OGH 4Ob91/10a

OGH4Ob91/10a8.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen L***** F*****, geboren ***** 1994, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Februar 2010, GZ 44 R 546/09h-352, mit welchem dem Rekurs des Vaters Dr. I***** F*****, G*****, Ungarn, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 11. September 2009, GZ 13 P 189/02p-323, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, und dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel des Vaters aufgetragen.

Die „Stellungnahme“ des Jugendwohlfahrtsträgers zur Revisionsrekursbeantwortung des Vaters wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Verfahren über den Unterhalt der vom Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Revisionsrekurswerberin ist strittig, ob der Vater seit September 1999 in der Lage gewesen wäre, ein nennenswertes Einkommen zu erzielen.

Der 1949 geborene Vater ist ein aus Ungarn gebürtiger Österreicher. Er hatte in Russland Elektrotechnik und Elektronik und in Ungarn Wirtschaftsingenieurwesen studiert; die Abschlüsse sind in Österreich nicht anerkannt. Bevor er nach Österreich kam, war er in Ungarn als „rechte Hand“ des Industrieministers tätig gewesen. Seit 1993 oder 1994 arbeitete er in einer österreichischen Spedition, wo er Transporte organisierte. Im Zuge des Scheidungsverfahrens zwischen ihm und der Mutter des Kindes wurde er im August 1997 delogiert. Im Februar 1998 kündigte ihm sein Arbeitgeber.

Obwohl er in Ungarn keine Wohnung und auch keinen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht hatte, hoffte er, dort besser Fuß fassen zu können. Ab Februar 1998 lebte er bei Freunden in H*****, ab 2000 in einem geerbten Haus in G*****. Im Mai 1999 gründete er ein Unternehmen, das jedoch 2006 in Konkurs ging. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er Einkünfte von monatlich 200 EUR, seither lebt er von Unterstützungen durch Verwandte und Freunde. Bisher war ein Unterhalt von 290,69 EUR festgesetzt.

Der Vater beantragt unter Hinweis auf sein geringes Einkommen, ihn für die Zeit von September 1999 bis September 2002 seiner Unterhaltspflicht zu entheben und sie ab Oktober 2002 auf 20 EUR herabzusetzen. Das Kind hält dem entgegen, dass der Vater ein deutlich höheres Einkommen erzielen könnte, und strebt ab Jänner 2008 eine Erhöhung auf 418 EUR an.

Das Erstgericht nahm aufgrund eines berufskundlichen Gutachtens an, dass der Vater als Grenzpendler mit Wohnsitz in Ungarn bei gehöriger Anstrengung in Österreich bis 2007 monatlich 1.450 EUR und ab 2008 monatlich 1.800 EUR verdienen hätte können. Auf dieser Grundlage setzte es den Unterhalt nach der Prozentsatzmethode fest, und zwar:

Das entgegenstehende Herabsetzungsbegehren des Vaters wies es ab. Zur Begründung verwies das Erstgericht nicht nur auf die Ausbildung des Vaters (Elektrotechnikstudium in Russland, Wirtschaftsingenieurstudium in Ungarn), sondern vor allem auf seine Berufserfahrung im Bereich der internationalen Speditions- und Computerhandelsbranche, seine Zweisprachigkeit (Deutsch, Ungarisch) und seine Englisch- und Russischkenntnisse. Der Vater habe weder in Ungarn noch in Österreich versucht, eine neue Arbeitsstelle zu bekommen. Sein (ungarisches) Einkommen sei offenbar nicht „vollständig erfasst“, da er etwa für die Renovierung eines Spielplatzes in Ungarn 50.000 Forint gespendet und längere Zeit ein, zeitweise sogar zwei Pferde gehalten habe. Weiters verfüge er noch immer über ein in Österreich angemeldetes Auto, für das er jährlich 800 EUR an Steuer und Versicherung bezahle. Außerdem könne er sich offenkundig Urlaube leisten. So habe seine Vertreterin am 11. August 2005 bekannt gegeben, dass er bis Ende August auf Urlaub weile; in einem Schriftsatz vom 8. Juli 2008 sei mitgeteilt worden, dass er bis Mitte September 2008 ortsabwesend sei.

