OGH 8Ob30/10k

OGH8Ob30/10k22.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Mag. Annamaria Rudel, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Schubeck & Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 5.832,64 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 25. November 2009, GZ 53 R 281/09v-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. Juni 2009, GZ 23 C 982/07d-19, im Umfang der Entscheidung über die Gegenforderung und die Prozesskosten aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Ersturteil - mit der Maßgabe, dass das Zinsenbegehren von weiteren 7,19 % Zinsen aus 5.832,64 EUR seit 28. 4. 2007 abgewiesen wird - insgesamt wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 988,30 EUR (darin enthalten 164,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.175,79 EUR (darin enthalten 92,83 EUR USt und 617 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte beschäftigt sich mit dem Verkauf von Luxusbädern samt Zubehör sowie von Fliesen und Natursteinen. Stein- und Bodenbeläge bezieht sie unter anderem von der Klägerin. Das Klagebegehren betrifft die Rechnung vom 27. 4. 2007 für eine unbestritten mängelfreie Lieferung von Natursteinen samt Transport. Die Beklagte verweigert die Zahlung dieser Rechnung aus dem Jahr 2007 wegen geltend gemachter Gegenforderungen aufgrund einer mangelhaften früheren Lieferung eines Treppenbelags im Jahr 2006 über eine Auftragssumme von 5.164,60 EUR zuzüglich Vorfracht. Diese frühere Lieferung sollte aus 17 in einem Stück gefertigten Stufenplatten bestehen. Die erste (Teil-)Lieferung bestand aus zweigeteilten Stufenplatten. Nachdem es der Klägerin bis Ende 2006 nicht gelang, die Stufenplatten in ganzen Stücken zu produzieren, einigten sich die Streitteile auf eine Preisminderung von 50 % sowie die kostenlose Nachlieferung der Stufenplatten aus der bereits laufenden Nachproduktion. Im März 2007 lieferte die Klägerin fünf Stufenplatten aus der Nachproduktion. In der Folge teilte die Beklagte mit, dass weitere Stufen nicht mehr benötigt würden. Dem Endkunden stellte die Beklagte den von der Klägerin (im Jahr 2006) gelieferten Treppenbelag am 4. 7. 2007 mit 9.595,80 EUR in Rechnung. Der Endkunde verweigerte die Zahlung der gesamten Rechnung; über die dafür maßgebenden Gründe wurden keine Feststellungen getroffen.

