den Dienstgeber mehrmals mündlich. Mit Schreiben vom 30. 5. 2005 machte der Kläger seine Forderung schriftlich geltend.

Der Kläger begehrt zuletzt die Abfertigung in der unstrittigen Höhe von 2.248,42 EUR brutto. Der Dienstgeber habe die Ansprüche des Klägers anerkannt. Die Verfallsbestimmung in § 19 des anzuwendenden Kollektivvertrages für die Arbeiter der Garagen-, Tankstellen- und Serviceunternehmungen Österreichs sei sittenwidrig.

Die Beklagte gestand als richtig zu, dass die Abfertigung nicht bezahlt worden sei. Der Kläger habe jedoch den Abfertigungsanspruch verspätet geltend gemacht. Nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag seien sämtliche Ansprüche gegenüber dem Dienstgeber binnen drei Monaten geltend zu machen.

Das Erstgericht verpflichtete den Dienstgeber zur Zahlung von 2.248,42 EUR brutto. Da der Dienstgeber in seiner Lohnabrechnung für Oktober 2004 die Abfertigung ausgewiesen habe, habe er diese „zugesagt". Eine Geltendmachung durch den Kläger sei daher nicht notwendig gewesen. Innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB habe der Kläger seinen Anspruch geltend gemacht.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten - auf die infolge Konkurseröffnung über das Vermögen des Dienstgebers während des Berufungsverfahrens und nach Stellung eines Fortsetzungsantrages durch die Masseverwalterin die Parteienbezeichnung berichtigt wurde - erhobenen Berufung nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil in der Hauptsache (unter Stattgebung der Berufung im Kostenpunkt) mit der Maßgabe, dass festgestellt wurde, dass die Forderung des Klägers im Konkurs des Gemeinschuldners mit 2.248,42 EUR brutto samt 9,47 % Zinsen seit 16. 10. 2004 und mit der Kostenforderung von 843,28 EUR netto als Konkursforderung zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Auslegung der hier anzuwendenden Kollektivvertragsbestimmung eine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass nach § 19 des anzuwendenden Kollektivvertrages für die Arbeiter der Garagen-, Tankstellen- und Serviceunternehmungen Österreichs Ansprüche des Arbeitgebers sowie des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit eingeschrieben geltend zu machen seien. Als Fälligkeitstag für die Ansprüche der Arbeitnehmer gelte der Auszahlungstag jener Lohnperiode, in welcher der Anspruch entstanden sei. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibe die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist gewahrt. Die kollektivvertragliche Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von drei oder vier Monaten sei nach der Rechtsprechung nicht als sittenwidrig anzusehen. Die im Kollektivvertrag vorgesehene Verfallsfrist sei somit grundsätzlich wirksam.

Der Oberste Gerichtshof habe aber bereits in der Entscheidung 9 ObA 60/90 ausgesprochen, dass es einer besonderen Geltendmachung durch den Dienstnehmer nicht bedürfe, wenn etwa Überstunden Bestandteil der Lohnabrechnung seien. Verfall könne in diesem Fall nicht mehr eintreten. Die Geltendmachung der ordnungsgemäß abgerechneten Überstunden unterliege dann vielmehr nur der dreijährigen Verjährungsfrist. Diese Überlegungen seien auch hier maßgeblich. Das ergebe sich schon aus dem Zweck der Verfallsbestimmungen in Kollektivverträgen, die für eine möglichst rasche Bereinigung der nach Auflösung des Dienstverhältnisses noch offenen Ansprüche sorgen sollten. Bei Ansprüchen, die bereits in einer Lohnabrechnung des Arbeitgebers enthalten seien, könnten keine Zweifelsfragen entstehen, weil offensichtlich auch der Arbeitgeber deren Richtigkeit erkannt habe. Eine möglichst rasche Bereinigung sei in einem solchen Fall nicht mehr erforderlich.

Hier sei dem Kläger eine Lohnabrechnung ausgefolgt worden, in welcher die Abfertigung Bestandteil gewesen sei. Dadurch habe der Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht, dass er diese Ansprüche als dem Kläger zustehend ansehe. Eine Geltendmachung innerhalb der kollektivvertraglich vorgesehenen Dreimonatsfrist sei daher nicht mehr erforderlich gewesen. Das Urteil des Erstgerichtes sei daher in der Hauptsache mit der Maßgabe zu bestätigen, dass von einem Leistungs- auf ein Feststellungsbegehren umzustellen sei. Ebenso seien die vor Konkurseröffnung entstandenen Verfahrenskosten - nach teilweiser Stattgebung der Berufung im Kostenpunkt im eingeschränkten Umfang - als Konkursforderung festzustellen.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass die für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltende dreimonatige Verfallsfrist zulässig ist: Der zwingende Charakter der Abfertigung hat nicht zur Folge, dass eine kollektivvertragliche Festsetzung von Verfallsfristen für diese Ansprüche unwirksam wäre. Eine besondere Verjährungs- oder Präklusivfrist, von der zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden dürfte, setzt das ArbAbfG nicht fest. Eine dreimonatige Verfallsfrist zur Geltendmachung der Abfertigung ist nicht unangemessen und somit nicht sittenwidrig (14 Ob 167/86).