Das Rekursgericht hegte Zweifel an der Richtigkeit des vom Erstgericht eingeholten Gutachtens und führte insofern eine Beweiswiederholung durch. Die neu bestellte Sachverständige kam zum Ergebnis, dass der Vater aufgrund seiner in Österreich nicht anerkannten und überholten Ausbildung und seines Alters seit 1999 nur Einkünfte aus Gelegenheitsarbeiten von höchstens 450 EUR hätte erzielen können. Nach Einlangen des Gutachtens gab das Rekursgericht dem Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Kindes Gelegenheit, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern. Dieser Beschluss wurde dem Jugenwohlfahrtsträger zusammen mit dem Gutachten am 18. Jänner 2008 zugestellt. In einem mit 26. Jänner 2010 datierten Schriftsatz nahm der Jugendwohlfahrtsträger dazu Stellung. Er sandte diesen Schriftsatz jedoch nicht an das Rekurs-, sondern an das Erstgericht, wo er am 29. Jänner 2010 einlangte. Von dort wurde er am 11. Februar 2010 an das Rekursgericht weitergeleitet, wo er am 15. Februar 2010 ankam. Der Rekurssenat hatte jedoch schon am 9. Februar 2010 die nun angefochtene Entscheidung beschlossen, deren schriftliche Fassung er am 11. Februar 2010 der Kanzlei zur Ausfertigung übergeben hatte.

In der Rekursentscheidung enthob das Rekursgericht den Vater für September 1999 bis September 2002 jeglicher Unterhaltspflicht und setzte sie für die Zeit danach auf 20 EUR herab. Den Revisionsrekurs ließ es zunächst nicht zu. Aufgrund des neuen Gutachtens stellte es fest, dass der Vater „aufgrund seines Alters von nunmehr 60 Jahren und seiner veralteten, nicht aktualisierten und nicht nostrifizierten Hochschulqualifikation seit 1999 nicht in der Lage [sei], in Österreich unselbständige Berufstätigkeiten zu realisieren“. Seit 1999 könne er mit Gelegenheitsarbeiten nur monatlich 450 EUR verdienen. Dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten fehlten alle für den konkreten Fall entscheidungswesentlichen Komponenten (Objektivierung der Ausbildung, Aktualität der Fachkenntnisse, Verwertbarkeit der Erfahrung als gescheiterter Unternehmer). Das Gutachten der vom Rekursgericht bestellten Sachverständigen entspreche demgegenüber „allen Anforderungen, die für eine rechtlich schlüssige Entscheidung notwendig“ seien; die Parteien hätten dagegen keine Einwände erhoben. Anhaltspunkte für ein tatsächlich höheres Einkommen seien nicht vorhanden. Auf der neuen Sachverhaltsgrundlage sei dem Antrag des Vaters stattzugeben und der Erhöhungsantrag des Kindes abzuweisen.

In seinem mit einer Zulassungsvorstellung verbundenen Revisionsrekurs macht der Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Kindes geltend, dass er sehr wohl Einwendungen gegen das Gutachten erhoben habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen das Rekursgericht dem neuen Gutachten höhere Beweiskraft zumesse als jenem, auf das das Erstgericht seine Entscheidung gestützt habe.

Das Rekursgericht gab der Zulassungsvorstellung mit der Begründung Folge, dass die Nichtbeachtung der Stellungnahme zum Gutachten möglicherweise das rechtliche Gehör des Kindes verletzt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Vater beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Der Revisionsrekurs ist zwar nicht aus dem vom Rekursgerichts genannten Grund, wohl aber deswegen zulässig, weil die Beweiswürdigung des Rekursgerichts einer nachvollziehbaren Begründung entbehrt. Er ist aus diesem Grund im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Die vom Rekursgericht als Grund für die Zulassung genannte Gehörsverletzung liegt nicht vor.

1.1. Das Rekursgericht hatte dem Vertreter des Kindes Gelegenheit gegeben, sich zum Gutachten binnen 14 Tagen zu äußern. In diese Frist waren zwar nach § 89 Abs 1 GOG die Tage des Postenlaufs nicht einzurechnen. Das gilt jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn die Eingabe an das zuständige Gericht adressiert wird; eine durch unrichtige Adressierung veranlasste Verzögerung geht zu Lasten des Absenders (RIS-Justiz RS0060177, RS0041695).

1.2. Vom Rekursgericht freigestellte Äußerungen sind jedenfalls dann, wenn sie in Schriftform erfolgen, beim Rekursgericht einzubringen. Die Möglichkeit des - in diesem Fall fristwahrenden - Einbringens beim Bezirksgericht des Aufenthaltsorts gilt nach § 90 GOG iVm § 64 Abs 1 Z 4 ZPO nur für mündliche Anträge oder Erklärungen einer Verfahrenshilfe genießenden Partei. Ein anderer Grund, weshalb der Vertreter des Kindes seine Stellungnahme fristwahrend an das Erstgericht hätte senden können, ist nicht erkennbar.

1.3. Für die Beurteilung der Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers ist daher nach der eingangs dargestellten Rechtslage nicht die Absendung, sondern deren Einlangen beim Rekursgericht maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt war das Rekursgericht bereits an seine Entscheidung gebunden (§ 40 AußStrG); es konnte die Stellungnahme daher auch inhaltlich nicht mehr berücksichtigen. Der Zeitpunkt seiner Entscheidung war ebenfalls unbedenklich. Denn eine am letzten Tag der Frist zur Post gegebene, aber richtig adressierte Äußerung wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei Fassung des angefochtenen Beschlusses jedenfalls beim Rekursgericht eingelangt gewesen.

