OGH 1Ob170/73

OGH1Ob170/7317.10.1973

SZ 46/103

Normen

JN §1
ZPO §41
ZPO §502 Abs2 Z3
JN §1
ZPO §41
ZPO §502 Abs2 Z3

 

Spruch:

Kosten für Mahnschreiben sind wie alle Kosten der Beweissammlung und der Prozeßvorbereitung als sogenannte vorprozessuale Kosten Prozeßkosten im Sinne des § 41 ZPO; besteht nicht ein eigener Privatrechtstitel, ist deren Durchsetzung im Rechtsweg unzulässig

Die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs. 2 Z. 3 ZPO gilt für alle Fälle, in denen die gegen die Berufungsentscheidung gerichtete Revision nur mehr einen die Bagatellgrenze nicht übersteigenden Streitwert betrifft

Ein Vergreifen in der Entscheidungsform ändert nichts an der Zulässigkeit eines Rechtsmittels oder dessen Behandlung

OGH 17. Oktober 1973, 1 Ob 170/73 (KG Leoben R 355/73; BG BrucK an der Mur 3 C 302/72)

Text

Der Kläger lieferte dem Beklagten am 13. November 1969 verschiedene waren im Gesamtwert vom 1321.80 S. Am 16. Jänner 1970 wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Das Verfahren wurde am 25. August 1970 durch Bestätigung eines Zwangsausgleiches - die Gläubiger dritter Klasse sollten 30% der angemeldeten und festgestellten Forderungen erhalten - beendet. Der Kläger hat sich am Konkursverfahren nicht beteiligt, und begehrt mit der vorliegenden Klage vom Beklagten den vollen Betrag von 1321.80 S zuzüglich 92.80 S an kapitalisierten Zinsen bis 27 Juni 1970 und 25 S an Mahnspesen für Mahnungen am 13. März, 19. Mai und 27. Juni 1970, zusammen 1439.50 S samt 10% Zinsen seit 1. Juni 1970.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 1439.50 S samt 10% Zinsen seit 27. Juni 1970 und wies nur das Zinsenbegehren für die Zeit vom 1. bis 27. Juni 1970 ab.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil, das der Beklagte hinsichtlich eines Betrages von 42435 S unangefochten gelassen hatte, dahin ab, daß es den Beklagten zur Bezahlung des Betrages von 424.35 S samt 9.5% Zinsen seit 10. März 1972 verurteilte und das Mehrgebehren auf Zahlung weiterer 1015.5 S samt 10% Zinsen seit 1. Juni 1970 sowie das übrige Zinsenmehrbegehren abwies. Von der Abweisung mitumfaßt waren unter anderem die im Klagebegehren enthaltenen Spesen von 25 S für die während des Konkursverfahrens an den Beklagten gerichteten drei Mahnungen; nach Auffassung des Berufungsgerichtes konnte dieser Betrag schon deswegen nicht zuerkannt werden, weil es sich um nicht als zur Hauptsache gehörige vorprozessuale Kosten handle und überdies der mit den Mahnungen verfolgte Zweck, eine Zahlung der Forderung zu erlangen, während des Konkursverfahrens nicht erreicht habe werden können.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision zurück und sprach aus, daß ein Kostenersatz nicht stattfinde, da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt hatte.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst sei erwähnt, daß der Beklagte seine Verurteilung zur Bezahlung eines Betrages von 424"35 S durch das Erstgericht nicht anfocht. Das Berufungsgericht war daher nicht berechtigt, den Beklagten nochmals zur Bezahlung dieses Betrages zu verurteilen; wenn es schon meinte, den rechtskräftig gewordenen Teil des Anspruches nochmals in seine Entscheidung einbeziehen zu müssen, statt nur auf die Rechtskraft dieses Teiles der erstgerichtlichen Entscheidung zu verweisen, hätte es dies zumindest im Spruch seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen müssen. Konsequenzen daraus sind allerdings nicht zu ziehen, da auch die zweite Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 424.35 S rechtskräftig geworden und daher nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

In dem von der Revision bekämpften Teil der abweisenden berufungsgerichtlichen Entscheidung ist ein Betrag von 25 S enthalten, den der Kläger als Spesenersatz für drei während des Konkursverfahrens an den Beklagten gerichtete Mahnschreiben in Anspruch nimmt. Bei den Kosten für Mahnschreiben handelt es sich auch, wenn sie zusammen mit der Kapitalforderung eingeklagt werden (SZ 26/108; vgl. auch EvBl. 1968/404; SZ 24/342 u. a.) und solange hiefür kein eigener Privatrechtstitel geschaffen wurde (RZ 1970, 82; Fasching II, 302), um sogenannte vorprozessuale Kosten, zu denen alle Kosten der Beweissammlung und der Prozeßvorbereitung gehören. Sie sind als Prozeßkosten im Sinne des § 41 ZPO anzusehen, wenn der Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Der Anspruch hat dann wie alle Prozeßkosten öffentlich-rechtlichen Charakter, für deren Durchsetzung der Rechtsweg unzulässig ist (SZ 14/76; Fasching I, 153); eine Klage ist also insoweit, als sie den Ersatz solcher Kosten im Rechtswege begehrt, zurückzuweisen. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zu- oder Aberkennung von Mahnspesen betrifft aber auch nur den Kostenpunkt und ist daher einer weiteren Überprüfung nicht mehr zugänglich (§ 528 ZPO); die Entscheidung der zweiten Instanz betreffend die Mahnspesen ist damit rechtskräftig und kann vom Obersten Gerichtshof auch nicht mehr neu gefaßt werden.