Die Klägerin begehrt den offenen Rechnungsbetrag aus der Lieferung im April 2007. Die Lieferung sei ordnungsgemäß erfolgt und stehe in keinem Zusammenhang mit der Bestellung im Jahr 2006. Zur Lieferung im Jahr 2006 sei mit der Beklagten die Vereinbarung getroffen worden, die bereits eingebaute Treppe auf den gezahlten Betrag wertmäßig zu mindern und die letzten Stücke kostenlos nachzuliefern. Aufgrund dieser außergerichtlichen Regelung sei eine Aufrechnung mit den eingewendeten Gegenforderungen nicht gerechtfertigt. Schließlich sei die Höhe der Gegenforderungen nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte entgegnete, dass die von der Klägerin im Jahr 2006 gelieferte Ware weder in ihrer Qualität noch nach ihrer Art den Anforderungen der Vereinbarung entsprochen habe. Aufgrund der falschen Lieferung habe der Endkunde die Rechnung, mit der das von der Klägerin gelieferte Material für die Treppe mit 9.595,80 EUR in Rechnung gestellt worden sei, verweigert. Darüber hinaus hätten ihre Mitarbeiter zahlreiche Arbeitsstunden zur Schadensminimierung beim Endkunden aufwenden müssen; dieser Mehraufwand belaufe sich auf 1.768 EUR. Außerdem sei die gelieferte Ware, auf die sich der Rechnungsbetrag von 5.164,60 EUR beziehe, wertlos. Die genannten Beträge würden einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung gegenüber als Gegenforderung compensando eingewendet.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die eingewendeten Gegenforderungen hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte daher zur Zahlung des Klagsbetrags. Die Produktion und Lieferung der maßgefertigten Stufenplatten sei als Werkvertrag zu qualifizieren. Mit Rücksicht auf die vereinbarte Preisminderung stünden der Beklagten keine weiteren Gewährleistungsansprüche mehr zu. Zwischen den Ansprüchen auf Schadenersatz und Gewährleistung bestehe zwar volle Konkurrenz. Die Beklagte könne die begehrte Leistung aber nur einmal erhalten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil im Umfang der Entscheidung über die Gegenforderung und die Prozesskosten auf und fällte in Ansehung der Klagsforderung - mit einer Maßgabenbestätigung zur Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens - ein Teilurteil. Angesichts der Vertragsverletzung durch die Klägerin hätten sich die Streitteile auf Preisminderung geeinigt. Auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit nach Art 40 UNK könne sich die Klägerin nicht berufen, weil ihr der Mangel ihrer Lieferung bekannt gewesen sei. Mit Rücksicht auf die vereinbarte Preisminderung im Sinn des Art 50 UNK erlösche in diesem Umfang die Kaufpreiszahlungspflicht des Käufers, der auch den Anspruch auf weitere Geltendmachung der berücksichtigten Mängel verliere. Die Gegenforderung über 5.164,60 EUR sei daher nicht berechtigt. Den behaupteten Mehraufwand über 1.768 EUR habe die Beklagte nicht nachgewiesen. In Ansehung der Gegenforderung über 9.595,80 EUR sei die Rechtssache allerdings noch nicht spruchreif, weil der Beklagten aus der vom Endkunden nicht gezahlten Rechnung noch Schadenersatzansprüche nach Art 74 UNK zustehen könnten. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, ob der Zwischenhändler Schadenersatzansprüche nach Art 74 UNK aus dem Geschäft mit dem Endkunden verliere, wenn er sich mit dem Lieferanten in Ansehung der Vertragsverletzung auf Preisminderung einige, ohne sich weitere Ansprüche vorzubehalten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin, mit dem sie die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts anstrebt.

Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Beklagte, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist zulässig, weil die Auslegung der von den Streitteilen Ende 2006/Anfang 2007 getroffenen Vereinbarung einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Der Rekurs ist auch berechtigt.

1. Die Anwendung von UN-Kaufrecht (BGBl Nr 1988/96) sowie von österreichischem Recht zu Fragen, zu denen das UN-Kaufrecht keine Regelungen enthält, ist zwischen den Parteien nicht mehr strittig.

Die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zu den einschlägigen Bestimmungen des UN-Kaufrechts sind im Grundsatz zutreffend. Diesen Erwägungen tritt die Klägerin auch nicht entgegen. Sie steht aber auf dem Standpunkt, dass mit Einigung auf die Kaufpreisminderung die Angelegenheit nach objektivem Verständnis abgeschlossen gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadenersatzansprüche hätte sich die Beklagte vorbehalten müssen. Dieser hätte klar sein müssen, dass der Endkunde aus der Vertragswidrigkeit Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche geltend mache. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, dass aufgrund vorhersehbarer Ansprüche des Endkunden die Klägerin nicht auf eine Generalbereinigung hätte vertrauen dürfen.

2.1 Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente betreffen die Auslegung der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung über die Rechtsfolgen der Schlechtlieferung im Jahr 2006. Die Ermittlung des Erklärungsinhalts durch Auslegung stellt zwar in der Regel eine Beurteilung im Einzelfall dar. Mit ihrer Kritik an dem vom Berufungsgericht erzielten Auslegungsergebnis, wonach die Einigung auf Preisminderung nur die Geltendmachung berücksichtigter Mängel ausschließe und der Beklagten mangels Zahlung durch den Endkunden noch Schadenersatzansprüche nach Art 74 UNK zustehen könnten, zeigt sie allerdings eine aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.

2.2 Richtig ist, dass der Käufer nach Art 45 Abs 2 UNK den - auf den Nichterfüllungsschaden gerichteten (RIS-Justiz RS0104929; RS0104937; Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht5 Art 74 Rz 2 ff und 18) - Schadenersatzanspruch nach Art 74 UNK nicht dadurch verliert, dass er andere Rechtsbehelfe, insbesondere jene der Gewährleistung, ausübt und ein Schadenersatzanspruch nur insoweit ausscheidet, als durch die Ausübung eines anderen Rechtsbehelfs der Schaden des vertragstreuen Teils ganz oder teilweise beseitigt wird (Schwenzer aaO Rz 10; Karollus, UN-Kaufrecht 93 und 157). Das Verfahren betrifft aber nicht einen Streitfall, in dem zu entscheiden ist, welche Ansprüche der vertragstreue Teil gegen den Lieferanten aus einer mangelhaften Leistungserbringung geltend machen kann. Die Streitteile haben nämlich bereits eine Regelung zum Geschäftsfall aus dem Jahr 2006 getroffen. Nachdem es der Klägerin längere Zeit nicht gelungen war, die bestellten Steinplatten in ganzen Stücken zu produzieren, drängte die Beklagte auf eine Lösung, wobei sie aufgrund der bereits langen Wartezeit die Rückzahlung der Hälfte der Vorauszahlung forderte. Mit der Ergänzung, dass die aus der gerade laufenden Nachproduktion hergestellten Stücke kostenlos nachgeliefert werden sollten, wurde die Preisreduktion im Ausmaß von 50 % auch erreicht. Abgesehen von der zusätzlich vereinbarten Nachlieferung von letztlich noch fünf Stufenplatten aus der laufenden Produktion war damit das Thema der für die Klägerin nicht möglichen Herstellung der gewünschten Stufenplatten bei redlicher Betrachtungsweise für die Streitteile erledigt. Nach dem Inhalt und dem Zweck der Regelung durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass von der Streitbereinigung auch die vorhersehbaren Folgeansprüche aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Endkunden erfasst sind. Wie das Berufungsgericht richtig festhält, sind den Käufer schlechter Ware gegenüber eigenen Abnehmern treffende Schadenersatz- und ebenso Gewährleistungspflichten, sofern sie sich im üblichen Umfang halten, ohne weiteres vorhersehbar. Dies gilt aber nicht nur für den mangelhaft erfüllenden Verkäufer, sondern ebenso für den Käufer. Die getroffene Vereinbarung über die Preisminderung im Ausmaß von 50 % ist damit dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Geltendmachung der durch die Preisminderung berücksichtigten Mängel, also nur den Mangelunwert und schadenersatzrechtlich damit den Mangelschaden ausschließt. Vielmehr erfasst sie alle voraussehbaren Rechtsfolgen aus der Schlechterfüllung durch die Klägerin einschließlich voraussehbarer Folgeansprüche. Demnach kann die Beklagte nicht nur den Mangelschaden, sondern auch weitere Ansprüche aus der Nichtzahlung der Kundenrechnung nicht mehr geltend machen. Dass der Endkunde die Rechnung über 9.595,80 EUR nur deshalb nicht gezahlt hat, weil die nachgelieferten fünf Stufenplatten ebenfalls „gestückelt“ werden mussten, wurde nicht behauptet.

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nach der zwischen den Streitteilen erzielten Einigung somit von einer Generalbereinigung aller Ansprüche aus der Schlechtlieferung der Stufenplatten im Jahr 2006 auszugehen. Der vom Berufungsgericht bejahte Ergänzungsbedarf zu möglichen weiteren Schadenspositionen sowie zur thematisierten Schadensminderungspflicht besteht damit nicht. In Stattgebung des Rekurses war die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Den ERV-Zuschlag für ihren Rekurs hat die Klägerin überhöht verzeichnet, weil es sich bei ihrem Rechtsmittel um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz iSd § 23a RATG handelt.

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