2. Die Rekursentscheidung ist allerdings im entscheidenden Punkt mangelhaft begründet.

2.1. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0006737, RS0007236); Fragen der Beweiswürdigung können daher nicht mehr überprüft werden (RIS-Justiz RS0007236 [T4]; RS0069246; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 66 Rz 4; Klicka in Rechberger, AußStrG [2006] § 66 Rz 3). Allerdings kann mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden, dass das Rekursverfahren an einem Mangel leidet, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet war (§ 66 Abs 1 Z 2). Dazu gehört - ebenso wie im Zivilprozess - das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung bei der Erledigung der Beweisrüge (Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/I § 503 ZPO Rz 144 mwN; RIS-Justiz RS0043371 [T13, T20]). Dies gilt umso mehr dann, wenn das Gericht zweiter Instanz aufgrund einer Beweiswiederholung eigene Feststellungen trifft. Damit hat es nach § 39 Abs 1 und Abs 3 AußStrG in seine Entscheidung nachvollziehbare Erwägungen zur Beweiswürdigung aufzunehmen (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 32 Rz 1).

2.2. Diese Begründungspflicht darf zwar nicht überspannt werden. Im vorliegenden Fall führte das Rekursgericht aber lediglich aus, das von ihm eingeholte Gutachten entspreche „allen Anforderungen, die für eine rechtlich schlüssige Entscheidung notwendig sind“. Das ist nicht mehr als eine Scheinbegründung, die - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 Abs 4 AußStrG (Wegfall der Begründungspflicht) - auch bei Unterbleiben einer Äußerung nicht ausreichen kann. Insbesondere hat das Rekursgericht nicht erläutert, weshalb das von ihm eingeholte Gutachten, das weder auf die vom Erstgericht festgestellten Sprachkenntnisse des Vaters noch (nachvollziehbar) auf dessen tatsächliche Berufserfahrung Bezug nimmt, sondern lediglich auf dessen „veraltete“ und „nicht nostrifizierte“ Hochschulqualifikation abstellt und sich in allgemeinen Erwägungen zur Lage am Arbeitsmarkt ergeht, geeignet sein soll, die sorgfältige Beweiswürdigung des Erstrichters zu entkräften.

3. Die vom Rekursgericht getroffene Ersatzfeststellung kann die angefochtene Entscheidung daher nicht tragen. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens kann sie auch nicht auf andere Gründe gestützt werden.

3.1. Bei der Anwendung des Anspannungsgrundsatzes ist die für die Ausmittlung des konkreten Unterhaltsbedarfs zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen danach zu messen, wie ein pflichtbewusster Familienvater in der konkreten Lage des Unterhaltspflichtigen die diesem zur Erzielung von Einkommen zur Verfügung stehenden Mittel an Arbeitskraft und Vermögen vernünftigerweise einsetzen würde (RIS-Justiz RS0113751). Nicht maßgebend ist, ob sich die zu beurteilende Entscheidung des Unterhaltspflichtigen in rückblickender Betrachtung als bestmöglich erweist; entscheidend ist vielmehr, ob sie nach den jeweils gegebenen konkreten Umständen im Entscheidungszeitpunkt als vertretbar anzuerkennen ist (6 Ob 586/93; 6 Ob 116/00b). Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf nur erfolgen, wenn den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine (andere) Erwerbstätigkeit ausübt (RIS-Justiz RS0047495).

3.2. Im vorliegenden Fall war die Rückkehr des Vaters nach Ungarn an sich nicht zu beanstanden. Seine Übersiedlung diente nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht der Umgehung der Unterhaltspflicht (RIS-Justiz RS0047599), sondern der Vater erhoffte sich dort bessere Erwerbschancen. Damit kann ihm der Aufenthaltswechsel nicht von vornherein zur Last fallen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 [2008] Rz 169 mwN).

3.3. Auch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit zunächst niedrigerem Einkommen war nicht jedenfalls vorwerfbar.

Nimmt der Unterhaltspflichtige eine selbständige Erwerbstätigkeit auf, muss der Unterhaltsberechtigte während einer von der Art des Betriebs und der Zielstrebigkeit sowie den persönlichen Bemühungen des Unterhaltspflichtigen abhängigen Übergangsfrist eine vorübergehende Unterhaltsreduktion in Kauf nehmen (RIS-Justiz RS0087653; Gitschthaler aaO Rz 166 mwN). Im Allgemeinen gilt das zwar nur dann, wenn dadurch begründete Aussichten auf eine wesentliche Verbesserung der beruflichen Situation bestehen (RIS-Justiz RS0087653; Gitschthaler aaO). Die dazu ergangenen Entscheidungen betrafen jedoch Situationen, in denen der Unterhaltspflichtige seine bisherige unselbständige Tätigkeit aufgab, um ein Unternehmen zu gründen; nicht die Folgen eines ungewollten Arbeitsplatzverlusts. Im letztgenannten Fall muss dem Unterhaltspflichtigen schon dann die Gründung eines Unternehmens zugebilligt werden, wenn damit im Wesentlichen vergleichbare Erwerbschancen verbunden sind wie mit der früheren unselbständigen Erwerbstätigkeit. Das dies im Anlassfall von vornherein aussichtslos gewesen wäre, ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens nicht erkennbar.