Zumindest dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, auch das Berufungsgericht der Auffassung war, daß es sich um vorprozessuale Kosten handelt, ist aber doch zu berücksichtigen, daß die Entscheidung hierüber nicht mit abweisendem Urteil, sondern mit zurückweisendem Beschluß hätte erfolgen müssen. Das Berufungsgericht hat sich nur in der Entscheidungsform vergriffen. Ein Vergreifen in der Entscheidungsform (Urteil statt Beschluß oder umgekehrt) ändert aber nichts an der Zulässigkeit des Rechtsmittels oder dessen Behandlung (JBl. 1965, 374; JBl. 1960, 260 u. a.; Fasching IV, 21); es darf den Parteien nicht zum Nachteil gereichen, es darf ihnen aber auch nicht einen vom Gesetz sonst versperrten weiteren Rechtszug eröffnen (EvBl. 1967/456, Novak in JBl. 1965, 374). Es bleibt also, wenn mit Urteil statt mit Beschluß entschieden wurde, dabei, daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht die Sache selbst, sondern rein prozessuale Vorgänge betraf, über die in der in den §§ 471 ff. ZPO geregelten Form abzusprechen war (1 Ob 256/72). Geht man aber davon aus, daß das Klagebegehren, was den Betrag von 25 S betraf, nicht abgewiesen, sondern in diesem Umfang vielmehr richtig die Klage zurückgewiesen wurde, die 25 S also gar nicht Gegenstand der Entscheidung in der Hauptsache waren bzw. jedenfalls so zu behandeln sind, betrifft der Gegenstand der Abänderung durch das Berufungsgericht nicht den Betrag von 1015.15 S, sondern nur 990.15 S samt Anhang.

Die Klage wurde nun dem Beklagten im gegenständlichen Fall am 10. März 1972 zugestellt und damit streitanhängig. Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist daher bereits die Bestimmung des § 502 Abs. 2 Z. 3 ZPO i. d. F. des Bundesgesetzes BGBl. 291/1971 anzuwenden (Art. III Abs. 1 und 2 erster Halbsatz des Gesetzes). Durch diese Vorschrift wird ein weiterer Rechtszug gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über einen den Wert einer Bagatellsache an Geld oder Geldeswert nicht übersteigenden Streitgegenstand oder Teil des Streitgegenstandes ausgeschlossen. Die Bagatellgrenze liegt bei 1000 S (§ 448 ZPO). Der Wortlaut des § 502 Abs. 2 Z. 3 ZPO ist allerdings geeignet, mißverstanden zu werden, weil er, für sich allein betrachtet, auch so aufgefaßt werden könnte, daß die Revision nur dann unzulässig sei, wenn schon das Berufungsgericht über einen die Bagatellgrenze nicht übersteigenden Streitgegenstand oder Teil des Streitgegenstandes entschieden hat, eine Voraussetzung, die hier nicht vorliegt. Bei richtiger Gesetzesauslegung gilt die Rechtsmittelbeschränkung jedoch auch dann, wenn nur die gegen die Berufungsentscheidung gerichtete Revision nur mehr einen 1000 S nicht übersteigenden Streitwert betrifft. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der gleichzeitig novellierten Bestimmung des § 500 Abs. 2 erster Satz ZPO, wonach das Berufungsgericht, wenn der Gegenstand seiner Entscheidung nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht und es der Berufung ganz oder teilweise stattgibt, im Urteil auszusprechen hat,ob der davon betroffene Wert des Streitgegenstandes 1000 S übersteigt, und vor allem aus der ebenfalls neu gefaßten Bestimmung des § 506 Abs 1 Z. 2 ZPO, wonach die Revisionsschrift im Fall des § 502 Abs. 2 Z. 3 ZPO die Angabe des Wertes des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Teiles des Streitgegenstandes (der Revision) enthalten muß. Die drei Gesetzesbestimmungen hängen eng miteinander zusammen; die Regelung des § 502 Abs. 2 Z. 3 ZPO kann nur so verstanden werden, daß sie die beiden anderen zitierten Bestimmungen nicht bedeutungslos macht. Eine Revision ist dann aber immer ausgeschlossen, wenn entweder schon der von der Abänderung durch das Berufungsgericht betroffene Teil des Wertes des Streitgegenstandes nach dessen Ausspruch 1000 S nicht übersteigt oder jedenfalls der sodann von der Revision erfaßte Wert des Streitgegenstandes nicht über diesen 1000 S liegt. Das war auch die Absicht der Gesetzesnovellierung, wie den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Zivilprozeßnovelle 1971 (420 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 3 f.) zu entnehmen ist. Danach sollte die Z. 3 den § 502 Abs. 2 ZPO um diejenigen Fälle bereichern, in denen das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz über einen Streitgegenstand oder einen Teil des Streitgegenstandes abgeändert bat, der an Geld oder Geldeswert den für Bagatellsachen festgesetzten Wert nicht übersteigt, aber auch um diejenigen, in denen überhaupt nur ein solcher Teil des Entscheidungsgegenstandes mit Revision angefochten werden soll, der den Bagatellwert nicht übersteigt, diese Ergänzung sollte die Folge des Gedankens sein, daß Entscheidungen der zweiten Instanz dann nicht der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof zugeleitet werden sollen, wenn der angefochtene Wert ganz allgemein unter dem Bagatellwert liegt. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof auch bereits zu 3 Ob 36, 37/72 erkannt.

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