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass der Umstand, dass der Dienstgeber des Klägers in der ausgefolgten Lohnabrechnung die Abfertigung in der auch hier geltend gemachten Höhe von 2.248,42 EUR brutto berücksichtigte, die im Kollektivvertrag vorgesehene außergerichtliche Geltendmachung innerhalb von drei Monaten entbehrlich macht. Zweck kollektivvertraglicher Verfallsbestimmungen, deren Zulässigkeit von der Rechtsprechung - entgegen einem Teil der Lehre - grundsätzlich bejaht wird (vgl die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Preiss in ZellKomm § 1486 ABGB Rz 67) ist es, für eine möglichst rasche Bereinigung der noch offenen Ansprüche zu sorgen. Die Vertragspartner sollen dazu angehalten werden, möglichst bald ihre Ansprüche geltend zu machen. Andernfalls droht Bereinigung durch Verfall (RIS-Justiz RS0034417; 9 ObA 99/04f).

Ist aber ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers bereits Bestandteil der vom Dienstgeber erstellten Lohnabrechnung, bedarf es keiner außergerichtlichen Geltendmachung dieses Anspruches gegenüber dem Dienstgeber: Die rasche Klarstellung, um späteren Beweisproblemen vorzubeugen, welche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis strittig sind, ist nicht erforderlich, wenn der Dienstgeber selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass ein bestimmter Anspruch dem Arbeitnehmer zustehe. In diesem Fall ist nämlich der Anspruch des Dienstnehmers nicht strittig. Diese Überlegungen haben jedenfalls für den hier vorliegenden Fall zu gelten, in welchem der Kollektivvertrag eine bloß außergerichtliche Geltendmachung durch den Arbeitnehmer vorsieht. Eine kollektivvertragliche Verfallsfrist nämlich, die eine (bloß) außergerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb einer bestimmten Frist vorsieht, verfolgt den erwähnten Zweck, dem Arbeitgeber rasch Klarheit darüber zu verschaffen, welche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Auffassung des Arbeitnehmers noch bestehen. Es geht somit darum, dass Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach geltend gemacht werden, nicht aber darum, dem Arbeitnehmer - wie bei der gerichtlichen Geltendmachung - einen Exekutionstitel zu verschaffen. Dem Berufungsgericht ist daher auch darin beizupflichten, dass die in der Entscheidung 9 ObA 60/90 für die Geltendmachung von Überstunden angestellten Überlegungen auf den vorliegenden Fall übertragbar sind: Dort wurde ausgesprochen, dass Überstunden, die Bestandteil der Lohnabrechnung sind, nicht besonders durch den Dienstnehmer geltend gemacht werden müssen. Verfall kann in diesem Fall nicht mehr eintreten. Die Geltendmachung der ordnungsgemäß abgerechneten Überstunden unterliegt vielmehr nur der dreijährigen Verjährungsfrist.

In der Revision wird dagegen vorgebracht, dass nach der Rechtsprechung überhaupt erst eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung die Verfallsfrist auslöse. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass kollektivvertraliche Verfallsfristen gerade für in der Lohnabrechnung ordnungsgemäß ausgewiesene Positionen zu gelten hätten.

Abgesehen davon, dass im Unterschied zur Entscheidung 9 ObA 60/90 hier der Lauf der dreimonatigen Verfallsfrist nicht an die Ausfolgung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung geknüpft wird, übersieht die Revisionswerberin das Wesen einer „ordnungsgemäßen Lohnabrechnung": Ordnungsgemäß ist eine Lohnabrechnung dann, wenn sie dem Dienstnehmer Klarheit darüber verschafft, welche Leistungen der Dienstgeber berücksichtigt hat. Kann somit der Dienstnehmer der Lohnabrechnung entnehmen, dass bestimmte Positionen (etwa Überstundenentgelte) nicht ausgewiesen sind, weiß er, welche Ansprüche zwischen ihm und dem Arbeitgeber strittig sind. Kann der Dienstnehmer hingegen der Lohnabrechnung - wie hier - einwandfrei entnehmen, dass der Dienstgeber eine bestimmte Position rechnerisch richtig berücksichtigt hat, ist dieser Entgeltbestandteil eben nicht strittig und es bedarf keiner Klarstellung durch außergerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer diesen (nicht berücksichtigten) Anspruch verfolgen will.

Daraus folgt, dass das Berufungsgericht zutreffend den im Übrigen der Höhe nach nicht strittigen Abfertigungsanspruch des Klägers als Konkursforderung festgestellt hat, weil der Kläger die Klage innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB eingebracht hat.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte