OGH 4Ob132/09d

OGH4Ob132/09d20.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** P*****, vertreten durch Dr. Witt & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B***** AG, *****, und 2. S*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Mai 2009, GZ 15 R 96/09m-17, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10. März 2009, GZ 39 Cg 8/09h-10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 3.698,80 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 616,47 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 138,80 EUR bestimmten Kosten der Kostenrekursbeantwortung (darin 23,13 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist parlamentarischer Mitarbeiter des Dritten Präsidenten des Nationalrats, Vorstandsmitglied einer Bezirksgruppe des Rings Freiheitlicher Studenten und Mitglied einer Wiener schlagenden Burschenschaft. Als Burschenschafter nimmt er immer wieder am „Couleurbummel“ an der Wiener Universität teil. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Zusammentreffen national-freiheitlicher Studenten, die sich von der Rampe der Universität in den Arkadenhof zum dort aufgestellten „Siegfriedskopf“, einem politisch umstrittenen Denkmal für Gefallene des ersten Weltkriegs, begeben. Dabei kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit linksgerichteten Studenten. In den letzten Jahren war der Kläger mehrfach an der Organisation eines in Medienberichten und vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands als „rechtsextrem“ bezeichneten Sommerlagers für Jugendliche beteiligt.

Die Erstbeklagte war Medieninhaberin der Website „d*****“; die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „D*****“. In diesen Medien wurde ein (auch) auf den Kläger Bezug nehmender Artikel mit folgendem Inhalt veröffentlicht:

Aufruhr-Versand wäre in Österreich verboten

Neonazi-Szene kann sich bei deutschem Versandhandel mit Devotionalien aller Art eindecken:

Medienanfragen hat man beim deutschen Aufruhr-Versand in der Hansestadt Wismar nicht so gern. ‘Wir haben schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht', sagt die Dame am Telefon, ohne sich namentlich zu melden. Über die Eigentümerverhältnisse will sie daher nichts verraten. Beim Aufruhr-Versand kann sich die rechtsextreme Szene mit einschlägigen CDs, Fahnen oder T-Shirts (sie werden als T-Hemden angeboten) eindecken. Große Medienpräsenz ist da nicht erwünscht.

Die österreichische Debatte über die Einkäufe der Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten M***** will man in Wismar noch nicht mitbekommen haben. Der Grüne K***** hatte Bestelllisten der blauen Parlamentsmitarbeiter S***** P***** [des Klägers] und M***** V***** aus den Jahren 2003 bis 2005 veröffentlicht, die ihm von Hackern zugespielt wurden. Demnach wurden Reichskriegsflaggen, Hemden mit dem Aufdruck ‘White Power', das Werk ‘National Knights of the Ku Klux Klan' oder Fahnen mit dem Schriftzug ‘Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein' geordert. In Summe soll das Auftragsvolumen mehr als EUR800,-- betragen haben. Interessant dabei: Als Lieferland wurde bei einer Bestellung ‘Ostmark' angegeben.

Die FPÖ bestreitet die Echtheit der Listen. P***** [der Kläger] und V***** hätten nur ‘unbedenkliche' T-Shirts bestellt. In einschlägigen Kreisen sind G*****s Mitarbeiter aber bereits wiederholt aufgefallen. P***** war ebenso wie G*****s Büroleiter W***** A***** Organisator von Jugend-Sommerlagern, die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) als ‘rechtsextrem' eingestuft wurden.

In Österreich wäre auch der Aufruhr-Versand eindeutig neonazistisch und damit zu verbieten, heißt es beim DÖW.

Die Mitarbeiterin am Aufruhr-Telefon betont freilich, man biete nichts an, was in Deutschland illegal sei. Man werde laufend von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien beobachtet und halte sich daran, wenn diese Prüfstelle etwas verbiete.

Dennoch sind auch aktuell eindeutige Neonazi-Devotionalien erhältlich - etwa T-Shirts mit dem Aufdruck ‘88' oder ‘14'. Diese Zahlenfolgen werden in der Neonazi-Szene als Erkennungszeichen verwendet. Der achte Buchstabe des Alphabets ist das ‘H'. 88 bedeutet also ‘HH', was für ‘Heil Hitler' steht.

Die Zahl 14 steht für die ‘14 Words' (‘We must secure the existence of our people and a future for white children') und wird vor allem von amerikanischen Rassisten verwendet.“

Illustriert war der Artikel mit der Abbildung zweier vom Aufruhr-Versand vertriebener T-Shirts sowie mit Lichtbildern des eine Burschenschaftermütze tragenden Klägers sowie einer weiteren im Artikel genannten Person. Die Bildunterschrift lautete:

„T-Shirts und andere einschlägige Artikel gibt es bei ‘Aufruhr'. S***** P***** (links) [der Kläger] und M***** V***** waren auch Kunden.“

Der Aufruhr-Versand wird vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem eingestuft. Der Kläger war Kunde dieses Versands; welche Artikel er dort tatsächlich bestellt hatte, konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.

Der Kläger beantragt, dem Beklagten die Veröffentlichung der ihn zeigenden Lichtbilder zu verbieten,

„wenn im Bildbegleittext die wörtlichen und/oder sinngemäßen Behauptungen aufgestellt und/oder verbreitet werden, dass [der Kläger] in einschlägigen Kreisen bereits wiederholt aufgefallen ist und dass [er] verbotene neonazistische Devotionalien beim Aufruhr Versand gekauft hat“.

Die Veröffentlichung der Lichtbilder habe aufgrund des Begleittexts in seine schutzwürdigen Interessen eingegriffen. Er sei keine allgemein bekannte Person. Mit den Bildberichten werde der unzutreffende Eindruck erweckt, dass er sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht und die abgebildeten T-Shirts und andere Produkte beim Aufruhr-Versand gekauft habe; die Bildnisveröffentlichung verstärke diesen Eindruck. Die Berichterstattung sei tendenziös gewesen. Die Veröffentlichung habe primär dazu gedient, die Neugier und Sensationslust der Öffentlichkeit zu befriedigen; ein Informationswert sei damit nicht verbunden gewesen. Der Kläger sei infolge linker Agitation gegen den Couleurbummel überfallen worden; die Bildnisveröffentlichung habe daher auch aus diesem Grund in seine berechtigten Interessen eingegriffen.

Die Beklagten entgegnen, dass der Kläger als Mitglied einer Burschenschaft, Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten, regelmäßiger Teilnehmer am „Couleurbummel“ und Mitorganisator rechtsextremer Sommerlager eine öffentliche Person (public figure) iSv Art 10 EMRK sei. Der Begleittext beruhe auf einem im Kern wahren Sachverhalt; es werde dem Kläger nicht unterstellt, bestimmte, eindeutig rechtsextreme Artikel bestellt zu haben. Über seine Bestellungen beim Aufruhr-Versand sei schon zuvor in anderen Medien berichtet worden. Das Lichtbild sei beim „Couleurbummel“ aufgenommen worden, also bei einem öffentlichen politischen Auftreten des Klägers. Der höchstpersönliche Lebensbereich werde durch die Veröffentlichung nicht berührt. Selbst wenn man ein schutzwürdiges Interesse des Klägers am Unterbleiben der Veröffentlichung annehmen wollte, überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Kläger habe die Bühne der öffentlichen Debatte betreten, weil er im Zusammenhang mit seiner politischen Gesinnung und als Mitglied der Burschenschaft immer wieder in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten sei. Daher müsse er gegenüber einer Bildnisveröffentlichung einen höheren Grad an Toleranz aufbringen. Der Begleittext sei im Kern wahr. Die Veröffentlichung der Abbildung habe daher keine berechtigten Interessen des Klägers verletzt. Jedenfalls überwiege - wegen der im Wesentlichen korrekten Berichterstattung über gesellschaftlich relevante Fragen des Zeitgeschehens - das Veröffentlichungsinteresse der Öffentlichkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und erließ die einstweilige Verfügung. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Beklagten hätten den Eindruck erweckt, der Kläger habe beim Aufruhr-Versand neonazistische Devotionalien erworben und bewege sich in der Neonazi-Szene; die Bezugnahme auf „einschlägige“ Artikel und Kreise sei in diesem Sinn zu verstehen. Dadurch sei der Betroffene mit Rücksicht auf seine politische Einstellung in einen Gegensatz zu den Werten eines rechtschaffenen, demokratische Grundsätze achtenden Menschen gestellt worden. Die Verbreitung seines Bildnisses in Verbindung mit dem erhobenen Vorwurf habe bloßstellend und für das Fortkommen nachteilig gewirkt. Zwar könne bei allgemein (nach ihrem Aussehen) bekannten Personen oder zumindest im öffentlichen Leben stehenden (namentlich nach ihrem Beruf oder ihrer Funktion bekannten) Personen ein Bildbericht (außer bei einem unwahren Sachverhalt, was hier nicht zur Diskussion stehe) auch dann zulässig sein, wenn er für den Betroffenen nachteilig, bloßstellend oder herabsetzend wirke. Das Verbreiten eines Bildberichts greife allerdings dann rechtswidrig in die Sphäre des Betroffenen ein, wenn dadurch dessen Interessen unnötig verletzt würden. Das Interesse an der Verbreitung des Bildes könne in diesem Fall nur dann überwiegen, wenn das Bild einen besonderen Nachrichtenwert habe und nicht der Befriedigung der Sensationslust oder Neugierde dient. Dabei sei zwischen dem Informationswert des Textes und jenem des Bildes zu unterscheiden.

Der Kläger sei nicht allgemein bekannt und stehe auch nicht, etwa als Abgeordneter, im öffentlichen Leben. Einschlägige politische Äußerungen oder provokante politische Aktionen habe das Erstgericht nicht festgestellt. Es verbleibe somit eine allgemeine politische Agitation als Burschenschafter, Demonstrant und Organisator eines Sommerlagers für Jugendliche. Erst mit der beanstandeten Veröffentlichung sei der Kläger einer breiten Öffentlichkeit optisch bekannt geworden. Das Bild stehe in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Anlass der Berichterstattung über den Versandhandel mit NS-Devotionalien. Es weise auch keinen Zusammenhang zur Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten auf, sondern zeige ihn als Burschenschafter mit seiner Verbindungsmütze.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht aufgrund einer im konkreten Fall unvertretbaren Deutung des Begleittexts der Lichtbilder in die Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten eingegriffen hat; er ist aus diesem Grund auch berechtigt.

1. Der Kläger stützt sich auf eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild iSv § 78 UrhG. Die für die Anwendung dieser Bestimmung maßgebenden Grundsätze hat der Senat zuletzt in 4 Ob 105/07f (= MR 2007, 309 - Ahnungslose Anleger) zusammengefasst:

1.1. Nach § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Diese Bestimmung soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit schützen, und zwar insbesondere dagegen, dass er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt wird oder dass sein Bildnis auf eine Art benutzt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (RIS-Justiz RS0078186). Bei der Prüfung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, ist maßgebend, ob die insofern geltend gemachten Interessen bei objektiver Prüfung des einzelnen Falls als schutzwürdig anzusehen sind. Behauptet derjenige, der das Bild verbreitet, seinerseits ein Interesse an diesem Vorgehen, dann sind die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen (RIS-Justiz RS0078088 [T2]). Bei nicht allgemein bekannten Personen des öffentlichen Lebens und bei der Öffentlichkeit unbekannten Privatpersonen kann eine Verletzung des erörterten Persönlichkeitsrechts infolge der Beigabe des Bildes noch verschärft und eine „Prangerwirkung“ erzielt werden, weil die Person des Angegriffenen erst damit einer breiten Öffentlichkeit individuell optisch bekannt wird. In solchen Fällen kann daher die Bildnisveröffentlichung nur durch ein im Rahmen einer Interessenabwägung gewonnenes höhergradiges Veröffentlichungsinteresse des Bildverbreiters gerechtfertigt sein (RIS-Justiz RS0077767).

1.2. Die nach § 78 UrhG gebotene Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung fällt jedoch nach der jüngeren Rechtsprechung - soweit kein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre vorliegt (4 Ob 150/08z = MR 2008, 346 - Julius M mwN) - bei einem im Kern wahren Begleittext gewöhnlich zugunsten des Mediums aus (4 Ob 142/99g = SZ 72/97 - Miserabler Verleumder; 6 Ob 249/01p = SZ 74/204 - Schönheitschirurgie; RIS-Justiz RS0112084). Das gilt jedenfalls für Lichtbilder, die an sich unbedenklich sind, dh den Abgebildeten nicht entstellen oder Geschehnisse aus seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zeigen (vgl 6 Ob 211/05f = ZÖR 2006, 687). Dieses Ergebnis wird durch die Judikatur des EGMR gestützt, wonach Verbote und Beschränkungen in der Wahl medialer Darstellungsmittel nur bei Vorliegen besonderer Gründe mit Art 10 EMRK vereinbar sind (6 Ob 249/01p - Schönheitschirurgie mwN).

Ältere Entscheidungen, wonach die Veröffentlichung eines an sich unbedenklichen Lichtbilds (Porträtfotos) auch bei Vorliegen eines nach § 1330 Abs 2 ABGB zulässigen Begleittexts untersagt werden könne, weil sie zu einer Prangerwirkung führe (4 Ob 141/94 = MR 1995, 143 - Haider-Fan mwN), sind damit überholt.

1.3. Ist daher eine Textberichterstattung nicht zu beanstanden, weil sie einen zumindest im Kern wahren Sachverhalt mitteilt und auch nicht Umstände aus der Privatsphäre des Betroffenen erörtert, so wird im Regelfall auch deren Illustration mit einem an sich unbedenklichen Lichtbild zulässig sein. Das gilt auch dann, wenn die Veröffentlichung für den Abgebildeten nachteilig, bloßstellend oder herabsetzend wirkt (6 Ob 249/01p - Schönheitschirurgie; RIS-Justiz RS0112084).

2. Im vorliegenden Fall verstößt die Textberichterstattung nicht gegen § 1330 Abs 2 ABGB.

2.1. § 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen, also ihre Personenwürde (Abs 1) und ihren Ruf (Abs 2). Das Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Daher dürfen auch Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind (RIS-Justiz RS0031810), nicht schrankenlos geäußert werden; allerdings sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 1330 Rz 3 mwN). Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 295/03f = MR 2005, 371 - Unsaubere Praktik mwN; 6 Ob 159/06k = MR 2006, 362 [Korn] - Kärntner Seebühne).

Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, abhängt (6 Ob 159/06k - Kärntner Seebühne). Dabei sind bei Politikern die Grenzen erheblich weiter gezogen als bei Privatpersonen (RIS-Justiz RS0054817, RS0115541, RS0082182). Dieser Grundsatz gilt auch für Privatpersonen und private Vereinigungen, sobald sie die politische Bühne (die Arena der politischen Auseinandersetzung) betreten (6 Ob 149/01g = SZ 74/117 - Menschenhatz; RIS-Justiz RS0115541).

2.2. Für die Ermittlung des Bedeutungsgehalts ist maßgebend, wie die Aussagen im Gesamtzusammenhang von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Personen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RIS-Justiz RS0031883); bei mehrdeutigen Äußerungen muss der Beklagte grundsätzlich die für ihn ungünstigere Auslegung gelten lassen (RIS-Justiz RS0079648). Die Anwendung der Unklarheitenregel ist allerdings am Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu messen. Liegt die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, so muss im Anwendungsbereich des § 1330 ABGB die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben (4 Ob 71/06d = ÖBl 2007, 19 - Holocaust-Fotos, RIS-Justiz RS0121107; zuletzt 6 Ob 218/08i = MR 2009, 78 [Windhager] - Eurofighter-Werbekampagne; 6 Ob 112/09b).

2.3. Im vorliegenden Fall bestand ein hohes öffentliches Interesse an der Darstellung von Verbindungen zwischen den politischen Mitarbeitern des Dritten Nationalratspräsidenten und einem sehr weit rechts stehenden Versandunternehmen. Der Kläger hatte als Vorsitzender einer Bezirksgruppe des Rings Freiheitlicher Studenten und Teilnehmer von politischen Demonstrationen - insbesondere des „Couleurbummels“ - die öffentliche Bühne betreten; die Grenzen zulässiger Kritik sind daher (auch) bei ihm weiter gezogen als bei Privatpersonen. Es ist nicht strittig, dass er Kunde beim Aufruhr-Versand war. Dass die auf diesen Versand bezogenen Aussagen des Artikels unrichtig gewesen wären, hat der Kläger nicht behauptet. Es ist daher anzunehmen, dass der Versand auch eindeutig neonazistische Erzeugnisse vertreibt. Zwar steht nicht fest, was der Kläger dort konkret gekauft hat. Die Beklagten berichten hier aber ohnehin nur über eine Verdachtslage und geben dem Kläger (seiner Partei) Raum für eine Stellungnahme. Eine Verletzung von § 1330 ABGB ist insofern nicht einmal ansatzweise erkennbar.

In weiterer Folge leitete das Rekursgericht aus der Formulierung, der Kläger verkehre in „einschlägigen Kreisen“ und erwerbe „einschlägige Artikel“, ab, dass dem Kläger der Vorwurf neonazistischen Verhaltens - also strafbarer nationalsozialistischer Wiederbetätigung - gemacht werde. Damit überschritt es jedoch seinen durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung beschränkten Ermessensspielraum bei der Ermittlung des Tatsachenkerns der beanstandeten Äußerung (4 Ob 71/06d - Holocaust-Fotos). Bei realistischer Betrachtungsweise bewertet der Begriff „einschlägig“ im gegebenen Zusammenhang das politische Milieu, in dem (auch) der Kläger verkehrt. Im Zusammenhang mit der Darstellung des Aufruhr-Versands wird deutlich, wie der Artikel dieses Milieu einordnet: es liegt rechts der Mitte und tastet sich an die Grenzen des Erlaubten heran. Letzteres ergibt sich insbesondere aus dem Zitat einer Aufruhr-Mitarbeiterin: Der Versand werde laufend von der (deutschen) Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien überprüft und halte sich daran, wenn diese Prüfstelle etwas verbiete. Ein solches Herantasten an die Grenzen wird auch dem Kläger unterstellt, wenn berichtet wird, er verkehre in „einschlägigen“ Kreisen und bestelle „einschlägige“ Artikel.

So verstanden hat der Artikel aber (auch) in Bezug auf die vom Rekursgericht beanstandeten Formulierungen einen wahren Tatsachenkern. Denn nach dem bescheinigten Sachverhalt ist der Kläger nicht nur Funktionär des Ringes Freiheitlicher Jugend, sondern auch Mitglied einer - notorisch deutschnationalen - Burschenschaft und Mitorganisator von Sommerlagern, die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands als rechtsextrem eingestuft werden; weiters ist er Kunde bei einem Versand, der unbestritten auch eindeutig neonazistische Artikel anbietet. Auf dieser Grundlage muss sich der im öffentlichen Leben stehende Kläger gefallen lassen, dass sein Verhalten als „einschlägig“ bewertet wird. Ansprüche nach § 1330 ABGB sind daher nicht begründet.

3. Angesichts des im Kern wahren Sachverhalts müssten daher gewichtige Gründe vorliegen, dass das Geheimhaltungsinteresse des Klägers höher zu bewerten wäre als das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten. Solche Gründe sind nicht erkennbar.

3.1. Die strittigen Lichtbilder sind - zumindest im abgebildeten Ausschnitt - Porträtfotos; Ereignisse oder ein Verhalten aus der Privat- oder Intimsphäre werden nicht dargestellt. Damit unterscheidet sich der Sachverhalt im entscheidenden Punkt von jenem, der zuletzt den Entscheidungen 6 Ob 211/05f (= ZÖR 2006, 687) und 6 Ob 43/08d zugrunde lag. Denn dort war ein Textbeitrag mit einem (wie hier) erweislich wahren Tatsachenkern (anders als hier) mit Lichtbildern aus der Intimsphäre des Betroffenen illustriert worden. In einem solchen Fall ist tatsächlich eine eingehende Interessenabwägung erforderlich, ob die mit einem Verbot verbundene Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit durch den nach Art 8 EMRK zu gewährleistenden Schutz der Privatsphäre gerechtfertigt ist. Bei bloßen Porträtfotos stellt sich diese Frage nicht.

3.2. Ältere Entscheidungen, wonach die Veröffentlichung von Lichtbildern zur Vermeidung einer „Prangerwirkung“ auch bei einem im Kern wahren Sachverhalt untersagt werden könne (zB 4 Ob 141/94 - Haider-Fan), sind, wie bereits ausgeführt, durch die Rechtsprechung zur parallelen Bewertung von Text- und Bildberichterstattung überholt (oben Punkt 1.2.). Zudem hat das Lichtbild des Klägers ohnehin auch einen inhaltlichen Bezug zur Textberichterstattung. Denn es zeigt ihn mit einer Burschenschaftermütze und erläutert damit implizit die Aussage des Artikels, der Kläger verkehre in „einschlägigen Kreisen“. Dabei handelt es sich wiederum um eine zulässige Wertung der politisch-gesellschaftlichen Betätigung des Klägers, die er sich als im öffentlichen Leben stehende Person gefallen lassen muss. Das Bild hat somit - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - einen eigenen Nachrichtenwert.

4. Aufgrund dieser Erwägungen ist die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 41 und 52 Abs 1 Satz 2ZPO.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0036069 [T1] ua; zuletzt etwa 8 ObA 80/06g und 9 ObA 14/08m) ist bei einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung auf die Argumente eines Kostenrekurses Bedacht zu nehmen, den das Gericht zweiter Instanz wegen der Abänderung in der Hauptsache nicht zu behandeln hatte.

Im vorliegenden Fall begehrten die Beklagten in ihrem Kostenrekurs die vom Erstgericht verweigerte Honorierung zweier Urkundenvorlagen, die sie nach Ablauf der Äußerungsfrist erstattet hatten. Da das Erstgericht die vorgelegten Urkunden verwertet habe, müsse der unterlegene Kläger auch die Kosten der zu deren Vorlage erforderlichen Schriftsätze ersetzen. Bei den vorgelegten Urkunden handelte es sich allerdings um Zeitungsartikel, die bereits vor der Äußerung der Beklagten zum Sicherungsantrag erschienen waren. Die Beklagten haben weder in den strittigen Schriftsätzen noch in ihrem Kostenrekurs ein konkretes Vorbringen erstattet, aus welchem Grund sie die Urkundenvorlage nicht mit dieser (ohnehin honorierten) Äußerung verbinden konnten. Damit ist nicht erkennbar, weshalb die gesonderten Schriftsätze zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich gewesen wären. Es hat daher bei der schon aus diesem Grund zutreffenden Kostenentscheidung des Erstgerichts zu bleiben.

Da die Beklagten im Zwischenstreit über die Kosten unterlegen sind, haben sie dem Kläger die Kosten der Kostenrekursbeantwortung zu ersetzen.

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