OGH 9Ob7/09h

OGH9Ob7/09h30.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Horst Brunner ua, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 27.817,63 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. September 2009, GZ 2 R 272/08a-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 27. Mai 2008, GZ 4 C 267/08x-14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.610,64 EUR (darin 268,44 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 27.817,63 EUR sA. Sie habe die Beklagte mit den Baumeisterarbeiten für ein Bauvorhaben beauftragt, wobei ein Pauschalpreis von 495.600 EUR brutto vereinbart worden sei. Es sei auch vereinbart worden, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin alle Kosten und Spesen im Zusammenhang mit der Feststellung, Prüfung oder Behebung von Mängeln zu ersetzen, insbesondere Kosten eines beigezogenen Sachverständigen sowie Kosten und Auslagen des für die Feststellung und Überwachung der Behebung von Mängeln eingesetzten Personals.

Am 19. 8. 2007 sei bei diesem Bauvorhaben wegen eines Starkregens ein Wasserschaden entstanden. Aus wirtschaftlichen Gründen - die Klägerin habe beabsichtigt, einen Wohnung im Objekt zu verkaufen - und aufgrund des Umstands, dass die Beklagte bestritten habe, Verursacherin des Schadens zu sein, habe die Klägerin eine Beweissicherung durch Sachverständige veranlasst, um sofort mit den nötigen Sanierungsmaßnahmen beginnen zu können. Durch die eingeholten Gutachten habe sich herausgestellt, dass die Beklagte den Schaden, der in einer Größenordnung von 280.000 EUR liege, verschuldet habe. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten habe auf diesen Schaden bereits 35.000 EUR akontiert. Im Zusammenhang mit der Schadensfeststellung seien der Klägerin Kosten von insgesamt 27.817,63 EUR entstanden, die die Beklagte aufgrund der getroffenen Vereinbarung zu ersetzen habe. Zudem stütze sich die Klägerin auf „jeden erdenklichen Rechtsgrund".

Die Beklagte bestritt, den Schaden verschuldet zu haben. Sie sei auch nicht vertraglich verpflichtet, die Kosten der Schadensfeststellung zu zahlen. Die geltend gemachten Kosten seien zudem weit überhöht. Schließlich wendete die Beklagte ein, dass es sich bei den geltend gemachten Sachverständigengebühren um vorprozessuale Kosten handle, für die der Rechtsweg unzulässig sei.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Bei bestehender Akzessorietät zum Hauptanspruch sei die selbständige Einklagung vorprozessualer Kosten unzulässig, unabhängig davon, auf welchen Titel der Anspruch gestützt werde.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin Folge und änderte die erstinstanzliche Entscheidung im Sinne der Verwerfung des Einwands der Unzulässigkeit des Rechtswegs ab.

Nach der Rechtsprechung sei durch die mit dem Zinsrechts-Änderungsgesetz geschaffene Bestimmung des § 1333 Abs 3 (nunmehr § 1333 Abs 2) ABGB eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten. Die Kosten von Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen seien zwar als Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN zu werten, woraus aber nicht mehr abgeleitet werden könne, dass sie während des Bestands der Hauptforderung zwingend immer mit dieser gemeinsam geltend gemacht werden müssten. Der Auffassung, Kosten für Mahnschreiben etc seien vorprozessuale Kosten, für die der Rechtsweg nicht zulässig sei, sei daher der Boden entzogen. Dies habe aber nach Auffassung des Rekursgerichts nicht nur für vorprozessuale Inkassokosten zu gelten, sondern auch für vorprozessuale Gutachtenskosten, jedenfalls dann, wenn sie nicht ganz ausschließlich und unzweifelhaft nur der Prozessvorbereitung dienten. Zudem sei hier davon auszugehen, dass die Klägerin - jedenfalls nach dem für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs entscheidenden Klagevorbringen - ein besonderes Interesse an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Prozess habe. So seien die Gutachten auch dazu eingeholt worden, um sofort mit Sanierungsmaßnahmen beginnen zu können bzw um im Hinblick auf eine allfällige Schadensminderungspflicht die Schadensursache zu ermitteln.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich das Rekursgericht nicht auf gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung stützen könne.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet dieses für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs ist der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Beklagten nicht zulässig.

Der Revisionsrekurswerberin ist allerdings zuzubilligen, dass - entgegen der Meinung des Rekursgerichts - die Änderung der Rechtslage durch § 1333 Abs 3 (nunmehr Abs 2) ABGB für den hier zu beurteilenden Fall keine Rolle spielt, weil die genannte Bestimmung nur die außergerichtlichen Betreibungs- und Einbringungskosten erfasst, nicht aber die sonstigen vorprozessualen Kosten, wie etwa die Kosten der Einholung eines Privatgutachtens (5 Ob 212/05w; 3 Ob 127/05f; vgl auch die Entscheidung 4 Ob 103/06k, der ebenfalls diese Rechtsauffassung zugrunde liegt). Insofern hat daher die schon vor der Änderung der Rechtslage bestehende Rechtsprechung zur Geltendmachung vorprozessualer Kosten weiterhin Gültigkeit.

Daraus ist aber für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nichts zu gewinnen, weil dieser Umstand für die Entscheidung nicht von Bedeutung ist. Der Revisionsrekurswerber lässt nämlich außer Acht, dass das Rekursgericht seine Entscheidung auch damit begründet hat, dass die hier geltend gemachten Aufwendungen nach dem für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgebenden Klagevorbringen nicht primär der Vorbereitung eines Rechtsstreits gedient haben. Es verweist dazu auf das Vorbringen der Klägerin, sie habe eine im Objekt befindliche Wohnung gehobenen Standards verkaufen und deshalb unverzüglich mit Sanierungsarbeiten beginnen wollen; auch wegen der sie treffenden Schadensminderungspflicht sei die sofortige Feststellung der Schadensursache notwendig gewesen.

Damit trägt das Rekursgericht der Rechtsprechung Rechnung, nach der die Kosten eines zur Schadensfeststellung eingeholten Sachverständigengutachtens dann mit gesonderter Klage - und nicht nur als vorprozessuale Kosten im Rechtsstreit über den Hauptanspruch - geltend gemacht werden können, wenn ein besonderes Interesse des Auftraggebers an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Prozess besteht, sodass also das Gutachten nicht in erster Linie im Hinblick auf eine (spätere) Prozessführung, sondern primär aus anderen Gründen eingeholt wird (1 Ob 302/02x; 6 Ob 98/00f uva). Die Beurteilung der zweiten Instanz, dass auch nach dem hier zu beurteilenden konkreten Vorbringen das Gutachten nicht primär zur Vorbereitung eines Rechtsstreits eingeholt wurde, ist keineswegs unvertretbar, reicht in ihrer Bedeutung über den vorliegenden Einzelfall nicht hinaus und wird im Übrigen im Revisionsrekurs auch gar nicht bekämpft.

Auf die Rechtsprechung, wonach vorprozessuale Kosten ihren öffentlich-rechtlichen Charakter verlieren, wenn sie - wie hier behauptet - Inhalt einer privatrechtlichen Vereinbarung geworden sind (SZ 46/103; 6 Ob 98/00f; RIS-Justiz RS0002209 uva), braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

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