3.4. Allerdings würde sich ein pflichtbewusster Familienvater auch in diesem Fall dann, wenn sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nach einer gewissen Anlaufzeit deutlich unter den sonst bestehenden Möglichkeiten bliebe, wieder einer unselbständigen Arbeit zuwenden. Nach mehr als zwei bis drei Jahren kann sich der Unterhaltspflichtige im Regelfall nicht mehr darauf berufen, dass ihm eine Unterhaltserhöhung unter Anwendung der Anspannungstheorie nicht zuzumuten sei (3 Ob 541/95; RIS-Justiz RS0047528 [T2]; Gitschthaler aaO Rz 167 mwN).

Im vorliegenden Fall hatte der Vater nach den Feststellungen des Erstgerichts aus seiner selbständigen Tätigkeit nie höhere Einkünfte als 200 EUR im Monat. Hätte er bei unselbständiger Tätigkeit in Österreich tatsächlich, wie vom Erstgericht angenommen, deutlich mehr verdienen können, so hätte er wegen des hohen Einkommensunterschieds spätestens nach zwei Jahren versuchen müssen, (wieder) eine seinen Fähigkeiten angemessene unselbständige Tätigkeit zu finden. Folgt man dem Erstgericht, wäre ihm das binnen drei Monaten gelungen.

3.5. Die Auffassung des Erstgerichts, dass dem Vater ein Pendeln nach Österreich zumutbar (gewesen) wäre, ist nicht zu beanstanden. Denn aus dem Fehlen einer adäquaten Erwerbsmöglichkeit im Ausland kann sich unter Umständen sogar eine Pflicht zur Rückkehr ins Inland ergeben, wenn dem keine berücksichtigungswürdigen Umstände entgegenstehen (6 Ob 311/05m). Im vorliegenden Fall wäre zwar eine Entscheidung des Vaters, in Ungarn wohnen zu bleiben, wegen seiner dort bestehenden Wohnmöglichkeit und der niedrigeren Lebenshaltungskosten vertretbar gewesen. Hätte er sich dafür entschieden, so hätte er aber jedenfalls die Mühen des Pendelns auf sich nehmen müssen. Die Entfernung von G***** zum Wiener Stadtzentrum beträgt 120 km und entspricht damit etwa jener von Wien nach Mürzzuschlag (105 km). Die Staatsgrenze konnte auch vor dem EU-Beitritt Ungarns wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft des Vaters kein entscheidendes Hindernis sein.

4. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

4.1. Das Rekursgericht wird nachvollziehbar zu begründen haben, weshalb es den Ausführungen der von ihm bestellten Sachverständigen folgt. Dafür wird eine Erörterung des Gutachtens erforderlich sein, bei der auch die spezifische berufliche Erfahrung des Vaters und seine für Speditionsgeschäfte durchaus beachtlichen Sprachkenntnisse zu berücksichtigen sein werden.

4.2. Sollte das Rekursgericht auf dieser Grundlage neuerlich zum Ergebnis kommen, dass es dem Vater nicht möglich war und ist, in Österreich ein nennenswertes Einkommen zu erzielen, wäre seinem Rekurs neuerlich Folge zu geben. Trifft hingegen die strittige Feststellung des Erstgerichts zu, so wäre der Vater jedenfalls für die Zeit ab September 2001 auf das in Österreich erzielbare Einkommen anzuspannen (Gründung des Unternehmens im Mai 1999, zwei Jahre Anlaufzeit, drei Monate Arbeitssuche). Die fiktiven Kosten des Pendelns wären angemessen zu berücksichtigen (Gitschthaler aaO Rz 191 ff). Für die Zeit davor wäre zu klären, ob der Vater bei Gründung seines Unternehmens annehmen konnte, dass er damit nach einer gewissen Anlaufzeit seinem bisherigen Einkommen entsprechende Einkünfte erzielen könnte. Nur in diesem Fall hätte das Kind eine zeitweilige Unterhaltsminderung hinzunehmen.

5. Eine „Stellungnahme“ des Rechtsmittelwerbers zur Rechtsmittelbeantwortung des Gegners ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der vom Jugendwohlfahrtsträger eingebrachte weitere Schriftsatz ist daher zurückzuweisen.

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